Radtour

Traditionelle Grenzfahrt führte auch nach Bensheim und Einhausen

Für Lorscher Türen geöffnet, die meist geschlossen sind: Im Rahmen der traditionellen Grenzfahrt wurden auch Stopps im Kieswerk an der Erlache und in der Kläranlage eingelegt. Abschluss bei den Klosterspatzen

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Nina Schmelzing
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In der Lorscher Stadtmitte starteten am Sonntagmittag knapp 70 Grenzfahrer zur Radtour, die diesmal unter anderem auch durch Einhausen führte. © Jürgen Strieder

Lorsch. Die Lorscher Grenzfahrt, seit 15 Jahren ein regelmäßiger Termin in jedem September, führte diesmal auch auf Bensheimer und Einhäuser Gemarkung. Knapp 70 Interessierte radelten mit, um sich an verschiedenen Stationen, die zum Teil nicht öffentlich zugänglich sind, informieren zu lassen. Ein Schild mit der Aufschrift „Betreten strengstens verboten“ hängt aus gutem Grund zum Beispiel am Kieswerk an der Erlache und auch ins Gelände der Kläranlage kann verständlicherweise nicht jeder einfach nach Belieben hineinmarschieren. Im Rahmen der Grenzfahrt, zu der Stadtverordnetenvorsteherin Christiane Ludwig-Paul eingeladen hatte, wurden Türen geöffnet.

Schon vor dem Start gab es am Treffpunkt Königshalle ein Kurzreferat. Denn eine Baustelle am Benediktinerplatz, nur wenige Schritte von der Welterbestätte entfernt, zieht derzeit viele Blicke auf sich. Die einstige Pizzeria, in der später die „Klosterbar“ betrieben wurde, ist inzwischen abgerissen. In der Baulücke werde „Schönes“ entstehen, versprach Bürgermeister Christian Schönung. Die Entwicklungsgesellschaft Lorsch (EGL) habe das Grundstück erworben, damit an dieser zentralen Stelle der Ortsmitte Neues realisiert werde.

Ein Neubau mit Wohnungen und einer gewerblichen Nutzung im Erdgeschoss ist vorgesehen – und bei dieser sollte es sich auf jeden Fall um „einen Frequenzbringer“ und Publikumsmagneten handeln, unterstrich der Bürgermeister. In die attraktivere Gestaltung des Platzes werde auch das Klostercafé einbezogen, das – die meiste Zeit im laufenden Betrieb – eine „größere Sanierung“ erfahre. Da zunächst Mitarbeiter von Hessen-Archäologie ans Werk gehen werden, um den Untergrund nach möglicherweise spannenden Funden aus dem Mittelalter abzusuchen, sei derzeit nur noch offen, wann man mit dem eigentlichen Neubau beginnen könne. Sicher sei, dass sich die Neugestaltung „wunderbar“ ins Zentrum einfügen werde.

Neue Technik bewunderten die Grenzfahrer beim Stopp an der Erlache. Das Kieswerk Rohr war ihr Ziel. Betrieben wird es von der Familie als eines von dreien in vierter Generation. Die auf dem Grundwassersee schwimmende Fotovoltaikanlage, mit der eigene grüne Energie produziert wird, sei in der Region einzigartig, erfuhren die Radler, von denen viele ihr Handy zückten, um diese im Bild festzuhalten.

Kurz vor dem Start an der Königshalle informierte Bürgermeister Schönung über die gegenüberliegende Baustelle in der Ortsmitte. Dort entsteht ein Neubau mit Wohnungen. © Jürgen Strieder

„Wir sind eine Gewinnungsstätte und kein Badesee“, erinnerte der Technische Betriebsleiter Sven Markert, dass sich an dem idyllisch wirkenden Ort Uferschwalben und Wasserbüffel rund um den See wohlfühlten, das Gewässer aber zum Baden viel zu gefährlich sei, da man unvermittelt in die Tiefe gezogen werden könnte. In einer Tiefe von bis zu 20 Meter sind die Saugbagger tätig, man könnte auch noch deutlich tiefer Kies abbauen, der dort seit Millionen Jahren liegt.

Produziert werde in der Region vor allem für die Region, erläuterte der Mitarbeiter. Die Bensheimer sind wichtiger Rohstofflieferant für die Bauindustrie und kümmern sich aber auch um Recycling-Baustoffe. Bis etwa zum Jahr 2050 könne man an dem Standort arbeiten.

