Umweltausschuss

Wohllebens Naturwald-Idee in Lautertal hat viele Tücken

Dabei ist der Wohlleben-Vorschlag für einen Naturwald nicht der einzige, der auf dem Tisch liegt.

Von 
Thorsten Matzner
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Einen Naturwald wie diesen möchte die Akademie am Felsberg entstehen lassen. © Swen Pförtner

Lautertal. 1,3 Millionen Euro Pacht für eine Fläche von 100 Hektar Gemeindewald bei einer Vertragslaufzeit von 50 Jahren – so lautet das Angebot von Wohllebens Waldakademie an die Gemeinde Lautertal. Die Akademie möchte am Felsberg einen Naturwald entstehen lassen. In einer Sitzung des Umweltausschusses der Gemeindevertretung präzisierte Patrick Esser von der Waldakademie nun die Offerte und gab weitere Informationen.

Danach war klar, dass bisher nicht sicher abgeschätzt werden kann, wie viel Geld die Gemeinde aus dem Projekt erwarten kann. Und dass es einiges an Idealismus dabei ist. Nämlich der Wille, einen Naturwald entstehen zu lassen und eine Alternative zur konventionellen Forstwirtschaft zu fördern. So verkaufte Esser das Angebot auch: als „große Chance für die Gemeinde Lautertal“ und als „Experiment“. Schließlich lasse sich mit der Zeit vergleichen, ob der Wohlleben-Naturwald besser über die Runden kommt als der Wald, der von Hessen-Forst bewirtschaftet wird beziehungsweise nach anderen Modellen stillgelegte Flächen.

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Der Wohlleben-Vorschlag für einen Naturwald ist nicht der einzige, der auf dem Tisch liegt. Auf Wunsch der Gemeindevertretung hat Hessen-Forst eine Liste von Grundstücken geliefert, auf denen die Waldwirtschaft eingestellt werden könnte, um sogenannte Ökopunkte zu sammeln. Bürgermeister Andreas Heun berichtete außerdem von einem neuen Bundesprogramm zum Waldmanagement, an dem sich die Gemeinde beteiligen könne. Dabei müssten mindestens fünf Prozent der Waldfläche stillgelegt werden, dafür gebe es dann einen Zuschuss zum Ausgleich entgangener Gewinne aus der Vermarktung des Holzes. Die Stilllegung von Waldflächen sei auf jeden Fall der richtige Weg.

Zurück zum Wohlleben-Angebot. Die Waldakademie hat die Summe von 1,3 Millionen Euro auf der Basis einer Bestandsaufnahme des Waldes von 2014 ermittelt. Patrick Esser sagte, sobald die Gemeinde dem Projekt zugestimmt habe, müsse es eine erneute und genaue Begehung geben, um den aktuellen Waldzustand festzuhalten. Dann erst würden auch die Flächen festgelegt, auf denen Naturwald entstehen solle. Danach werde die Akademie ein überarbeitetes Angebot machen.

Paten geben das Geld

Auch dies wird nicht das letzte Wort sein. Denn die Akademie bezahlt die Pacht nicht aus eigenen Mitteln. Vielmehr würde sie die Flächen parzellenweise an Waldpaten „verkaufen“. Bei den bisherigen zwei Projekten in der Eifel sind nach Angaben von Esser 350 Firmen und 11 000 private Paten eingestiegen. Immer dann, wenn ein Bereich aus der Gesamtfläche verkauft ist, würde die Gemeinde die anteilige Pacht erhalten.

Bei einem Projekt der Akademie mit einer Gesamtgröße von 74 Hektar seien innerhalb von zwei Jahren 52 Hektar vermarktet worden, sagte Patrick Esser. In Lautertal wolle sich die Akademie bis zu fünf Jahre Zeit nehmen, um die Fläche zu vergeben. Was nach Ablauf dieser Zeit nicht vermarktet sei, falle an die Gemeinde zurück.

