„Ich habe den Ali schon lange nicht mehr gesehen“, stellten einige Lorscher in den vergangenen Wochen verwundert fest und sahen sich hierin nicht getäuscht. Es ist nämlich schon ein Weilchen her, dass Jürgen „Ali“ Albert letztmalig Lorscher Boden unter seinen Füßen betrat. Seit 10. März dieses Jahres ist er mit dem Fahrrad auf einer Weltreise nach Asien unterwegs.
Mehr als 12.000 Kilometer hat er bislang schon zurückgelegt und hat dabei nur Gaskocher, Zelt und 15 Kilo Gepäck dabei. „Auf der Straße nach Süden“ - der alte Hit aus den 1970er Jahren war für Albert nun Programm und er radelte über den Schwarzwald und die Schweiz nach Italien.
Unterwegs traf er immer wieder Freunde, die er schon seit langem kennt, fuhr eine Teilstrecke mit ihnen zusammen oder übernachtete bei ihnen: Martina aus der Schweiz, Massimo in Turin, den Franzosen Thomas oder Juliette, mit der er gemeinsam die Radrouten Griechenlands auf- und abfuhr. Von Bari in Italien setzte er mit der Fähre ins griechische Patras über.
Von der Türkei aus wollte er weiter in den Iran fahren, doch der befand sich gerade in kriegerischen Konflikten mit Israel. „Ich musste einfach flexibel sein“, sagte sich Jürgen Albert. Und als er nun nach Georgien radelte und von Tiflis aus nach Usbekistan flog, war es nicht das erste Mal, dass er seinen ursprünglichen Plan verwerfen musste.
Doch wie konnte er sein Fahrrad denn überhaupt mit dem Flieger transportieren? „Ich habe es einfach zerlegt und am Ankunftsflughafen wieder zusammengebaut. Das ist umso leichter, weil das Fahrrad ja eine Sonderanfertigung von mir ist“, sagt Jürgen Albert stolz auf seinen „Eigenbau.“
Von Usbekistan ging es weiter nach Tadschikistan mit seinem weltberühmten Pamir-Gebirge. Die Pamir-Straße dort zurückzulegen, ist eine wahre Herausforderung. Und Jürgen Albert konnte die Anspannung hierüber nicht verleugnen. Gut für ihn, dass er im Green House Hostel, dem Basislager aller, die es vorhaben, die Pamir-Hochstraße zurückzulegen, den Schweizer Rolf Rolli kennenlernte. „Wir waren uns sofort sympathisch und hatten auch einen ähnlichen Speed“, war Albert froh, mit ihm weiter davonrollen zu können.
So fuhr die neue deutsch-schweizerische Rad-Hoffnung ganze vier Wochen lang von Duschanbe bis nach Kirgistan und weiter nach China, wo sich die Wege wieder trennten. Während Rolli in die Mongolei fuhr, ging es für Albert weiter Richtung Pakistan zum Karakorum Highway und Nanga Parbat. Auf dem mit 8125 Metern neunthöchsten Berg der Erde kam Reinhold Messners Bruder Günther 1970, Jürgen Alberts Geburtsjahr, auf tragische Weise ums Leben.
Kommt Jürgen Albert auf Pakistan zu sprechen, gerät er regelrecht ins Schwärmen. „Von der Gastfreundschaft her war dies nicht zu überbieten. Und ich fühlte mich auch nirgendwo sicherer als dort. Ob alleine im Zelt oder im Guesthouse. Pakistan ist einfach einzigartig.“
Konflikten ausweichen
Nun hätte es nach Indien weitergehen sollen, doch der Landweg zwischen Lahore und Amritsrar ist wegen des Kaschmir-Konflikts schon seit langem gesperrt. Aber zu improvisieren, hat Jürgen Albert ja gelernt, so dass er nun von Islamabad nach Neu Delhi flog. Kathmandu, die Hauptstadt Nepals, war nun gar nicht mehr so weit. Und auch dieser Besuch stand im Zeichen der Gastfreundschaft. „Endlich konnte ich meinen alten Freund Thakur wieder sehen“, war Jürgen Albert auch deswegen die Vorfreude ins Gesicht geschrieben, weil sich beide schon seit 20 Jahren kennen.
