Lindenfels. Erneut habe sich ein Kandidat für die Lindenfelser Bürgermeisterwahl der Grundsteuer verschrieben und verspreche „Grundsteuer senken – Familien stärken“. Dieses Versprechen sei in sich unseriös, schreibt der Vorsitzende der Lindenfelser SPD und des Finanzausschusses der Stadtverordnetenversammlung, Ingo Thaidigsmann.
Das Bundesverfassungsgericht habe 2018 festgestellt, dass die sogenannten Einheitswerte von 1964 – also die angenommenen Grundstückswerte – als Bemessungswerte für die Grundsteuer nicht mehr verfassungskonform seien. Die Finanzämter hätten deshalb die Grundsteuer-Messbeträge nach Angaben der Eigentümer neu festgelegt. Hauptfaktoren seien der Bodenrichtwert und die Art der Bebauung, erläutert Thaidigsmann. Der Messbetrag werde mit dem von der Stadt festgelegten Hebesatz multipliziert. Daraus ergebe sich die Grundsteuer.
„Wenn also der Grundsteuer-Messbetrag im Verhältnis zu 1964 steigt, kann der Hebesatz der Gemeinde sinken, ohne dass sich dadurch eine Senkung der Steuer insgesamt ergibt. Die Grundsteuerreform soll nach dem Willen von Bund und Ländern aufkommensneutral umgesetzt werden. Die Kommunen sollen also nach dem neuen Recht etwa gleich viel Grundsteuer einnehmen wie bisher. Das heißt aber nicht, dass die Grundsteuer für jeden Steuerpflichtigen belastungsneutral sein muss“, so Thaidigsmann weiter.
Die Zahlung könne sich durchaus ändern. Die Frage sei, ob er mehr bezahlen müsse oder weniger. „Es wird Verlierer und Gewinner im Zuge der Reform geben, je nach Lage der Immobilie.“ Die Stadtverordnetenversammlung habe zuletzt den Hebesatz auf 870 Punkte angehoben. Damals habe der Zuschussbedarf für die Kindergärten 878 000 Euro betragen, ohne Abschreibungen und Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen. In diesem Jahr betrage diese Summe knapp 1,4 Millionen Euro. „Die Kosten für die Kindergärten sind damit um 506 000 Euro gestiegen.
Grundsteuer müsste für die Kindergärten deutlich steigen
Im Sinne der Familienpolitik sind diese Mehrkosten nicht auf die Eltern umgelegt worden, eine Erhöhung der Kindergartenbeiträge ist nicht erfolgt. Die Gebühren für die Kindergärten sind im Vergleich mit anderen Kommunen auf einem sehr niedrigen Niveau. Eine Anhebung der Grundsteuer B um 360 Punkte, die vonnöten wäre, um dieses Defizit auszugleichen, ist ebenfalls nicht erfolgt“, scheibt Ingo Thaidigsmann.
Derzeit nehme Lindenfels etwa 1,2 Millionen Euro Grundsteuer ein. „Der Verweis auf geringere Hebesätze an der Bergstraße oder im Taunus hilft nicht weiter. Da dort die Bodenrichtwerte deutlich höher sind, kann der Hebesatz niedriger sein. Das heißt für die Bürger dort, dass die Belastung durch die Grundsteuer durchaus höher sein kann als in Lindenfels, weil die Grundstücke höher bewertet werden.“
Der Hebesatz werde in den kommenden Monaten durch die Stadtverordnetenversammlung beschlossen und nicht durch den Bürgermeister, erinnert Ingo Thaidigsmann. „Selbst wenn der Kandidat gewählt werden würde, hätte er darauf keinerlei Einfluss. Seine Amtszeit würde erst im April beginnen. Und die Vertreter der Bürger in der Stadtverordnetenversammlung hätten ein Wörtchen mitzureden.“
Deshalb sei das Thema Grundsteuer keines für den Bürgermeisterwahlkampf. Alle Mandatsträger in der Stadtverordnetenversammlung hätten ihren festen Wohnsitz in Lindenfels. Somit seien die Vertreter der Bürger immer auch selbst von ihren Entscheidungen zur Grundsteuer betroffen. „Glaubt der Kandidat wirklich, dass es nicht im eigenen Interesse der Mandatsträger liegt, die Grundsteuer-Hebesätze so niedrig wie möglich zu halten? Unterstellt der Kandidat den ehrenamtlichen Mandatsträgern damit, sich selbst und alle Bürger der Stadt Lindenfels als Melkesel zu betrachten?“
Thaidigsmann kritisiert, dass das Versprechen einer Senkung der Grundsteuer unlauter sei, wenn nicht gesagt werde, woher das Geld kommen soll. „Das zeugt entweder von hemmungslosen Populismus, oder – was noch schlimmer ist – von einer Ahnungslosigkeit über die kommunalen Finanzen im Allgemeinen und die von Lindenfels im Besonderen. Bei einem Kandidaten, der weder Erfahrung in der Kommunalpolitik noch in der Verwaltung hat, ist das auch kein Wunder“, schreibt Ingo Thaidigsmann. red
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