Sapperlot

Beim Auftritt von Rolf Miller in Lorsch darf man nicht alles glauben, was man denkt

Von 
Jörg Keller
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Obacht: Rolf Miller erklärte dem begeisterten Publikum im Lorscher Sapperlot seine Sicht auf die Welt im Großen und Kleinen. © Zelinger

Lorsch. „Wenn ich im Januar morgens keinen Schnee schippen muss: Ich kann’s ertragen.“ Rolf Miller kann in seiner Bühnenrolle dem Klimawandel durchaus positive Seiten abgewinnen. „Stimmt eigentlich“, schießt es einem erst mal durch den Kopf, bevor der spontane Gedanke angesichts der Folgen der voranschreitenden Erderwärmung schnell wieder verworfen wird. „Man darf halt eben nicht alles glauben, was man denkt“, lautet denn auch Millers Mantra.

Mal mehr, mal weniger ist wohl jeder für einfache Stammtisch-Weisheiten anfällig – und sei’s nur, weil es einen bei der Erinnerung an unangenehme Winterarbeiten fröstelt. Von oberflächlich betrachtet simplen Weltsichten hatte der in Walldürn im Odenwald geboren und aufgewachsene Kabarettist wieder jede Menge im Gepäck, als er am Sonntagabend mit seinem vierten Soloprogramm „Obacht Miller“ in Lorsch gastierte.

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Bis auf den letzten Platz besetzt war das Theater Sapperlot. Dass es sich endlich wieder einmal nicht um eine wegen Corona auf dieses Frühjahr verschobene Veranstaltung handelte, empfand Gastgeber Hans-Peter Frohnmaier bei seiner Begrüßung als „wunderbar“. Zum letzten Mal stand Rolf Miller vor drei Jahren in Lorsch auf der Bühne. Da war von Pandemie noch keine Rede. Jetzt läutete sein Auftritt für das Sapperlot – hoffentlich – eine Phase ein, in der Gastspiele wieder mehr und mehr in geregelten Bahnen verlaufen.

„Der Rubel rollt wieder“

„Es geht wieder was. Der Rubel rollt wieder“, zeigte Miller schelmisch grinsend gleich zur Begrüßung auf, wohin die Reise das von Beginn an begeisterte Publikum führen wird. In seiner Figur des in Halbsätzen und gänzlich verdrehten Redewendungen über die Welt im Großen und Kleinen philosophierenden Provinz-Reaktionärs wird das Unsagbare sagbar.

Wokeness ist was für Studierte und Liegeradfahrer. Bei Miller trägt der letztlich Anwalt gewordene nervige Cousin mit dem Tick (ein Augenzucken mit folgenden Halsdreher) seit Kindheitstagen den Spitznamen „Mongo“. „War ja nur Spaß. Wir wussten’s ja damals nicht besser, was das ist“, entschuldigt Miller den eigentlich unentschuldbaren Ausdruck, um ihn dann im Laufe des Abends mal um mal zu wiederholen. Und die zu Jugendzeiten dicke Cousine heißt seit jeher „Brummer“. Ein klarer Fall von „Me Too“. „Aber der Mensch ist halt frauenfeindlich“. Da kann auch Rolf Miller nichts ändern. Weder in ganzen noch in abgehackten Sätzen. „Was für ein sinnfreies Gestammel, krank, genial“, hatte mal ein Fan einen Auftritt kommentiert. „Einwan’frei“, würde der Kabarettist dieser Einschätzung sicherlich zustimmen.

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Die Suche nach einem tieferen Sinn gestaltet sich gewollt schwierig: Wie mit seinem geliebten Turbodiesel, den er schon im Kindergarten haben wollte, auf der Autobahn oder zur Not auch auf zwei Reifen auf dem Radweg rast Miller breitbeinig von einer schiefen Pointe zur nächsten und bugsiert das dabei kaum aus dem Lachen herauskommende Publikum ein aufs andere Mal aufs Glatteis. Tempolimit 130? „Und außerorts?“, fragt sich da sein Kumpel Achim. Cem Özdemir? Ist dreifach bestraft als Schwabe, Grüner und Türke. Jogi Löw? War bei der letzten EM schon mit einem Fuß im Finale. „Dann verlieren wir drei Spiele. Das war Pech.“

Mehr abgewinnen kann Rolf Miller da aktuell der französischen Bulldogge Butzi. „Das is ’n lieber.“ Die von dem Hund erlegten 15 Katzen mussten allesamt nicht leiden. „Erstkontakt“ im Nacken. Schon war’s vorbei. Davor hat Miller Respekt.

Weniger hingegen vor der großen Politik, die der Kabarettist in seinem Programm allerdings nur selten direkt anspricht. Die Tagesschau schalte er ohnehin nicht mehr an. Jeden Abend immer nur die gleichen drei Nachrichten: „Der Putin, der RKI mit seinen Statistiken und Lauterbach.“ Für Rolf Miller alles nicht so wichtig: „Ein Atomkrieg wäre das Ende der Menschheit, hätte aber auch Nachteile“, philosophiert er. Aber letztlich werde sich der Globus auch weiterdrehen, wenn der Mensch ausgestorben ist. „Und dann stehen wir da mit unserem Liegefahrrad.“

Redaktion Redakteur, Ressorts Lorsch, Einhausen und Region

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