Kloster Lorsch

Was Touristen von Lorscher Klosterführern wissen wollen

Eine persönliche Führung an der Welterbestätte ist die beste Vermittlungsform, weiß Leiter Hermann Schefers. Das Team soll jetzt erweitert werden.

Von 
Nina Schmelzing
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Zum Team der Klosterführer, die Touristen über die Welterbestätte Lorsch informieren, gehören unter anderem Bruno Wollmann (links) und Lothar Rist. © Thomas Neu

Lorsch. Vom einst mächtigen und sehr bedeutenden Lorscher Kloster ist heute nicht mehr viel zu sehen. Besucher, die kommen, um die Welterbestätte zu besichtigen, freuen sich deshalb über Erklärungen, denn das Kloster – übrig sind oberirdisch nur noch Königshalle, Kirchenrest und Klostermauer – erschließt sich nicht von selbst. Natürlich kann man vorab dicke Bücher lesen oder sich digital per App informieren lassen. Man kann aber auch eine klassische Führung vor Ort buchen – und genau das machen viele Gäste ausgesprochen gern.

Täglich außer montags werden in der Sommersaison verschiedene Führungen angeboten. So gut ist die Nachfrage, dass Welterbestättenleiter Dr. Hermann Schefers sagt: „Wir brauchen mehr Leute.“ Das Team, das die Aufgabe bislang übernimmt, soll noch im kommenden Jahr möglichst verstärkt werden. Vor allem auf aktive Senioren und Studenten hofft er dabei, die einige Stunden im Monat mithelfen möchten, Kloster Lorsch und seine Bedeutung einem interessierten Publikum zu vermitteln.

Geschichtswissenschaft studiert zu haben, ist keine Voraussetzung dafür. „Es sind alles Quereinsteiger außer mir“, sagt der Historiker mit Blick auf seine derzeitigen Honorarkräfte. Gerade die unterschiedlichen Fähigkeiten und Kenntnisse, die seine Teammitglieder mit- und in ihre Führungen einbringen, weiß er zu schätzen. Den Führungsteilnehmern, unter denen Fachwissenschaftler üblicherweise in der Minderheit sind, gehe es ähnlich. Viele Menschen kommen zum Beispiel nach Lorsch, weil ihr Heimatort im Lorscher Codex seine Ersterwähnung hat und sie auf diese Weise auf die Klosterstadt aufmerksam wurden und sie einmal kennenlernen wollen.

Wie sah der Alltag im Mittelalter und in einem Kloster aus?

Bruno Wollmann und Lothar Rist, die schon seit einigen Jahren zum Team gehören, bestätigen das. Fragt man die beiden, was die Touristen so wissen wollen bei den Führungen, dann reden sie weniger von Geschichtszahlen, sondern sagen zum Beispiel, dass der Alltag der Menschen im Mittelalter und speziell in einem Kloster ein Thema sei, über das die Gäste mehr erfahren möchten: Was wurde gegessen? Gab es so etwas wie Freizeit? Die meisten Menschen, das wird schnell klar, mussten damals mit zahlreichen Gefahren im Alltag rechnen: Krankheiten, gegen die es keine Medikamente gab, Missernten, Naturkatastrophen.

Warum kein Wiederaufbau?

Auch wundern sich manche Touristen offenbar darüber, dass das früher eindrucksvolle Kloster mit berühmter Bibliothek nicht einfach wieder aufgebaut wurde. Das würde dann doch noch mehr hermachen als die Ruinen. Auch da können die Gästeführer aufklärend wirken. Für eine Welterbestätte – die wertvollen Lorscher Relikte sind weit über tausend Jahre alt – gelten schließlich strengste Vorgaben. Wer sie missachtet, riskiert die Aberkennung des begehrten Welterbe-Titels.

In Lorsch kommt hinzu, dass man trotz intensiver Forschung vieles bislang nicht gesichert weiß. Selbst die berühmte Königshalle gibt bekanntlich noch immer Rätsel auf. Modelle und Rekonstruktionen herzustellen, würde bei Betrachtern den Eindruck erwecken, genau so sei es gewesen. Das will man vermeiden, denn es bleiben Fragezeichen.

Und weil im Laufe der Jahre neue Erkenntnisse zu neuen Bewertungen führen können, wird der aktuelle Wissensstand eben nicht fest zementiert präsentiert. Im Lorscher Klostergelände hat man sich für Vertiefungen im Rasen entschieden, um frühere Dimensionen der Anlage vor Augen zu führen. Sie weisen darauf hin, wie es gewesen sein könnte.

Langweilig wäre es ohne Klosterführungen nicht

Kloster Lorsch und auch Lauresham sind eben kein Disneyland. Das vor mehr als zehn Jahren eröffnete Lauresham ist sehr bewusst als Experimentalarchäologisches Freilichtlabor angelegt worden, in dem die Erforschung der Zeit des Frühen Mittelalters eine zentrale Rolle spielt. Spaß machen soll die Vermittlung seriösen Wissens natürlich trotzdem – und das tut sie auch, wie Wollmann und Rist unterstreichen.

