Lorsch. Besser geht es nicht: Nur einen einzigen Schlag lang mussten die Festbesucher in Lorsch warten – ein Jubelschrei ertönte und schon floss am Samstag das Freibier. Im Vorjahr hatte Bürgermeister Christian Schönung bei der spannenden Prozedur zwei Mal mit dem Hammer ansetzen müssen. Erneut ging die Eröffnung der Kerb nun schneller als der fast zeitgleich stattfindende Anstich beim Münchner Oktoberfest vonstatten. Die Bayern brauchten zwei Schläge.
Dass das Bier in Lorsch in Plastikbechern ausgegeben wird, sollte zwar der Vergangenheit angehören. Es waren aber noch Restbestände da, hieß es auf Nachfrage bei der Stadt. Die ersten Erfahrungen mit den Freibier-Humpen waren zudem zuletzt nicht ganz so gut, wie man erhofft hatte. Viele Gläser wurden einfach nicht zurückgebracht.
Viel besser als im Vorjahr war jedenfalls auch das Wetter. Im September 2022 ging es mit Mützen und dicken Jacken zur Kerb, bei der mancher trotzdem fror, diesmal passten Strohhüte und leichte Kleidung – und mancher stöhnte, dass es die Sonne diesmal fast zu gut meinte. Die Lorscher Kerwe hätte man temperaturmäßig glatt mit dem Johannisfest im Sommer verwechseln können.
Lorsch ist grün, auch im Freibad
Aufgeschnappt hat die „Tabaknäherin“, dass Lorsch bald Wacken genannt wird. Nicht wegen der Metal-Musik beim Open-Air, für das diese Kommune bekannt ist, sondern wegen des „Gummistiefel-Sounds“ bei Regen auf dem unbefestigten Boden zum Lorscher Weihnachtsmarkt. An der Klostermauer ist schon mancher im Matsch ausgerutscht.
Dass die Stadt das „eigenmächtig“ von ihr angeordnete Tempolimit auf 30 km/h in der Nibelungenstraße nicht erlassen durfte, die Beschilderung wieder ändern musste und die Autofahrer stadtauswärts nun wieder mit Tempo 50 unterwegs sein dürfen, war der „Tabaknäherin“ natürlich auch nicht entgangen. „Schnell konschde eh net foarhn uff dem Stigg“, räumte sie ein.
Bei Öko-Themen ist Lorsch vorn – deshalb schimmerte in diesem Sommer wohl auch das Wasser im Freibad ungewöhnlich grün. Das Eisen, das sich an den Fliesen absetzte, habe dem Bürgermeister aber offenbar nicht den Badespaß vermiest, merkte sie mit Blick auf „wenischer Kilo“ bei ihm an. „Hoschde deshalb so feel abgenumme / weil de bischd in unserem Schwimmbad geschwumme?“, fragte Marion Walter in ihrer Rede den Verwaltungschef direkt. sch
Noch etwas kam außerordentlich gut an: die neue Symbolfigur für die Kerwerede. Marion Walter meisterte ihre Premiere als „Lorscher Tabaknäherin“ mit Bravour. Sie schlüpfte in die Rolle der Skulptur, die auf dem beliebten Brunnen vor dem Alten Rathaus sitzt, berichtete brühwarm, was sich die Lorscher in der Stadt so alles erzählen – und babbelte sich im heimischen Dialekt sofort in die Herzen ihrer Zuhörer.
Vom Wertstoffhof, den man „neierdings annerschdrum“ erreicht, hatte sie gehört und davon, dass „iwwerall Löcher uff unsere Gasse“ sind wegen „Glasfaser-Highspeed“ – und natürlich davon, dass das Ärztehaus noch immer nicht zu sehen ist. Walter warb auch für das „wunderbare Feuerwerk am Johannisfeschd“, das zwar für die Umwelt nicht das Beste sei, aber es doch erlaube, „mal korz net an all die Sorgen“ zu denken.
Donnernden Applaus und Bravo-Rufe gab es für die Symbolfigur, die erstmals den Lorscher Stadtschreiber ersetzte, der 25 Jahre lang das Ortsgeschehen glossierte und sich im Vorjahr verabschiedete. Die „Tabaknäherin“ sollte es auf keinen Fall beim einmaligen Auftritt belassen, sondern eine feste Größe bei der Kerb werden, wünschte sich das Publikum, das die gestandene Lorscherin und Fastnachterin bejubelte. Dass Walter, die hauptberuflich in einem Lorscher Schreibwarenladen tätig ist, allerhand hört, was sich in der Kerwe-Rede verarbeiten lässt, ist unbestritten. Vielleicht, so eine Anregung von Zuhörern, ließe sich auch das bisherige Rednerpult verändern, das nicht so recht zur Tabaknäherin passt.
Ob Live-Musik, Tanzdarbietungen oder Clown-Auftritte – für Unterhaltung war bei der Kerb vielfach gesorgt. Wer bei der Kerwe diesmal öfter Gespräche in französischer Sprache vernahm, hat sich nicht verhört. Die Kerb bot den passenden Rahmen auch für die Jumelage. Delegationen aus Le Coteau und Zwevegem, aus Sternberk und Ruhla/Thal feierten mit. Die Erneuerung des Freundschaftsversprechens mit dem belgischen Zwevegem vor 50 Jahren wurde mit einem Festakt im Paul-Schnitzer-Saal gewürdigt.
Auch abends verweilten zahlreiche Besucher gerne lange an den Ständen und in den Cafés. Vor den Bühnen im Bier- und Weindorf wurde getanzt, dort heizten unter anderem die „Pink Panthers“ ein. Die Piazetta war außerdem ein Treffpunkt besonders für junges Kerwepublikum.
Rekordbeteiligung beim Rennen
Ein Publikumsmagnet gestern Nachmittag war das Schubkarren-Rennen, veranstaltet von den Einzelhändlern, die auch zum verkaufsoffenen Sonntag eingeladen hatten. Spannende Parcoursläufe waren zu sehen. 13 Teams, so viel wie nie zuvor, gingen an den Start – und am Ende gewannen erneut die Vorjahressieger: Jonas Mahr und Alexander Glanzner, einziges Duo aus Einhausen (Bericht folgt).
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