Lorsch. Im Nebel auf dem Parkplatz des Deutschen Roten Kreuzes in Lorsch stehen an die 70 Menschen in einer Schlange. Es ist 11.30 Uhr am Freitagvormittag und die Leute haben sich eingefunden, um sich impfen zu lassen. Das mobile Team des Impfzentrums Bergstraße ist seit vergangenem Mittwoch im Kreis Bergstraße unterwegs, um für alle Altersklassen Corona-Schutzimpfungen anzubieten. Am Mittwoch war das Team in Heppenheim, am Donnerstag in Viernheim und am gestrigen Freitag beim DRK in Lorsch. Vor der Menschenschlange auf dem Parkplatz wurde ein Schild aufgestellt: „Maximale Anzahl erreicht“.
Nicole Bürner, 47 Jahre alt aus Viernheim, hat sich in der Schlange für ihre erste Impfung eingereiht. Sie sei vor allem für ihre Kinder und ihre Eltern hier, sagt sie. Ihre ganze Familie sei bereits am Corona-Virus erkrankt, seit Juni sei sie genesen. Heute sei sie hier, weil es bei ihrem Hausarzt nicht möglich gewesen sei, einen Termin zu erhalten und dieser sie auf das Angebot des dezentralen Impfens aufmerksam gemacht hatte. „Ich war gestern schon in Viernheim, hatte dort allerdings keine Chance mehr, eine Impfung zu bekommen. Um 15 Uhr war ich vor Ort und die Mitarbeiter des Impfteams sagten mir, ich soll heute früher kommen, also war ich um zehn vor elf hier.“
Die Termine des Impfangebots sind mit einer Dauer von 11 bis 18 Uhr ausgeschrieben. „Um 10 vor 11 reichte die Schlange über den gesamten Parkplatz bis an die Straße.“ Sie finde es sehr gut, dass sich so viele Freiwillige zum Impfen einfinden. Eine Pflicht, um Menschen zum Impfen zu zwingen, hält sie für den falschen Weg. „In meiner Clique sind einige Leute geimpft, andere nicht, ich treffe mich trotzdem mit ihnen. Es muss jeder selbst wissen. Was momentan geschieht, ist, dass man quasi gezwungen wird, sich impfen zu lassen und das finde ich nicht in Ordnung. Mit der 2G-Regel kann man nirgends mehr hin. Man kann ja nicht mal in ein Restaurant.“
Die Coronaschutz-Impfaktion im Kreis Bergstraße wird sehr gut angenommen. Auch Ivone Glaschke aus Bürstadt hat sich für ihre erste Impfung hier eingefunden. Die 41-jährige möchte ihr Ehrenamt als Schwimmtrainerin der DLRG weiterhin ausführen und den Kindern im Winter Schwimmtraining anbieten. Dafür lässt sie sich impfen. „Ich bin ganz klar nicht dafür, dass es zur Pflicht wird, sich impfen zu lassen. Aber momentan ist es eben so, dass die Impfung mit dem Aspekt der Freiheit verknüpft ist. Die Menschen wollen ihre Freiheit, also lassen sie sich impfen. Und das ist ja wiederum mit einem gewissen Druck verbunden, der wie eine indirekte Impfpflicht wirkt.“
Das sei ihrer Meinung nach der falsche Weg. Testangebote sollten weiterhin weiträumig angeboten werden. „Geimpfte haben ja eine Art Freifahrtschein und dürfen machen, was sie wollen. Das schließt die Ungeimpften aus und sorgt für eine Spaltung der Gesellschaft.“
Eine Mitarbeiterin des Impfteams befragt die in der Schlange stehenden Impfwilligen nach ihrem Impfstatus und Hausarztkontakten. Frederik Reher aus Heppenheim wollte sich heute seine Booster-Impfung verabreichen lassen. Für ihn war allerdings kein Impfstoff mehr verfügbar. „Ich war letzte Woche schon in Mannheim bei einer dezentralen Impfaktion, war dort jedoch genauso erfolglos wie hier. Den Leuten, die dort arbeiten, möchte ich das natürlich auch nicht zum Vorwurf machen. Nur von einer höheren Instanz aus hätte man das Ganze besser planen können.“ Der 31-jährige IT-Consultant ist beruflich viel unterwegs. Für anstehende Geschäftsreisen im Dezember wollte er sich mit der Booster-Impfung zusätzlich schützen. „Auf der einen Seite heißt es, dass man sich als Bürger bitte impfen lassen soll, auf der anderen Seite schließen die Impfzentren und die Ressourcen, um alle impfen zu lassen, sind nicht verfügbar. Ich werde meine Geschäftsreisen absagen und dann meinen Impftermin beim Hausarzt Mitte Dezember wahrnehmen.“ Für ihn sei es nicht so schlimm, am Freitag keinen Termin ergattert zu haben. Den Unmut der anderen Wartenden könne er allerdings gut verstehen. Auch Leute, die sich nicht impfen lassen wollen und sich von der Eventualität einer Impfpflicht unter Druck gesetzt fühlen, könne er verstehen. „Trotzdem würde eine Impfpflicht für eine große Sicherheit sorgen.“
