Fastnacht

Lorscher Funken zeigen Einhausen, wie Fastnacht funktioniert

Die Lorscher Fastnachter lagerten die Saalfastnacht zu den Nachbarn aus. Dort begeisterten die Bürger-Funken im ausverkauften Haus mit Büttenreden, Bürgermeister-Duell und Tänzen.

Von 
Nina Schmelzing
Lesedauer: 
Die Lorscher Bürgerfunken in der Einhäuser Mehrzweckhalle. © Thomas Neu

Lorsch. Wissen Sie, wo die „Lorscher Schlucht“ ist? Selbst Einheimische werden da den Kopf schütteln. Wer aber die Sitzung der Bürger-Funken besuchte, ist jetzt schlauer. Die Fastnachter boten in ihrer fulminanten vierstündigen Abendsitzung neben viel Spaß und närrischer Unterhaltung diesmal nebenbei auch ein bisschen Nachhilfe in Heimatkunde und Geografie – auf höchst amüsante Art und Weise. Unter anderem „Tabaknäherin“ Marion Walter sowie die Bürgermeister von Lorsch und Einhausen übernahmen es, das Publikum in der zweimal ausverkauften Mehrzweckhalle zu unterrichten.

Die beiden Verwaltungschefs erwiesen sich dabei sogar als Büttenredner par excellence. Bürgermeister-Reden sind naturgemäß eher selten rhetorische Feuerwerke. Schönung und Glanzner tragen ihre Ansprachen üblicherweise auch nicht in frech-gereimten Versen vor. Als Duo auf der Bühne der Fastnachter mussten sie sich weder verkleiden noch in andere Rollen schlüpfen. Sie begeisterten die Zuhörer in einem mit Worten ausgetragen witzigen Wettstreit um die Vorteile ihrer jeweiligen Kommune und liefen bei der Aufzählung unter dem Applaus des Publikums zur Höchstform auf.

„Lorsch ist das Kaff neben uns“

„Wir sind die Stadt von Welt“, fasste Schönung die lange Liste der Lorscher Vorzüge zusammen – von der Welterbestätte bis zum Waldschwimmbad erblassten Einhäuser voller Neid wegen solcher Einzigartigkeiten. Die „Perle des Rieds“ kontert solch protzige Werbung jedoch ungerührt und lässt die lieben Nachbarn in ihrer Bedeutung schnöde zusammenschrumpfen: „Ohne Kloster wärt ihr bumms, nur das Kaff da neben uns“, lässt Glanzner seinen Amtskollegen wissen. Zumal vom Kloster „bloß noch die Eingangshalle“ steht.

Die Bürgermeister von Lorsch und Einhausen in der Einhäuser Mehrzweckhalle. © Thomas Neu

„Ihr habt ja nur die Giggelskerb“, meint der Lorscher Bürgermeister. Von wegen, klärt Glanzner auf. Die attraktiven Feste wie Weihnachtsmarkt, Heckenfest und Weinmarkt ziehen längst auch viele Lorscher über die Stadtgrenze, weiß er. Statt daheim feierten die Sandhasen doch lieber drüben in Einhausen. Und neuerdings pilgern sie auch in der fünften Jahreszeit zu Hunderten hinüber, um den Nachbarn an der Weschnitz zu zeigen, wie Fastnacht geht. „Ein Segen“ für die armen Giggel, ist Schönung überzeugt: Endlich mal was Neues für sie am Ort.

Lorscher Närrinnen und Narren müssen zum Tanzen auf die Stühle ausweichen

Wie wenige Tage zuvor die Närrischen Drei mussten auch die Funken für ihre Sitzungen nach Einhausen ausweichen. Die Nibelungenhalle daheim ist bekanntlich gesperrt. Der Aufforderung „steht auf, wenn ihr Lorscher seid“, kommt das Publikum beim Auswärtsspiel singend gerne nach. „Wie schön, dass es Einhausen gibt“, stimmen die beiden Bürgermeister, die sich als wahre Fastnachtstalente entpuppen, schließlich gemeinsam mit dem ganzen Saal in ein Loblied auf die Gastgeber ein. Die frozzelnden Verwaltungschefs ernten – das erleben Bürgermeister außerordentlich selten – nach ihren Reden donnernden Applaus und sogar lautstarke Zugabe-Rufe.

