Vortrag

Ist Geothermie auch in Lindenfels möglich?

Neben Sonne, Wind und Wasserkraft rückt auch Erdwärme immer mehr in den Fokus, wenn es um Energiegewinnung geht. Ob das Verfahren auch für die Region rund um Lindenfels infrage kommt, erläuterte Geothermie-Professor Ingo Sass.

Von 
Nora Strupp
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Im Rahmen des Projekts „GeoLab“ soll ein unterirdisches Labor auf der Tromm eingerichtet werden, um Geothermie in kristallinem Gestein näher zu erforschen. © KIT
Deutschland soll bis 2045 klimaneutral werden. Fossile Brennstoffe wie Öl, Kohle und Gas sollen dann keine Rolle mehr spielen und Energie in 21 Jahren unter anderem aus Sonne, Wind, Wasserkraft und Biomasse gewonnen werden. Mittlerweile rückt aber auch die Geothermie immer mehr in den Fokus, wenn es um die Energiewende geht.

Lindenfels. Wie genau Geothermie funktioniert und ob dieses Prinzip auch in Lindenfels Anwendung finden könnte, erläuterte Ingo Sass am Montag bei einer gemeinsamen Sitzung des Bauausschusses und des Ausschusses für Fragen des Gemeinwesens. Ingo Sass leitet den Fachbereich „Angewandte Geothermie“ an der TU Darmstadt und ist Leiter der Sektion „Geoenergie“ am Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam. Bei der Geothermie wird die Erdwärme gewonnen, um damit zu heizen, zu kühlen und Strom zu erzeugen.

Doch woher kommt die Erdwärme überhaupt? „Der Hauptteil – bis zu 70 Prozent – entsteht durch den Zerfall natürlicher, radioaktiver Isotope wie Uran, Thorium oder Kalium in den Gesteinen“, erläuterte Sass. Der Zerfall ist ein andauernder Prozess und sorgt somit für einen stetigen Wärmenachschub. Um die Geothermie als Wärmequelle zu erschließen, gibt es verschiedene Systeme, bei denen man zwischen oberflächennaher Geothermie und Tiefengeothermie unterscheidet.

Bei der oberflächennahen Geothermie wird die in Erdschichten von bis zu 400 Metern Tiefe vorhandene Wärme genutzt. Der Transport der Erdwärme erfolgt beispielsweise über Erdwärmesonden, Erdwärmekollektoren oder Wärmebrunnenanlagen, die wiederum durch Rohrleitungssysteme und Flüssigkeitszirkulation funktionieren.

Zur Installation einer Erdwärmesonde wird eine vertikal verlaufende Erdbohrung vorgenommen, die bis zu 100 Meter tief ist. In dieses Loch wird dann die Sonde – ein U-förmiges Polyethylen-Kunststoffrohr – in das Erdreich hinabgelassen. Durch die Sonde wird anschließend eine Wärmeträgerflüssigkeit (zum Beispiel Wasser) gepumpt. Dabei nimmt die zirkulierende Flüssigkeit die Wärme aus dem Untergrund auf. Im Haus wird der Trägerflüssigkeit die gespeicherte Wärme mittels eines Wärmetauschers wieder entzogen. Die gewonnene Wärme wird über eine Wärmepumpe in das Heizungssystem übertragen und zum Heizen genutzt, während die abgekühlte Wärmeträgerflüssigkeit wieder in die Erdwärmesonde gepumpt wird.

Ab einer Tiefe von 400 Metern spricht man von tiefer Geothermie

Erdwärmekollektoren hingegen sind Erdwärmeübertrager, die aus horizontal in etwa 1,5 Metern Tiefe im Erdreich verlegten Kunststoffrohren bestehen, die ebenfalls an eine Wärmepumpe angeschlossen sind.

Ab einer Tiefe von 400 Metern spricht man von tiefer Geothermie. Tiefbohrungen ermöglichen die thermische Nutzung von heißem Grundwasser oder Dampf, weshalb man sie in dieser Form als hydrothermale Systeme bezeichnet. Bei der hydrothermalen Geothermie wird auf die Wärme unterirdischer Thermalwässer in Tiefen von 400 bis 5000 Metern Tiefe zugegriffen. Die Temperaturen liegen dort zwischen 35 und 180 Grad Celsius. Sie eignen sich für die kommunale Wärmeversorgung, Fernwärme, Wohnungswirtschaft und die Bereitstellung industrieller Prozesstemperaturen.

„Das Marktpotenzial der Tiefengeothermie in Deutschland eröffnet Ausbauziele von über 300 Terawattstunden pro Jahr. Damit könnte man circa 25 Prozent des Gesamtwärmebedarfs decken“, informierte Ingo Sass.

