Lorsch. Seit 1967 ist Lorsch mit Le Coteau in Frankreich verschwistert, 1973 folgte Zwevegem in Belgien. Es schadet natürlich nicht, gelegentlich zu überprüfen, ob vor mehreren Jahrzehnten eingegangene Verbindungen noch Sinn machen. Es gibt andernorts durchaus Partnerschaften, die wieder aufgelöst wurden: weil die Entfernungen doch zu weit sind, Begegnungen selten, das Interesse aneinander nicht groß genug ist oder weil es an Geld mangelt. Le Coteau und Zwevegem etwa haben ihre Partnerschaft miteinander im vorigen Jahr beendet. Lorsch aber macht nicht Schluss. Zum 50-jährigen Bestehen der Verschwisterung mit Zwevegem wurde das einstige Freundschaftsversprechen jetzt feierlich erneuert.
Zum goldenen Jubiläum wurde ein festlicher Empfang ausgerichtet. Nicht allein eine Delegation aus dem Ort in Flandern mit ihrem Bürgermeister Marc Doutreluingne an der Spitze nahm daran teil. Im Paul-Schnitzer-Saal wurden ebenfalls Gäste aus Le Coteau sowie den weiteren Lorscher Partnerkommunen Sternberk in Tschechien und Ruhla/Thal in Thüringen dazu begrüßt.
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Alle Besucher zusammen bildeten eine Gruppe von rund 50 Personen. Die Lorscher Gastgeber hatten für das Jumelage-Treffen in diesem Jahr ein besonderes Programm ausgearbeitet. Ziel war es, die Besucher nicht zu verschiedenen Sehenswürdigkeiten in der Umgebung zu fahren, sondern viel Zeit gemeinsam am Ort zu verbringen, die freundschaftlichen Kontakte den Bürgern so sichtbar zu machen und sie zu intensivieren. Langeweile kam schon deshalb nicht auf, weil in Lorsch genau zum Partnerschaftstreffen die Kerb gefeiert wurde.
Die international zusammengesetzte Gruppe lernte vom Bieranstich über das Aufhängen des Kranzes und die Kerwerede bis zu den Konzertbesuchen mit Live-Musik das gesamte Brauchtum zur Lorscher Kerb hautnah kennen. Am Schubkarren-Rennen nahmen mehrere der Gäste sogar selbst aktiv teil.
Für Freiheit, Frieden, Wohlstand
Bürgermeister Christian Schönung und sein Zwevegemer Amtskollege unterzeichneten beim Empfang das Versprechen, „die universellen Werte der Freiheit, Gleichheit, Solidarität, Toleranz und Demokratie durch unsere Zusammenarbeit zu fördern und uns gemeinsam zu bemühen, zum Erfolg der für Friede, Freiheit und Wohlstand notwendigen Einheit Europas beizutragen“.
Auch wenn nicht jeder der Teilnehmer deutsch, französisch, flämisch oder tschechisch spricht – die Verständigung klappte gut. Übersetzer, die in mehreren Sprachen daheim sind, halfen, wenn es doch einmal klemmte. Besonders auf Elmar Ullrich und seine Erfahrung war dabei wieder Verlass. Der Lorscher war bereits bei der Begründung der Städtepartnerschaften vor über 50 Jahren mit von der Partie und übersetzte die früher langen Reden etwa für den damaligen Bürgermeister Georg Werner, für den früheren Ersten Stadtrat Heinrich Keck und den späteren Bürgermeister Ludwig Brunnengräber.
Beim großen Empfang jetzt gab es Redezeit-Begrenzungen, damit jeder zu Wort kommen konnte. Auch die Bürgermeisterin aus Le Coteau, Sandra Creuzet-Taite, die erstmals in Lorsch weilte, nutzte die Gelegenheit, sich vorzustellen und zur Festgemeinde zu sprechen. Die Bürgermeister aus Sternberk, Ruhla und Thal dankten anschließend in öffentlichen Reden gleichfalls für die Einladung.
