Lorsch. Vor wenigen Tagen wurde der international renommierten Schweizer Clownin, Schauspielerin und Autorin Gardi Hutter der „Große Valentin-Karlstadt-Preis“ zuerkannt. Seit 40 Jahren tourt sie rund um die Welt und begeistert das Publikum in Theaterstücken, Musicals und Zirkusnummern. Abseits der gängigen Genre-Modelle hat sie ihre eigenen Hauptfiguren erfunden, die in philosophischer Manier an der Welt scheitern und auf der Suche nach dem kleinen Glück immer wieder mit einem Lächeln auferstehen.
Seit 1981 tourt die Frau aus St. Gallen (Jahrgang 1953) mit ihrem clownesken Theater durch die halbe Welt. Hanna, die Protagonistin ihrer Auftritte, kämpft tapfer gegen die Tücken und Fallgruben einer absurden Welt. In ihren Bühnenprogrammen erhebt sie aber nicht nur die Tragikomik des Verlierens zu einer eigenen Kunstform – immer wieder karikiert Hutter weibliche Schönheitsideale und übliche Verhaltensnormen, indem sie mit Klischees spielt und den menschlichen Irrwegen versöhnend, aber auch leise mahnend die Hand reicht. Weil sie dabei weitgehend ohne lexikalische Sprache auskommt, ist ihre Kunstform international berühmt und in mehr als 35 Ländern geschätzt.
Gastspiel im Sapperlot: Virtuos und zauberhaft
Auch bei ihrem sehr gut besuchten Gastspiel im Theater Sapperlot in Lorsch kam Gardi Hutter mit einer Handvoll Vokabeln aus. Darunter „Feigling“, „Guten Abend“ oder „sauber“. Schließlich ist sie vor allem als verwegene Waschfrau bekannt, die mit der Tücke des Objekts kämpft und dabei poetische Szenen mit artistischen Kunststückchen vereint.
Fantasie und Wirklichkeit kollidieren in einer Zwischenwelt, in der die Endlichkeit des Seins auf die Unendlichkeit des spielenden Menschen trifft. Das Publikum erlebte 70 Minuten Bühnenkunst ohne Pause auf höchstem Niveau. Virtuos und zauberhaft setzte sich Hutter – wie gewohnt mit Clownsnase, Flickenkleid und haarsträubendem Kopfschmuck– mit existenziellen Fragen auseinander und trotzte selbst dem radikalsten Unglück noch ein Lächeln ab. In der für sie typischen Art brabbelt und mosert sie ständig vor sich hin. Man hört nur Laute und versteht doch alles. Das Zusammenspiel von Mimik und Gestik, von Körperlichkeit und Ausdruck ist meisterhaft, ohne in kühlem Perfektionismus steif zu verblassen.
Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"
In „Jeanne d’ArPpo – Die tapfere Hanna“ wird die zerzauste Waschfrau trotz vieler Widrigkeiten nie zum Opfer. Mit Holzschwert und Heldenmut stellt sie sich frechen Wäscheklammern, bedrohlichen Kleiderbergen und einer abgründigen Truhe, während sie sich zwischendurch immer wieder durch die ruhmreichen Aktionen von Jeanne d’Arc liest und neue Energie aufsaugt, um im Duell mit der Dreckwäsche nicht abzustinken.
Die Waschküche wird zum Schlachtfeld, der Zuber zum blechernen Verbündeten. Die Tollpatschigkeit der Figur ist Körperkunst vom Feinsten, Hutters Spiel erscheint leicht und kindlich unbelastet inmitten einer präzise getakteten Dramaturgie. Die Wäsche wird zum Königsthron: Die Bühnenfigur verfremdet alle ihr zur Verfügung stehenden Objekte.
So wird aus einem Wäschetrog ein Schiff, aus Waschkübeln die Kampfrüstung und eine riesige karierte Pyjamahose zum erklärten Feind. Am Ende geht der Kahn unter und das Schwert wird zum Grabeskreuz. Der Seiltänzertraum auf der Wäscheleine ist zu Ende, die Magie des Augenblicks und die unsterbliche Zuversicht der Heldin bleiben.
Lange Applaus im Sapperlot, wo das Publikum am Freitagabend einer veritablen Perle der Branche maximale Aufmerksamkeit gewidmet hat. Gut so!
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/lorsch_artikel,-lorsch-gardi-hutter-bezaubert-in-lorsch-mit-der-tragikomik-des-scheiterns-_arid,1936611.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/lorsch.html