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Vor allem der Oberrheingraben zählt durch seine geologischen Formationen des Buntsandsteins und des Oberen Muschelkalks zu den Regionen mit einem großen geothermischen Potenzial. In Lindenfels und Umgebung gibt es Vorkommen von sogenanntem Granodiorit und Gabbro-Gestein. Somit bestünde laut Sass die Chance, dass sich auch das Burgstädtchen für Geothermie eignen würde. Um konkrete Ergebnisse zu erhalten, müssten jedoch erst einige Probebohrungen erfolgen. „Wir könnten uns mal die historischen Daten vornehmen und damit einen Ansatz für eine Exploration haben“, unterbreitete Sass das Angebot der TU Darmstadt. Als Exploration bezeichnet man die Erkundung und Erforschung des Untergrunds und des Rohstoff-Vorkommens in der Erdkruste.

Auch die Tromm wird gerade als möglicher Standort zur Erforschung des kristallinen Gesteins ins Auge gefasst, um Erkenntnisse über die Nutzung von Erdwärme als Energieträger zu gewinnen. Dafür soll ein Untertage-Labor direkt im Gestein errichtet werden. Die endgültige Entscheidung über das Projekt „GeoLab“ („Geothermie-Labor im Bergwerk“) steht aber noch aus. Aktuell läuft der Genehmigungsprozess, um geologische Untersuchungen zur Eignung des Gebiets zu machen.

Sorge vor Gebäudeschäden durch Erderschütterungen

Das „GeoLaB“ ist ein Projekt des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), des Deutschen Geoforschungszentrums (GFZ) und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) ist ebenfalls Partner.

Die Tromm wäre später aber nicht der Ort, an dem die Energiegewinnung tatsächlich stattfinden würde. Avisiert haben die Experten dafür den Oberrheingraben. Dort wäre die zuvor notwendige Grundlagenforschung aber deutlich aufwendiger als beispielsweise auf der Tromm.

Allerdings wurden bereits erste Bedenken gegenüber dem Vorhaben geäußert. Diese beziehen sich beispielsweise auf eventuelle Gebäudeschäden durch Erderschütterungen im Zuge der bergmännischen Arbeiten sowie auf mögliche Belastungen von Mensch und Natur durch Lkw-Verkehr, Abraum und notwendige oberirdische Bauwerke.

Die Erde in Staufen hebt sich

Wie wichtig gründliche Voruntersuchungen vor der Errichtung von Geothermie-Anlagen sind, zeigen die missglückten Erdwärme-Bohrungen in Staufen (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) im Jahr 2007. Dort sollte das Rathaus mit Erdwärme versorgt werden. Hierfür hatte die Stadt sieben bis zu 140 Meter tiefe Erdwärmesonden bohren lassen.

Die Bohrungen endeten allerdings in einer Katastrophe: Durch undichte Erdwärmesonden vermischte sich Wasser mit der Mineralschicht aus Anhydrit (Calciumsulfat). Dadurch entstand das deutlich voluminösere Gipsgestein, das sich immer weiter ausdehnte und die Stadt anhob. In den Gebäuden der historischen Altstadt rissen Wände, Böden brachen auf. Um diesen Prozess zu verlangsamen, wird seit November 2009 Grundwasser abgepumpt.

Bis zum Beginn der Sanierungsmaßnahmen und dem Abdichten der Bohrungen hob sich der Untergrund im Bereich der Rathausgasse bis zu elf Millimeter je Monat, schreibt die Stadt Staufen auf ihrer Internetseite. Doch auch nach 17 Jahren kämpft die Kommune noch mit den Folgen.

Wann genau die Hebung aufhören wird, ist nicht abzusehen. „Wir gehen davon aus, dass derzeit kein Wasser mehr in die quellende Schicht eindringen kann. Jedoch kann derzeit niemand genau sagen, wie lange das bereits eingedrungene Wasser noch den Anhydrit zu Gips quellen lässt. Klar ist nur, dass die Hebegeschwindigkeit kontinuierlich zurückgeht“, so die Stadt Staufen.

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Dass sich ein solches Fiasko aber – womöglich in Hessen – nochmal wiederholt, schloss Geothermie-Professor Ingo Sass in seinem Vortrag im Lindenfelser Bürgerhaus am Montag aus. Dennoch fragte sich Ausschussmitglied Thomas Bauer (SPD), wie man den Leuten die Angst vor solchen Ereignissen nimmt. Der Schlüssel hierfür liegt laut Sass in  der Kommunikation. „Wir müssen Studien publizieren, Beispiele kommunizieren, freien Zugang zu Informationen herstellen und Qualität auf allen Ebenen beachten“, betonte Sass. Und zumindest als ersten Impuls nahmen die Ausschussmitglieder und die anwesenden Gäste die Ausführungen an diesem Abend gerne mit.

Quelle: Roadmap Tiefe Geothermie für Deutschland. Handlungsempfehlungen für Politik, Wirtschaft und Wissenschaft für eine erfolgreiche Wärmewende. Strategiepapier von sechs Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft und der Helmholtz-Gesellschaft.

Redaktion

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