Thakur hat einst als Träger für Touristengepäck angefangen und sich hochgearbeitet, besitzt nun eine eigene Trekking-Agentur und auch ein Hotel. Für die Sorgen und Nöte seiner Landsleute hat er weiterhin ein offenes Auge. „Auch dieses Mal habe ich ihn nicht enttäuscht und ihm Spenden in Höhe von 3.000 Euro überbracht. Dringend benötigtest Geld für die Renovierung von Schulräumen und den Bau einer Krankenstation in Gorkha Valley“, zeigte sich Jürgen Albert gewohnt hilfsbereit.
Das Geld zu akquirieren, war für ihn keine Kleinigkeit, doch letztlich half ihm auch sein großer Freundeskreis. Klare Sache für ihn, diesen anhand von Reiseberichten immer wieder auf dem Laufenden zu halten und darüber zu informieren, was er gerade wieder auf seiner atemberaubenden Tour erlebt.
Unter dem Motto „Albertsche on Tour“ schneidet er mit Musik versehene packende Videos und liefert seinen Bekannten erlebnisreiche Bilder. Rund 130 Adressaten warten bereits mit Vorfreude auf die nächste Staffel seiner erfolgreichen Serie.
Jürgen Alberts nächste Etappe war naheliegend: Über Myanmar sollte es nun nach Thailand gehen, was aber wegen des Bürgerkriegs in Myanmar nicht möglich war. Nun war Alberts Ideenreichtum ein weiteres Mal gefordert. „Ich habe mich einfach in den Flieger nach Ho Chi Minh gesetzt“, handelte der Lorscher erneut schnell und unkompliziert. Bald werden Nord- und Zentralvietnam durchradelt, soll es über Laos nach Thailand gehen.
Bei einem seiner nächsten Treffen wird sein Lorscher Herz höherschlagen, ist er sicher: „Uwe Burkhardt lebt seit geraumer Zeit in Thailand“, sagt Albert. „Der hat mir gerade noch gefehlt“, witzelt er in der Vorfreude auf die Begegnung mit seinem alten Kameraden aus der Karolingerstadt.
Und last but not least wird sich im Dezember auch sein alter Lorscher Spezi Jürgen Meyer aufmachen, um Albert in Thailand endlich wieder zu sehen. „Ob der mich bislang vermisst hat? „, rechnet Jürgen Albert auch in diesem Fall mit einer innigen Umarmung, die herzlicher kaum sein dürfte. Und von der Jürgen Albert noch zehren wird, bis es im kommenden Frühjahr wieder nach Hause geht.
Jürgen Albert ist kein Anfänger. Außergewöhnliche Radreisen unternimmt er schon lange. Der Lorscher hat auf seinen Touren bereits jede Menge Erfahrung gesammelt.
Mit Touristen, die auf Komfort nicht verzichten wollen, hat er allerdings wenig gemein. Der ausgebildete Prüfstandsmechaniker ist auf seinen Touren üblicherweise mit wenig mehr als mit Schlafsack, Werkzeug und ein paar Ersatzteilen unterwegs.
Vor genau zehn Jahren bereits bereiste Albert – gemeinsam mit dem Einhäuser Jürgen Meyer – mit dem Mountainbike Nepal. Die beiden sportlichen Bergsträßer unternahmen damals eine Trekkingtour im Himalaya-Gebirge rund um den 8.000 Meter hohen Annapurna. Auf die Unterstützung von Trägern oder Guides verzichteten sie. Sie wollten unabhängig bleiben, nahmen dafür alle Strapazen und Unannehmlichkeiten in Kauf.
2017 durchfuhr Jürgen Albert alleine mehrere Monate Kambodscha und Vietnam auf dem Rad. Von Südostasien hat der Lorscher auf diese Weise bereits viel gesehen. Die besonderen Reisen haben seinen Blick geweitet. Vieles von dem, was man im Alltag daheim für ungemein wichtig hält, ist es nicht wirklich, stellen nicht wenige Fernreisende fest.
Die besondere Kondition für solche langen Touren auf eigene Faust hat sich Jürgen Albert aber nicht zuletzt im Alltag antrainiert. Auch zu seiner Arbeitsstelle in Mannheim hat der Lorscher schließlich seit Jahren täglich selbstverständlich das Fahrrad genutzt, für den Hin- und den Rückweg. sch
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