Die Bürgerfunken in der Mehrzweckhalle. © Thomas Neu

„Bitte nicht auf die Tische steigen“, ruft Helmut Glanzner den Besuchern noch besorgt zu. Dass die Lorscher, ihrer Nibelungenhalle auf unbestimmte Zeit beraubt, zum Tanzen gerne auch mal fremde Tischflächen zum Tanzparkett machen möchten, weiß man in Einhausen inzwischen. Das Mobiliar in der modernen Mehrzweckhalle aber würde das nicht unbeschadet überdauern. Denn im Gegensatz zur robusten Hallenausstattung am Lorscher Wingertsberg sind die Tischplatten in Einhausen ausgesprochen dünn. Die Holzstühle immerhin, die halten auch feiernde Funken aus. Das Publikum testet das den Abend über mehrfach und mit Freude aus.

Gymnastische Übungen zum Mitmachen und gemütliches Schunkeln

Das Programm ist sowieso nicht dazu gemacht, vier Stunden lang unbeweglich auf ungepolsterten Stühlen auszuharren. Wenn Angie Helm kommt, reißt sie die Zuhörer gleich von den Sitzen. „Nur nicht aus Liebe weinen“, singt die Stimmungskanone und fetzt dabei – besser als Zarah Leander oder Margit Sponheimer – leichtfüßig, temporeich und temperamentvoll über die Bühne.

Die Besucher dürfen nicht nur zuschauen und zuhören. Mitmachen ist angesagt. „Hoch, runter, vor, zurück“, ordnet Helm im Kommandoton, dem keiner widersprechen kann, gymnastische Übungen an. Sie führt diese selbst unermüdlich vor, unterstützt vom Chor. Die Geschwindigkeit nimmt rasant zu, Helm bleibt trotz des kräftezehrenden Trainings unglaublich entspannt, ungeübte Besucher kommen lachend kaum hinterher. „Alle wollen tanzen so wie ich“, singt die Lorscherin, die grüne Federboa schwenkend von der Bühne und mancher Gast ist beinahe froh, als er zum Abschluss beim langsameren „Que sera, sera„ nur noch gemütlich schunkeln muss. Ohne Zugabe und Riesen-Beifall darf Angie Helm nie von der Bühne.

Klofrauen berichten detailreich aus ihrem Arbeitsalltag

„Klatsch und Tratsch geht immer gut“, so Sitzungspräsident Tobias Graf. Da ist die Tabaknäherin genau die Richtige. Marion Walter hat mit der Belebung der Symbolfigur, die am Brunnen vor dem Alten Rathaus einen Platz inmitten des Lorscher Geschehens hat, einen Volltreffer gelandet. Diesmal plaudert sie über personelle Änderungen im Bürgermeister-Vorzimmer und überlegt, wie das wohl klappt mit der Ruhe, wenn das neue Wohngebiet im Lagerfeld direkt neben großen Metallbaubetrieben entsteht, wo rund um die Uhr Arbeiten mit Flexen und Schleifen anstehen.

Die Bürgerfunken in der Mehrzweckhalle. © Thomas Neu

Nicht zimperlich darf man sein, wenn Ute Späth und Madeleine Karth auspacken. Als Klofrauen berichteten sie detailreich von veganem Toilettenpapier und wie sie es schaffen, knausrige Kunden zum Bezahlen von mehr als einem Groschen zu bringen. Der riesige blaue Abfallsack, den sie mitschleifen, sei voller 50-Euro-Scheine, gesammelt beim Einsatz am Golfplatz. „Mit Sekt und ein paar Bierchen, läuft alles wie geschmiert“, versichern sie.

