Heimatgeschichte

Die Ritter auf Burg Lindenfels hatten eine lange Lehrzeit

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Gisela Grünwald
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Ein Geschwisterpaar am Pranger: bei der Führung mit Brigitte Dieffenbach (links) hatten die Kinder viel Spaß. © gg

Lindenfels. Mit der Fremdenführerin Brigitte Dieffenbach als Kammerzofe Xelophenia zurück ins Mittelalter. Das wagten eine Familie aus Groß-Umstadt mit drei Kindern sowie Großeltern mit Tochter und Enkelin aus Fürth. Dieffenbach überraschte die Teilnehmer gleich mit der Bitte: „Wer bei mir mitmacht, muss sich mittelalterlich anziehen.“ Unter Gelächter zogen alle weiße Leinenhemden und Pluderhosen an.

Linnea zeigte die Lederschuhe, die das einfache Volk im Mittelalter trug. Ein Stück Leder in der Mitte, ein Lederband zum Binden. „War das im Winter nicht eiskalt?, wollte Bo wissen. „Im Winter wurde den Kindern ein Stück Fell reingelegt. Strümpfe hatten sie nicht. Die hatten nur die Erwachsenen“, berichtete Dieffenbach.

Sie zog zwei Wollstrümpfe aus ihrem Korb. „Der mit Spitze ist für Sonntag und der andere für Werktage.“ Kinder im Mittelalter mussten viel arbeiten: Gänse und Ziegen hüten zum Beispiel und Holz sammeln.

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Am Backofen hinter dem Rathaus wurde den Kindern bewusst, wie viel Holz sie hätten sammeln müssen, um Brot und Blechkuchen zu backen.

Mit der Maske am Pranger

Brigitte Dieffenbach sorgte mit ihren Erzählungen über die Strafen im Mittelalter für Gänsehaut. Masken gaben Dorf- und Stadtbewohnern einen Hinweis auf die Tat des Verurteilten. Trug er eine Schweinemaske vorm Gesicht, dann hatte er sich im Gasthaus wie ein Schwein benommen. Es gab Kindermasken: für alle bösen Buben, die Nachbarsgärten verwüstet und Gänse freigelassen hatten. Die Straftäter bekamen aber nicht nur eine Maske vors Gesicht. Sie mussten auch faules Obst, Kuhmist, Schweinemist sowie Katzen und Hundedeck besorgen. Die Täter wurden an den Pranger gestellt und die Dorfbewohner durften sie mit den Sachen bewerfen, wie Brigitte Dieffenbach als Kammerzofe Xelophenia berichtete.

Dieffenbach hatte für die Führung einen Holzpranger dabei: „Der ist für zänkische Geschwister“, es handelte sich um einen Holzbalken mit Auskerbungen. In die kam der Kopf rein und die Hände.

Weiter ging es in den Kurgarten. Dort malte Bo eine Pyramide in den Sand, die in Felder eingeteilt und mit Zahlen versehen wurde: ein Kinderspiel aus dem Mittelalter. Mit den Steinen musste man auf ein Feld werfen. Derjenige hatte gewonnen, der die höchste Punktzahl warf. Im Zwinger der Burg Lindenfels wurden Kühe, Enten und Schweine gehalten – und Wachhunde“ ergänzte Linnea. Denn wenn ein Dieb die Tiere geklaut hätte, dann hätten die Burgbewohner nichts zu essen gehabt.

Das Geld der alten Römer

Früher war die Mauer der Burg hier viel höher. Doch nicht nur die legendären Stadtverwalter Morlock, Mack und Färber in Lindenfels haben Burgsteine verkauft, auch die Mauern der Burgruine Rodenstein wurden zum Bauen veräußert. In den Kriegen blieb die Burg Lindenfels dagegen unbeschädigt.

Kammerzofe Xelophenia führte die Gruppe zum Ausblick über den Odenwald, einer der Wachposten der Wehrmannschaft von der Burg. Sie holte ein Geldstück nach dem anderen aus ihrer Schürze: einen Dinar aus der Zeit von Karl dem Großen zum Beispiel. Waren bezahlte man damals aber nicht mit Geld, sondern es galt der Tauschhandel. „Ich gebe Dir Holz und Du mir Pferde“, so Dieffenbach. Geld wurde dafür erst sehr viel später verwendet. Sie zeigte der Gruppe auch Sesterzen. Der Sesterz war Münze und Hauptrecheneinheit in der römischen Republik und Kaiserzeit bis zum Kaiser Diokletian.

Eine eigene Zofe für das Kind

Im Odenwald verläuft ein Teil des Limes, der Grenzanlage der Römer. Wer mehr darüber wissen will, kann unter anderem die römische Villa Haselburg bei Brensbach besuchen. Zum Anfassen gab es bei der Führung in Lindenfels handgeschmiedete Nägel und Becher aus Eisen. „Die sind aber leicht“ meinte Bo. Brigitte Dieffenbach zeigte auch ein Holzschiffchen von einem Webstuhl.

Durch den Kräutergarten ging es in die Wachstube der alten Burg. Hier war das Dienstzimmer der Wachleute. Sie tranken Wein statt Wasser, so konnte man Typhus und Cholera vermeiden. Die Lehrzeit für Schmiede, Steinmetze und Zimmermänner betrug sechs Jahre. Wer Ritter werden wollte, lernte dagegen zwischen sieben und 21 Jahre lang. Im Alter von fünf Jahren wurden die Jungen bei einer Nachbarsfamilie in die Lehre geschickt. Zuerst waren sie dann Knappen, bedienten zum Beispiel die Ritter bei Tisch. Im Alter von acht Jahren begann die Ausbildung im Reiten und dem Schwertkampf.

In der Burg zeigte Brigitte Dieffenbach den Kindern und Erwachsenen die Zeichen der Wittelsbacher-Familie, die bis 1918 das Land Bayern regierte und denen für einige Zeit auch die Burg Lindenfels gehörte. Sie nutzten sie damals als Sommerresidenz. Direkt neben dem Wappen sind Ausgüsse zu sehen, durch die heißes Öl geschüttet werden konnte, falls die Burg angegriffen wurde.

Die Kinder der Adelsfamilien hatten damals übrigens schon eigene Kinderkammerzofen. Die Führung der Kammerzofe Xelophenia endete im Burghof. Für Gästeführerin Brigitte Dieffenbach war es wegen der Corona-Einschränkungen die erste Führung in diesem Jahr. Weitere Termine sollen aber folgen.

Freie Autorin

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