Lindenfels. Auf den Tag genau zehn Jahre ist es her, dass Bürgermeister Michael Helbig erstmals offiziell auf dem Chefsessel im Lindenfelser Rathaus Platz genommen hat. Seit zehn Jahren leitet er die Geschicke der Burgstadt – zehn Jahre, in denen es so manche Hürde, so manche Krise zu bewältigen galt. Zehn Jahre, in denen aber auch viele Projekte umgesetzt werden konnten.
Michael Helbig wurde am 3. März 2013 zum Nachfolger des wegen Krankheit aus dem Amt geschiedenen Oliver Hoeppner (LWG/CDU) gewählt. Mit 62,1 Prozent der Stimmen setzte er sich damals als unabhängig angetretener Kandidat deutlich gegen seine Mitbewerberin Alexandra Kleiné (LWG/CDU, 37,9 Prozent) durch. Mit dem Ergebnis erlebte Lindenfels auch den ersten Politikwechsel seit 50 Jahren, denn die Wahl des bekennenden Sozialdemokraten durchbrach eine jahrzehntelange Dominanz der LWG/CDU im Rathaus.
Sechs Jahre später – am 11. April 2019 – trat Helbig seine zweite Amtszeit an, nachdem sich die Bürger bei der Wahl am 28. Oktober 2018, bei der er als alleiniger Kandidat angetreten war, mit 85,3 Prozent der Stimmen erneut klar für ihn aussprachen.
Turbulente Dienstjahre
Zu dieser Zeit ahnte er noch nicht, wie turbulent seine Dienstjahre in Lindenfels werden würden. „Dass ich Krisenmanagement in diesem Ausmaß betreiben muss, hätte ich nicht gedacht“, blickt Helbig auf die vergangenen zehn Jahre zurück.
„Wir hatten die Finanzkrise in Griechenland und die Eurokrise, dann die erste Flüchtlingskrise“, beginnt er aufzuzählen. Außerdem die städtische Finanzkrise, die in der Teilnahme am hessischen Schutzschirmprogramm 2013 bis 2018 mündete.
Es folgten die Montagsdemonstrationen vor dem ehemaligen Luisenkrankenhaus, bei der sich eine Bürgerinitiative für den Erhalt der medizinischen Basisversorgung und gegen die Schließung der Einrichtung aussprach. „Ich war davon überzeugt, dass das Krankenhaus bleibt, weil es ein Notfallstandort war“, betont Helbig im BA-Gespräch. Doch alles Hoffen nutzte nichts. Im Juli 2016 wurde die „Luise“ geschlossen.
Danach sah sich der Rathauschef mit der Klimakrise konfrontiert – der Forst hat unter anhaltender Trockenheit, Hitze und Borkenkäferbefall zu leiden. „Dann hatten wir die Corona-Pandemie und jetzt den Ukraine-Krieg – und damit die zweite Flüchtlingskrise – und die Inflation.“
Die Familie gibt ihm Kraft
Doch vor den Herausforderungen kapitulieren war für Michael Helbig keine Option. „Ich gebe halt nicht auf. Aber es gibt Momente, in denen ich sage: Es ist schwierig“, erzählt er. Doch angesichts einiger noch unerledigter Projekte wollte er vor vier Jahren trotzdem eine zweite Amtszeit wagen. „Ich hätte manchen Menschen ansonsten nicht mehr guten Gewissens ins Gesicht gucken können.“
Kraft gibt ihm in schwierigen Zeiten vor allem seine Familie und „meine Frau, die mir immer den Rücken frei hält und jeden Unsinn mimacht“. Auch das gute Verwaltungsteam lässt Helbig zuversichtlich in die Zukunft schauen. „An manchen Ecken bräuchte es noch mehr Personal, aber die Motivation der Kolleginnen und Kollegen hat mir gezeigt, dass ich nicht so verpienst sein darf.“ Und dann ist da noch der Faible des Bürgermeisters für die Historie und das, was Lindenfels für ihn so besonders macht: „Überall ist hier das Mittelalter sichtbar. Es gibt keine zukunft ohne Herkunft. Hier spürt man, wo wir herkommen.“
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Außerdem gebe es viele Leute, die sich für die Stadt einsetzen und „was machen, ohne vorher zu fragen“. 2016 wurde beispielsweise der Musikpavillon im Kurgarten renoviert. „Da haben 80-Jährige auf dem Dach gestanden und angepackt. Da können wir nicht die Hände in den Schoß legen“, betont er. Dieses Einstehen für das Gemeinwesen habe ihn im positiven Sinne überrascht.
Betroffene zu Beteiligten machen
Gab es auch etwas, das ihn in all den Jahren negativ überrascht hat? „Dass manche Leute absolut unzufrieden sind und dann nur ihre eigene Meinung gilt. Die Vehemenz, mit der das Eigeninteresse über das Gemeinwesen gestellt wird“, beklagt er. Stattdessen sei seiner Meinung nach eine gewisse Demut angebracht.