Für 4,75 Euro einen Quadratmeter Wald „schützen“

Die Pachteinnahmen richten sich also nach der Bestandsaufnahme nach einem Vertragsschluss und nach dem Verkaufserfolg. Wobei Patrick Esser sich zuversichtlich zeigte, die Gesamtfläche vermarkten zu können. Es gebe sehr viele Leute, die hier Geld investieren wollten.

Aktuell kann man auf der Internet-Seite der Akademie für 4,75 Euro einen Quadratmeter Wald „schützen“. Die Paten bekommen anschließend eine Urkunde, auf der genau die Lage „ihres“ Grundstücks verzeichnet ist.

Das Projekt in Lautertal würde das sogenannte Nonnwiesengeröll umfassen, eine Fläche zwischen Felsenmeer und Borstein. Das Felsenmeer selbst wäre nicht dabei, weil hier ein naturbelassener Wald kaum möglich ist. Nicht eingeschlossen sind auch alle privaten Flächen. Da die Waldakademie ihren Vertrag mit der Gemeinde abschließen würde, ginge es nur um Flächen, die der Gemeinde gehören.

Der Gemeinde bleiben Kosten

Der Wald dürfte weiterhin benutzt werden, es werde kein Betretungsverbot geben, kündigte Patrick Esser an. Auch Arbeiten zur Verkehrssicherheit – also das Schneiden oder Fällen von Bäumen an Wegen zur Vermeidung von Gefahren für die Waldbenutzer – seien möglich.

Sie müssten aber mit der Akademie abgestimmt werden und absolut nötig sein. Esser sagte, im Wald gebe es eigentlich keine Verkehrssicherungs-Pflicht. Das Freihalten von Wegen für den Tourismus und auch als Rettungswege sei aber kein Problem. Auch die Bejagung der Flächen werde weiterhin möglich sein.

Esser sagte, das Projekt habe viele Vorteile für die Gemeinde. So bleibe sie Eigentümer des Waldes und profitiere von dem Wertzuwachs, der sich durch den Naturwald ergeben könne. Es fielen Verwaltungsaufwand und Aufwendungen für die Bewirtschaftung der Fläche weg. Und sie erhalte Geld für Investitionen. Allerdings müsste die Gemeinde auch künftig Geld für die Fläche der Waldakademie in die Hand nehmen, zum Beispiel für die Grundsteuer, Versicherungen und die Wegeunterhaltung. Verkehrssicherungs-Maßnahmen müsste die Kommune ebenfalls selbst bezahlen.

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Das Angebot der Waldakademie soll nun in den Fraktionen der Gemeindevertretung beraten werden. Frank Maus (Grüne) sagte, es müsse das Ziel sein, hier mit einer Stimme zu sprechen. Erich Sauer (CDU) und Albrecht Kaffenberger (SPD) betonten, dass die Gemeinde nicht damit rechnen könne, die Pachteinnahmen schnell zu erhalten. Kaffenberger sagte: „Wenn man die 1,3 Millionen Euro liest, bekommt man ja Kulleraugen.“

Ralf Schepp vom Forstamt sieht das Angebot kritisch

Das Geld dürfe anschließend nicht einfach „verfrühstückt“ werden. Besser sei es, die Summe in einer Waldstiftung anzulegen und nur die Zinsen zu verwenden.

Ralf Schepp vom Forstamt sah das Angebot kritisch. Wenn die Gemeinde den Wald für 50 Jahre verpachte, sei das im Grunde ein Verkauf. Die von Wohlleben angesetzte Summe von 1,30 Euro für den Quadratmeter sei dann „ein eher bescheidener Preis“.

Angesprochen auf die Frage, wie viel Geld Hessen-Forst aus dem Wald erwirtschaften könne, sagte Schepp, das sei schwer zu sagen. In den vergangenen Jahren seien im gesamten Gemeindewald pro Jahr rund 26 000 Euro Gewinn gemacht worden. Man könne allerdings den Gewinn nicht mit einer Pacht gleichsetzen. Die Gemeinde müsse stattdessen überlegen, wie viel Geld ihr der tatsächliche Verkauf des Waldes bringen würde.

Redaktion Lokalredakteur Lautertal/Lindenfels

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