Er habe damals gelesen, dass Gästeführer gesucht werden, erinnert sich Lothar Rist, wie er zum Team kam. Beruflich hatte er mit dem Kloster nichts zu tun, er war als Personalleiter einer großen Bank beschäftigt, zum Teil weit entfernt von der Bergstraße. Gebürtiger Lorscher ist Rist gleichfalls nicht – Interesse an Geschichte aber hatte er immer. „Ich lese gern“, sagt der 69-Jährige.

Für die Zeit der Rente habe er sich eine weitere Beschäftigung vorstellen können. Langweilig wäre es Rist auch ohne Klosterführungen bestimmt nicht, denn ehrenamtlich hat er sich jahrelang bereits sportlich für Handball und im sozialen Bereich für die Paten für Ausbildung engagiert. Ohne Scheu auf andere zugehen können, diese für die Führungen erforderliche Zugewandtheit habe er schon aus dem Berufsleben mitgebracht. Intensiv habe er sich dann der Vorbereitung auf die Klosterführungen gewidmet.

Man muss merken, was die Menschen wirklich interessiert

Trotz der vielen Möglichkeiten, sich Wissen über Lorsch anzueignen, sei eine persönliche Führung noch immer die beste Vermittlungsform, meint Hermann Schefers. Teilnehmer können dabei unmittelbar die Fragen stellen, die sie gerade bewegen – und die gut geschulten Lorscher Klosterführer können sich auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Gruppen individuell einstellen. „Man muss merken, was die Menschen wirklich interessiert“, sagt Lothar Rist – und möglichst flexibel reagieren können.

Schauen sich Gäste erstmals in Lorsch um, gestalte er die Führung anders als bei Besuchern, die Lorsch bereits ein bisschen kennen. Sind Kinder dabei, verwendet er einfachere Sprache. „Freude am Erzählen“ sei schon wichtig, sagt Schefers zu den Anforderungen, Fremdsprachenkenntnisse sind willkommen, aber keine Voraussetzung, Klosterführer müssen sich auch einlassen können auf ein großes Team.

Geschichte habe ihn von Kindheit an fasziniert, berichtet Bruno Wollmann. Sein privater Schwerpunkt sei anfangs das 19. und 20. Jahrhundert gewesen, dann kam das Mittelalter hinzu. In der Führung von Gruppen habe er schon durch frühere Tätigkeiten Erfahrung gehabt. „Das war kein Neuland für mich“, so Wollmann, Jahrgang 1952, der beruflich in der Werbung und für Verlage gearbeitet hat. Architektur- und Kirchengeschichte zählen zu seinen Steckenpferden.

90 Minuten lang Informationen

Eine Führung dauert durchschnittlich 90 Minuten. Man muss sich also schon einiges Wissen angeeignet haben, um anderthalb Stunden Führung inhaltlich interessant zu füllen – ohne sich zu wiederholen. Wer als Klosterführer tätig sein will, sollte unter anderem über den Lorscher Codex und das Weltdokumentenerbe Lorscher Arzneibuch Bescheid wissen, den St. Galler Klosterplan kennen und über den Alltag am Königskloster berichten können. Dass dieser weit mehr als das mönchische Leben umfasste, davon gibt etwa Lauresham einen Eindruck.

Das komplette erforderliche Wissen eignen sich die Führer mit Unterstützung der Schlösserverwaltung an. Zur Vorbereitung gehört sogar ein mehrtägiger Aufenthalt in einem Kloster. Wer sich für die Arbeit als Klosterführer in Lorsch interessiert, das Team verstärken möchte, kann sich mit einer E-Mail an h.schefers@kloster-lorsch.de bewerben.

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„Interessierte Gäste fragen viel“, sagen Wollmann und Rist. Durch die Fragen lernten sie auch selbst wieder Neues dazu, berichten sie erfreut. Ja, räumen sie auf Nachfrage ein, es komme vor, dass mancher Besucher, der anreist, sich zunächst enttäuscht zeigt, weil er sich die Welterbestätte als gut erhaltene riesige Anlage vorgestellt hatte. Nach einer interessanten Führung allerdings sei von Enttäuschung meist keine Rede mehr.

Nicht wenige Gäste kommen wieder, buchen dann auch Kurse, Workshops oder Spezialführungen bei Experten aus dem umfangreichen Angebot an der Welterbestätte. Die Klosterführer als eine der ersten Ansprechpartner erhielten oft „tolle positive Rückmeldungen“, heißt es aus dem Team. Und werden sie nach Tipps gefragt, welche Orte auch außerhalb des Klostergeländes noch besuchenswert sind, sind sie natürlich gleichfalls um Antworten nicht verlegen.

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