Lindenfels. Die SPD Bergstraße und die SPD Lindenfels erinnerten in einer Gedenkfeier an Wolfgang Schwabe, den langjährigen Bürgermeister der Stadt Lindenfels. Geboren wurde er als Sohn des Amtsrichters Ernst Otto Schwabe und der Malerin Else Schwabe, geborene Luthmer, am 12. Oktober 1910 in Frankfurt. Am 4. Januar 1978 starb Schwabe in Dietzenbach. Bürgermeister war er von 1948 bis 1960.
Nach dem Volksschulabschluss besuchte Wolfgang Schwabe das Humanistische Gymnasium in Wiesbaden und Frankfurt. Es folgte eine landwirtschaftliche Ausbildung und der Besuch einer landwirtschaftlichen Maschinenfachschule. Später wechselte Schwabe in die Automobilindustrie.
Im Jahr 1940 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Von 1941 bis 1945 war Schwabe Soldat im Zweiten Weltkrieg. Er kam in Kriegsgefangenschaft, wurde aber im gleichen Jahr wieder entlassen. Er trat in den hessischen Verwaltungsdienst ein und wurde zum Leiter der Kurverwaltung in Lindenfels bestellt. 1950 beteiligte Wolfgang Schwabe sich an der Gründung der hessischen Selbstverwaltungsschule – dem Freiherr-vom-Stein-Institut in der Stadt. Dort werden bis heute hessische Verwaltungsbeamte fortgebildet, in Lindenfels gibt es aber keine Lehrgänge mehr.
„Damals fanden die Fortbildungsseminare noch im Hessischen Haus statt“, erinnert sich sein Sohn Thomas Schwabe. Das Hotel stand auf der Wiese vor der evangelischen Kirche. Thomas Schwabe erinnert sich an seine Kindheit in einer Ein-Zimmer-Wohnung im Haus Baureneck. „Ich bin mit den Lindenfelsern aufgewachsen. Der Erste Stadtrat Thomas Bauer trägt seinen Vornamen, weil ich so hieß und er seiner Mutter gefiel.“
Die Eltern seiner Mutter, der Lindenfelser Malerin Else Luthmer, hatten sich für den Sommer ein Haus am Schlosswaldweg gebaut. Else Luthmers Vater gründete die Kunstgewerbeschule in Frankfurt. Nach ihrem Kunststudium in Paris und vielen Studienreisen wohnte sie ab 1940 im Schlosswaldweg, heute die Villa Christina.
Mitglied im Bundestag und im Europäischen Parlament
Wolfgang Schwabe trat 1950 in die SPD ein. Von 1954 bis 1958 war er Vorsitzender des Kreisverbands Bergstraße und 1968 /69 Vorsitzender des Unterbezirks Bergstraße-Erbach. Er war Mitglied des Bergsträßer Kreistags und wurde 1952 zum Vorsitzenden gewählt. Drei Jahre später wurde er Persönlicher Referent beim hessischen Innenminister Heinrich Schneider.
Zwei Jahre lang bekleidete er diesen Posten, bis er Direktor der Hessischen Landeszentrale für den Heimatdienst wurde. Wolfgang Schwabe leitete diesen Vorläufer der Landeszentrale für politische Bildung von 1957 bis 1961. Hier erhielt er die Ernennung zum Regierungsdirektor.
Als Bürgermeister der Stadt Lindenfels stellte er fest: Die Chance auf Wohlstand für das Burgstädtchen ist der Fremdenverkehr. Damals gab es noch viele Kurkliniken und Ärzte in der Stadt. „In der Politik und im Amt gut vernetzt sein, ein guter Kommunikator – das war meinem Vater wichtig“, sagte Thomas Schwabe bei der Gedenkfeier.
So wurde Wolfgang Schwabe, inzwischen Kurdirektor der Stadt Lindenfels, zum Vorsitzenden des Landesverkehrsverbands Hessen, zum Vizepräsidenten des Verbands Deutscher Kur- und Fremdenverkehrsfachleute sowie zum Vizepräsidenten des Deutschen Fremdenverkehrsverbandes gewählt. Er hatte auch die Idee zur Gründung der Internationalen Tourismusbörse in Berlin.
Dem Deutschen Bundestag in Bonn gehörte Wolfgang Schwabe von 1961 bis zu seinem Tod 1978 an. Hier vertrat er von 1969 bis 1976 den Wahlkreis Bergstraße. In den übrigen Wahlperioden zog er über die Landesliste in den Bundestag ein. Von 1970 bis zu seinem Tod war Schwabe auch Mitglied des Europäischen Parlaments. Damals wurden dessen Mitglieder noch von den Ländern entsandt.
Für Wolfgang Schwabe war das eine interessante Zeit, denn ab 1971 erhielt die Europäische Gemeinschaft eigene Finanzmittel für eine gemeinsame Agrarpolitik. Er sprach gut Englisch, Französisch und Italienisch, das er im Zweiten Weltkrieg als Soldat der Wehrmacht gelernt hat.
Die Mutter von Wolfgang Schwabe, die Malerin Else Luthmer, war eine sehr couragierte Frau. Sie griff deshalb beherzt ein, als am Ende des Zweiten Weltkriegs zwei alliierte Piloten mit ihren Fallschirmen in Lindenfels landeten. Ihre Kampfflugzeuge waren kaputt, die Piloten wurden vor dem Löwenbrunnen von NS-Leuten mit Waffen festgehalten. Else Luthmer sah die Szene und rief: „Lasst ihr die beiden wohl in Ruhe.“
Reisen in die USA und nach Kanada für die Demokratie
Auf dem Friedhof gibt es nur noch eine Gedenkstätte für Wolfgang Schwabe. Sein Grab ist bereits abgeräumt. Gewerkschaftssekretär Ingo Thaidigsmann, SPD-Landtagsmitglied Josefine Koebe, SPD-Kreisvorsitzender Marius Schmidt sowie der Lindenfelser Bürgermeister Maximilian Klöss legten dort einen Kranz nieder.
Mit dabei war Adam Falter von der Trachtengruppe Lindenfels. Volkstänze und das Akkordeonorchester waren Werbemittel für den Fremdenverkehr in Lindenfels. Wolfgang Schwabe wusste, wie wichtig es für die Odenwälder Jugend war, nach der NS-Zeit die Demokratie kennen und schätzen lernen. So wurden Reisen für die Trachtengruppe Reisen in die USA und nach Kanada organisiert. Schüler konnten Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre in die USA reisen und nach Frankreich.
Bei der Gedenkfeier waren auch die Ehefrau und der Sohn von Thomas Schwabe dabei. Sie waren aus Mexiko angereist. Viele Erinnerungen wurden ausgetauscht. So hatte Wolfgang Schwabe es mit seinen Beziehungen zur US-Armee geschafft, dass die Soldaten in Lindenfels einen Fußballplatz herstellten. Den heutigen Ehrenstadtrat Otto Schneider machte er in seiner Jugend auf die Lehre beim Finanzamt aufmerksam, die dieser dann auch antrat.
Karl-Heinz Bauer, dem Vater von Thomas Bauer und langjährigen Mitarbeiter des BA, hat Schwabe den Weg zum Posten als Verkehrsdirektor geebnet. „Weil er damals so tolle Berichte über die Fußballspiele des SV für die Zeitung geschrieben hat“, wie sich Bauer erinnert.
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