Tosender Applaus für die Tanzgruppen der Bürger-Funken

Mit einer bärenstarken Umdichtung des Klassikers „Down by the River“ von Albert Hammond überraschen die „Laureshämmer“ in Einhausen. „Do bei de Giggel“ heißt ihr Refrain des Hits – und der geht den Zuhörern sofort ins Blut. Auch auf Spider Murphys „Skandal im Sperrbezirk“ fällt den Kreativen eine lokale Version ein: „Weil jedem, dem die Halle fehlt, ganz einfach Einhausens Nummer wählt“, schmettern die „Laureshämmer“ im Takt und das Publikum singt und tanzt begeistert mit. „Wie gut, dass es Einhausen gibt“, stimmt der Saal mit ein, als das Quartett die Bagger Richtung Wingertsberg rollen lässt.

Riesig ist der Andrang bei den Tanzgruppen der Funken. Die Nachwuchsgarde, die erste und zweite Tanzgarde, das Gardeballett sowie ein mit tosendem Beifall honorierter Auftritt des Showballetts begeistern die Zuschauer mit ihren Darbietungen. Ob zu „Surfin‘ U.S.A.“, zu dem sogar Surfbretter die Bühne zieren, oder zu „Don‘t stop me now“ – das Publikum geht sofort mit und fordert jedesmal Zugaben.

Beim großen Finale ist die Bühne in Einhausen fast zu klein

Die Solistinnen, trainiert von Janina Karle, wirbeln in atemberaubendem Tempo unendlich oft mit akrobatischen Handstand- und Spagatsprüngen über die Wildwest-Bühne. Die „Schützen“ mit Chef Sebastian Ulrich an der Spitze kommen diesmal mit Dudelsack und in Schottenröcken, entledigen sich ihrer Unterkleidung, die flugs zum Elferrat fliegt, und werden mit stehendem Applaus für ihren flotten Tanz inklusive Rückwärtssalto belohnt.

Mehr zum Thema

Fastnacht

Lorscher Fastnachter begeistern auch in Einhausen

Veröffentlicht
Von
Nina Schmelzing
Mehr erfahren
Dorfgemeinschaftshaus

Faschingsfieber: Gronau feiert mit Queen und Trommlern

Veröffentlicht
Von
Christa Flasche
Mehr erfahren
Jubiläum

Lorscherin Hannelore Glab feierte ihren 80. Geburtstag

Veröffentlicht
Von
Anneliese Parzinger
Mehr erfahren

Die „Iwwerischgebliwene“ beweisen, dass Fastnachtsleidenschaft niemals vergeht. Sie haben bei ihrer Kreuzfahrt auf der MS Weschnitz natürlich auch schon auf dem Weg zur Bar einen „kleinen Flachmann“ dabei – in mindestens 10-Liter-Größe.

Fast zu klein ist die Bühne, als sich zum großen Finale unter vielfachem „Laurissa Helau“ alle Aktiven und auch der Spielmannszug für ihre Beiträge zurecht ausgiebig feiern lassen. Mit „Major Tom“ endet das offizielle Programm, die Hände gehen zum Himmel, die Leuchtwirbel werden in die Höhe gereckt. Anschließend kann getanzt werden.

Rückkehr nach Lorsch zur Stadt mit der Schlucht in der Stadtmitte

Bis die Lorscher heimkehren in ihre Stadt mit der Schlucht ist es weit nach Mitternacht. Und wo findet sich diese nun? Nicht in der Natur, sondern direkt im Zentrum. Das neue Ärztehaus, das wuchtig in die Höhe wächst, macht die schmale Schulstraße tatsächlich plötzlich zu einer engen Schlucht. Das hat die „Tabaknäherin“ treffend formuliert.

Redaktion

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger

VG WORT Zählmarke