Um moderne Technik ging es auch beim Halt in der Lorscher Kläranlage nahe der Wattenheimer Brücke. Leiter Andreas Stolz führte die Gruppe zu den jüngsten Neuerungen wie etwa dem Mischwasserpumpwerk. Wer wollte, konnte sich detailliert über das Zulaufhebewerk, das Regenüberlaufbecken, den eher unscheinbaren Brauchwasserbrunnen und die neue Rechenanlage informieren lassen. Stolz berichtete, dass die Neubauten dank Fertigteile-Anlieferung wie Legosteine sehr schnell und damit kostengünstig zusammengebaut werden konnten.

Am schlimmsten sind die vielen Feuchttücher, die im WC landen

Nicht jeder beschäftigte sich gern mit den Schrauben, Schnecken, Rechen und Sieben und besuchte die Innenräume der Hauptrechenanlage, in der sich sammelt, was viele Menschen in die Toilette werfen: neben Klopapier unvernünftigerweise immer wieder auch Damenbinden und Kondome. Besonders ärgerlich ist die Menge an Feuchttüchern, die auf diese Weise entsorgt werden. Sie verklumpen und verstopfen Pumpen hartnäckig. Niemals sollten sie ins WC geworfen werden.

Die Lorscher Kläranlage zähle zu den besten in Hessen, erfuhren die Grenzfahrer. Die Werte des gereinigten Abwassers lägen zum Teil deutlich unter den gesetzlich zulässigen, nannte Stolz beispielhaft Ammoniak, Nitrat und Phosphat. Der Klärschlamm aus der Region wird dennoch schon lange nicht mehr auf Ackerflächen ausgebracht, sondern zur Verbrennung nach Ludwigshafen zur Spezialanlage der BASF transportiert, so Stolz.

Dann ging es Richtung Einhausen – mit einer unfreiwilligen kleinen Streckenverlängerung. Denn am Abzweig in die Nachbarkommune radelte ein Teil der Gruppe in der Sommerhitze am Sonntagnachmittag zunächst versehentlich vorbei und musste dann umdrehen. Gestoppt wurde dann nahe der Autobahnbrücke zwischen Feldern. An dieser Stelle war die geplante Schienen-Neubaustrecke Frankfurt-Mannheim Thema.

„Es gibt nichts Neues“, berichtete Bürgermeister Schönung, während zur Freude der Grenzfahrer ein prächtiger „Sandhas“ vorbeihoppelte, der sich von der Gruppe offenbar gestört gefühlt hatte. Letzter Stand sei, dass ein unterirdischer Tunnel in geschlossener Bauweise bis nach Mannheim vorgesehen sei, sagte Schönung. Zwei getrennte Röhren seien geplant.

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„Wir wollten immer einen bergmännischen Tunnel“, erinnerte Schönung an die seit vielen Jahren laufenden Bemühungen der Lorscher und Einhäuser für diese schonende Variante. Jetzt laufe es tatsächlich genau darauf hinaus. „Mehr kann man nicht haben“, erklärte Schönung, dass Lorsch mit dem, was da kommen solle, sehr zufrieden sei. Man dürfe applaudieren dafür, dass die Bahn sich nun so „vernünftig“ zeigte – wenn auch der ausschlaggebende Grund dafür letztlich das hohe Grundwasser gewesen sei. Andere als die Tunnelvariante würden teurer. Das Parlament in Berlin werde, wenn die Unterlagen fertig sind, entscheiden, welche Zusatzforderungen, die über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehen, vom Bund bezahlt werden.

„Wir haben von der Strecke nichts“, sagte Schönung. Aber sie werde für die Lorscher nun auch – abgesehen von den Großbaustellen rund um die Tunnelmünder – keine Belastung darstellen. Lorsch habe keine weiteren Zusatzforderungen gestellt. Dass die Neubaustrecke für den Schienenverkehr wichtig ist, unterstrich Schönung.

13 Kilometer bis zum Imbiss bei den Klosterspatzen

Anschließend radelten die Lorscher durch die Einhäuser Ortsmitte und über den neuen Steg dort und steuerten Richtung Lorsch das Gelände der Klosterspatzen an. 13 Kilometer zeigte der Kilometerzähler gut ausgerüsteter Radler bis dahin an. Auf dem Freizeitgelände gab es für jeden Teilnehmer einen Verzehrbon. Mit Kuchen oder einem herzhaften Imbiss konnte man sich stärken und die Tour, gesponsert von der EGL und ausgearbeitet von Volker Knaup und Yvonne Brinkmann, gesellig ausklingen lassen.

Redaktion

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