Die Leiterin des tätigen Impfteams in Lorsch, Susanne Reimund, geht ihre Unterlagen durch, überprüft Impfdaten und weist den Leuten einen Warteplatz in der umfunktionierten Fahrzeughalle des DRK Lorsch zu. „Ich sage allen, die warten, rechtzeitig Bescheid, ob sie geimpft werden können oder nicht, damit niemand unnötig in der Kälte stehen muss. Alle, die heute keine Impfung bekommen haben, müssen sich keine Gedanken und Sorgen machen: Wir werden jeden impfen können, der beim Hausarzt keine Impfung erhält.“
120 Menschen vor der Tür
Als sie am Freitagmorgen mit ihrem Team und 150 Impfdosen anrückte, standen ihrer Schätzung nach bereits 120 Menschen vor der Tür. Das Angebot werde überall sehr gut angenommen und treffe auf erhöhte Nachfrage. Mit dieser sei nach dem beinah stagnierenden Impffortschritt und dem Schließen der Impfzentren nicht zu rechnen gewesen. „Die Zahlen steigen, die Menschen sind verunsichert, haben Angst vor einer Erkrankung. Wir haben natürlich volles Verständnis dafür, können aber nur eine bestimmte Anzahl impfen und müssen uns dabei auch an die Priorisierung halten. Wir können nicht jeden impfen, der geimpft werden möchte. Es gibt klare Vorgaben, an die wir uns zu halten haben. Und ich kann jemanden nicht vorziehen, der seine dritte Impfung bekommen möchte, während draußen jemand steht, der noch gar keine Impfung erhalten hat.“
Zuerst an den Hausarzt wenden
„Heute Morgen mussten wir einen Herrn wegschicken, der in 14 Tagen einen Impftermin für seine Boosterimpfung hat und daher in der Priorisierung nach unten rutscht. Er war stinksauer, dass er so lange warten musste, nur um dann weggeschickt zu werden. Das tut mir dann leid, aber es geht momentan leider nicht anders. Ich kann nur noch einmal betonen, dass jeder geimpft werden wird, der geimpft werden möchte. Wir bitten, sich zuerst an einen Hausarzt zu wenden“, sagt Susanne Reimund.
Dezentrales Impfen im Kreis Bergstraße geht am Montag in Gadernheim weiter
Am 9. Februar 2021 öffnete das Impfzentrum Bergstraße am Berliner Ring in Bensheim seine Türen. Am 30. September schlossen die 28 Impfzentren in Hessen, darunter auch das Impfzentrum Bergstraße.
In diesem Zeitraum wurden dort fast 100 000 Menschen mit 183 000 Spritzen erst-, zweit- und drittgeimpft.
188 Angestellte kümmerten sich um die Logistik, die Organisation, Betreuung und Impfung. Von 6.30 bis 23 Uhr waren die Angestellten im Einsatz.
Mit der Schließung des Impfzentrums endete dieser Einsatz nicht. Seit dem 1. Oktober sind drei mobile Impfteams des Impfzentrums im Kreis Bergstraße unterwegs, um weiteren Impfstoff zu verabreichen.
Von verschiedenen Stellen wird das Team angefragt, um in Schulen, Altenheimen oder Behinderteneinrichtungen zu impfen. Das Team ist durchgängig unterwegs, um möglichst viele Leute mit Impfstoff zu versorgen.
Seit Mittwoch, 10. November, ist das Team im Kreis Bergstraße unterwegs, um ein dezentrales Impfen für Bürger anzubieten, da die Hausärzte mit dem Impfen nicht nachkommen. Dabei bieten sie erst-, zweit- und Booster-Impfungen an.
Allerdings muss sich dabei an Vorgaben und Empfehlungen der Ständigen Impfkommission gehalten werden. Die Booster-Impfung für Grundimmunisierte kann erst sechs Monaten nach der zweiten Impfung erfolgen.
Ausnahme: Wurde vorher Johnson & Johnson verabreicht gilt eine Wartezeit von mindestens vier Wochen.
Die aktuellen Impfungen erfolgen jeweils mit dem Impfstoff der Firma Biontech.
Personen ab 12 Jahren können sich impfen lassen.
Das Team war bereits in Heppenheim, Viernheim und Lorsch.
Am 15.11. wird das Team in Gadernheim an der Heidenberghalle sein. Am 16.11 in Heppenheim am Rewe-Center, am 17.11. im Viernheimer Bürgerhaus in der Kreuzstraße 2-4, am 18.11. auf dem Fürther Marktplatz und am 29.11. im Bürgerhaus in Mörlenbach.
Mitzubringen sind ein Impfpass, die Gesundheitskarte, Dokumentationen der vorangegangen Impfungen sowie ausgefüllte Aufklärungsmerkblätter und Anamnese-Bögen, die sich auf der Website des Kreis Bergstraße (www.kreis-bergstraße.de) finden lassen. fw
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