Regelmäßige Treffen vor Ort
Ein Grund dafür, dass die Lorscher Städtepartnerschaften über lange Zeit lebendig geblieben sind, liegt in der Mitwirkung vieler Menschen. Dass eine gute Beziehung nicht funktionieren kann, wenn sie nur von wenigen Offiziellen gepflegt wird, davon war man in Lorsch früh überzeugt – und handelte danach.
Über den Partnerschaftsverein, derzeit von Brunhilde Schieb geführt, gibt es immer wieder Bürger-Fahrten in die Nachbarländer. Eine größere Gruppe reist in wenigen Tagen erneut nach Frankreich und unternimmt dabei auch einen Abstecher nach Le Coteau. Langjährige Freundschaften zu Kameraden in den Partnerstädten, die regelmäßig mit Treffen vor Ort aufgefrischt werden, unterhalten unter anderem auch die Feuerwehren, viele Sportler, Musiker und bildende Künstler.
Von „tiefer Freundschaft“, mit der Lorsch und Zwevegem verbunden seien, sprach Bürgermeister Schönung in seiner Rede. Er erinnerte an das über lange Jahre gelungene „Dreierbündnis“ Lorsch, Le Coteau und Zwevegem, das Generationen prägte. Dass eine Fahrt in ein europäisches Nachbarland heutzutage kein besonderes Ereignis mehr ist, verschwieg er aber nicht. Gerade für junge Leute gilt das angesichts der ihnen vertrauten Globalisierung und problemlosen Mobilität.
Multinationale Jugendcamps
Es müssten „vermehrt andere Formen der Kooperationen gefunden werden, damit Städtepartnerschaften weiter einen Beitrag für ein friedliches Zusammenleben leisten können“, sagte er. Hierzu gehöre ein „weiterer Ausbau der städtepartnerschaftlichen Netzwerke, auch auf anderen Ebenen“. Schönung brachte „multinationale Jugendcamps“ ins Gespräch, regte an, über „Workshops mit Menschen mit Behinderungen“ nachzudenken und darüber, den Schüler- und Studierendenaustausch auch auf Auszubildende auszuweiten. Dass die Corona-Beschränkungen die Kontakte zuletzt enorm erschwerten, ist unstrittig.
Keine spontane Begeisterung
Auch Marc Doutreluingne stellte in seiner Ansprache fest, dass Ausflüge in die Partnerstädte heutzutage grundsätzlich so einfach geworden seien, dass sie „keine oder zumindest zu wenig spontane Begeisterung in der Bevölkerung“ auslösten. Europa habe sich in einem halben Jahrhundert „tiefgreifend verändert“. In Zwevegem sei deshalb eine Arbeitsgruppe namens „Freunde der Verbrüderung“ ins Leben gerufen worden, deren Mitglieder sich darum kümmern, Aktivitäten zu organisieren. Auch die belgische Schule steuere jedes Jahr eine pädagogische Verbrüderungsaktivität bei, die in der Bevölkerung vermittelt werde, berichtete Doutreluingne.
Die „guten und schönen Traditionen“ zwischen Lorsch und Zwevegem müssten erhalten werden. Man müsse arbeiten, um sie auf dem gewünschten Niveau zu halten. Er blicke aber „zuversichtlich in die Zukunft“, unterstrich der Zwevegemer Verwaltungschef.
Musik verbindet Menschen über alle eventuellen Sprachbarrieren hinweg. Das bewiesen beim Empfang Petra Weis am Flügel und Barbara Mauch-Heinke an der Violine, die mehrere begeisternde Stücke darboten. Das Publikum applaudierte stehend. Mit guten Tropfen prostete man sich anschließend zu, zur Stärkung gab es unter anderem Kartoffeln, Würste, dunkles Brot, Handkäs, Spundekäs und Obstsalat.
Die Gäste trugen sich ins goldene Buch der Stadt ein. Am Montag ging es für alle wieder nach Hause. Gehofft wurde auf ein baldiges Wiedersehen.
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