Sein Wunsch deshalb: „Dass man sieht, was man hat. Man kann hier den Wasserhahn aufdrehen und hat sauberes Wasser. Es stapelt sich kein Müll in den Straßen und es gibt auch keine Seuchen wie im Mittelalter. Man hat ein Dach über dem Kopf und jeder kann eigentlich genug zu essen und zu trinken haben. Das ist mehr, als die Menschen in Indien oder in China, Richtung Mongolei haben, wo es keine Straßen und keine Infrastruktur gibt.“
Seine Devise sei es immer gewesen, aus Betroffenen Beteiligte zu machen und mit größtmöglicher Transparenz zu erläutern, warum gewisse Dinge getan werden. Er habe stets das aufgreifen wollen, was die Bürger bewegt. Und genau das ist auch der Grund, warum Michael Helbig so viel Freude daran hat, Bürgermeister in Lindenfels zu sein: „Weil man die Möglichkeit hat, dem einen oder anderen helfen zu können“, verdeutlicht er. Zudem bereite ihm die Abwechslung und Vielseitigkeit viel Freude. „Es kommen immer wieder neue Sachverhalte. Außerdem hat man ein großes Spektrum an Aufgabenstellungen.“
In Gremien wird kollegial diskutiert
Revue passieren lässt Michael Helbig im BA-Gespräch auch die Arbeit mit den verschiedenen Gremien. „Es gibt viele neue Leute im Moment, die was für den Ort machen wollen. Im Magistrat, der Stadtverordnetenversammlung und den anderen Gremien wird kollegial diskutiert“, lobt er. Das Führungsteam sei jung, harmonisch und den Gremien zugewandt. „Da, wo wir stehen, stehen wir gar nicht so schlecht“, resümiert der Rathauschef.
Hervorzuheben sei ebenfalls, dass es in den Gremien keine Heimlichkeiten mehr gebe. „Alle haben dieselben Informationen wie ich“, versichert Helbig. „Es ist wichtig, dass sie sich wertgeschätzt fühlen und dass man sie mitnimmt und ihre Anliegen ernst nimmt.“ Im Großen und Ganzen sei nicht viel schief gegangen. Dennoch: „Manche Dinge waren einfach Schnellschüsse, die man mehr hätte prüfen und länger und transparenter in den Gremien hätte erörtern können“, gibt Helbig zu.
Erneute Kandidatur?
Seine Funktion als Bürgermeister wollte er vor allem nutzen, um eins zu erreichen: „Ich habe versucht, im Rahmen meiner Möglichkeiten Dinge auf den Weg zu bringen.“ Und zweifelsohne sind in den zehn Jahren, in denen Michael Helbig an der Spitze von Lindenfels stand, zahlreiche Projekte umgesetzt worden. Davon zeugt eine vierseitige Liste in DIN-A4-Format und sehr kleiner Schrift, die einen guten Überblick über das bereits Erreichte gibt. Da wären der Aufbau des Informationszentrums an der Burg und der Burgschänke, die Sanierung des Fürther Tors, die Digitalisierung der Verwaltung, die Konsolidierung des Haushalts, die Neustruktur der Wasserversorgung sowie die Abschaffung der Straßenbeiträge.
Zu den Erfolgen gehören auch die fast vollständig abgeschlossene Sanierung des Bürgerhauses, der Neubau des Feuerwehrgerätehauses in der Freiensehnerstraße, die Beschaffung von neuen Feuerwehrfahrzeugen und der neuen Drehleiter, die Etablierung eines Naturwalds zwischen Schlierbach und Seidenbuch, in dem kein Holz mehr für den Verkauf geschlagen werden darf, Straßensanierungen und vieles mehr.
Viele weitere Projekte stehen allerdings noch auf seiner „To-do“-Liste. Etwa die Sanierung der Zehntscheune, der Neubau des Feuerwehrgerätehauses in Winterkasten, des gemeinsamen Gerätehauses der Feuerwehren Kolmbach und Gadernheim, das Nibelungenmuseum, der Bestattungswald in Winterkasten, die Breitbandversorgung oder die weitere Unterbringung von Flüchtlingen.
Es gibt also noch viel zu tun in den verbleibenden zwei Amtsjahren, die noch vor Helbig liegen – oder strebt er womöglich eine dritte Amtszeit an? „Ob ich noch einmal kandidiere, habe ich noch nicht abschließend entschieden“, betont er. „Ich werde zusammen mit meiner Familie überlegen, wie es weitergeht. 2025 werde ich 63. Die Frage ist: Wie ist dann mein Wohlbefinden? Wie hoch ist der Blutdruck? Als Bürgermeister braucht man ein dickes Fell und dieses Fell wird manchmal porös.“
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