Lorsch. „Nein, danke“, winkte ein Herr freundlich ab, als ihm auf dem Marktplatz gestern von Lyrik-Freundinnen ein Apfel angeboten wurde. „Poesie-Verführung“ hieß die Aktion, die das Lorscher Kulturamt dort initiiert hatte. Jeder Apfel, gratis abgegeben, war mit einem Gedicht versehen. Aber der Herr war vorsichtig, dachte an „Evas Apfel“ und argumentierte: „Ich habe aus dem Paradies gelernt.“
Auch ein weiterer Marktbesucher wollte nicht zugreifen. „Poesie“, so erklärte er ein bisschen uncharmant mit Blick auf seine Ehefrau, habe er daheim schon genug. Die allermeisten Bergsträßer, die auf dem Wochenmarkt einkauften, zeigten sich aber sehr angetan von der originellen Werbung für Lyrik. „Tolle Idee“, lobten mehrere. „In Lorsch ist immer etwas los“, freute sich auch eine Dame aus Hüttenfeld über die besondere Begrüßung, von der sie aus der Zeitung erfahren hatte.
Eric Jährling, Annette Goisser und Heidrun Scheyhing entkernten gemeinsam mit Kulturamtschefin Gabi Dewald 150 Äpfel und platzierten in das Obst Gedichte, hygienisch verpackt in Wachspapier, dekoriert mit einem Hinweis auf die kommenden „Leseschwarm“-Veranstaltungen. Auftakt der neuen „Poesie-Entführung“ ist morgen (20.) eine Veranstaltung um 18 Uhr im Paul-Schnitzer-Saal.
Viele entrollten ihr Gedicht gleich. Und was gab es zu lesen? Klassisches und Modernes gleichermaßen. „Wem Gott will rechte Gunst erweisen / den schickt er in die weite Welt“ aus dem „Frohen Wandersmann“ von Joseph von Eichendorff beispielsweise. Oder „In der Erde tief / die Zwiebel schlief“ von Josef Guggenmos.
Eichendorff, Hölderlin und Krolow
Ob ein Frühlingsgedicht von Friedrich Hölderlin, Zeilen von Karl Krolow oder von Wilhelm Willms – die meisten Beschenkten freuten sich über die Reime und das Obst zum Reinbeißen.
Auch der Hessische Rundfunk war vor Ort. Anna Vogel berichtete für den Sender von der Lyrik-Aktion und interviewte Gabi Dewald.
Die Kulturamtschefin erinnerte im Gespräch unter anderem an die Poesie-Aktion im vorigen Jahr in Lorsch. Im Rahmen der Frühlingstage hatten Mitglieder des Leseschwarms damals Gedichte in Bäume gehängt. So waren die Texte für viel Publikum zugänglich, das wegen der damaligen Corona-Maßnahmen aber nicht zeitgleich in großer Zahl an einem Ort zusammenkommen konnte. Die gestern verteilten Äpfel mit Lyrik-Füllung könnten durchaus als Frucht der vorjährigen Gedichte-Aktion betrachtet werden, meinte Dewald. Tatsächlich stammten die Äpfel allerdings aus dem Odenwald und mancher aß sein appetitliches Exemplar umgehend auf dem Marktplatz auf.
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