Reichenbach. Die berühmte englische Telefonzelle feiert dieses Jahr ihren 100. Geburtstag. Auch Lautertal besitzt dank der Verschwisterung mit der englischen Gemeinde Radlett eine aus dem Jahr 1923 stammende rote Zelle. Bis zu 9000 dieser immer noch attraktiven roten Phone Boxes sollen im Straßenbild Englands zu finden sein. Viele ausgemusterte werden im Zeitalter der Mobiltelefone allerdings nicht mehr für ihren eigentlichen Zweck genutzt, sondern zum Beispiel als Bücherschränke, Gewächshäuser, Espressobars, Aquarien oder winzige Kunstgalerien. An manchen privaten Swimmingpools dienen sie als Duschkabine. Für Notfälle halten einige Defibrillatoren bereit. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Sir Giles Gilbert Scott hatte vor 100 Jahren die Idee, Telefone im öffentlichen Raum aufzustellen und mit einer wetterfesten Kabine zu umgeben. Er wählte die Farbe Rot, um sie leichter erkennbar und auffindbar zu machen. Seine Telefonzelle mit dem klassischen Kuppeldach ist mehr als jedes andere Bauwerk dieses britischen Architekten zu einer kulturellen Ikone geworden. Scott hat unter anderem die Universitätsbibliothek von Cambridge, das Kraftwerk Battersea – heute Thate Modern – und die Kathedrale von Liverpool entworfen.
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Die ersten Telefonzellen, die 1920 aufgestellt wurden, waren allerdings nicht rot, sondern cremefarben. Nur die Fenster waren rot umrahmt. Erst 1926 Jahre wurde die Version aus rot bemaltem Gusseisen eingeführt. Die Telefonzellen des Modells K2 wurden hauptsächlich in London aufgestellt. 1935 wurde ein Modell entworfen, das billiger in der Herstellung war und sich über die gesamte Insel verbreitete.
Mit Fernsehserien wie The Ladykillers von 1955 erlangten die roten Telefonzellen Kultstatus in der ganzen Welt. In den 90er Jahren erreichte die Zahl der roten Häuschen in Großbritannien mit rund 100 000 ihren Höhepunkt. Die Zeiten, in denen die Menschen vor den Telefonen Schlange standen, sind aber längst vorbei.
Der rote Briefkasten stammt aus der Zeit von König Georg V.
Wie die rote Telefonzelle gilt auch der rote Briefkasten der Royal Mail als britische Kulturikone. Die ersten Säulen-Briefkästen wurden im Jahr 1852 auf der Kanalinsel Jersey aufgestellt. 1853 wurden sie in Großbritannien eingeführt. Die Briefkästen waren zunächst grün, seit 1874 sind sie rot. Jeder Briefkasten trägt die Initialen der Königin oder des Königs, die oder der gerade regierte, als der betreffende Briefkasten aufgestellt wurde. So kann man an dem roten Briefkasten („Pillar box“) am Lautertaler Rathaus ablesen, dass dieses Exemplar mit dem Monogramm „GR“ unter der goldenen Krone während der Regentschaft von König Georg V., zwischen Mai 1910 bis zu seinem Tod im Januar 1936 aufgestellt worden war.
Die beiden roten Schwergewichte beschaffte der Verschwisterungsverein Apeg 1986 für Lautertal durch die Freunde in England nach endlosen Schriftwechseln. Ewald Weber vom Vorstand war es gelungen, mit der Firma Schenker den Transport in den Odenwald zu organisieren. Dort angekommen, lagen die Teile zunächst wenig beachtet im Gemeindebauhof in Reichenbach, bis sie am Rathaus aufgestellt wurden.
Hatte die Telefonzelle zunächst an der Südseite des alten Rathauses mit einem „Clubtelefon“ ausgestattet noch Fernsprechzwecken gedient und Geld verdient, so wanderte sie zu Handy-Zeiten auf den Platz zwischen altem und neuem Rathaus. Dort hat das Stück als öffentlicher Bücherschrank einen neuen Verwendungszweck gefunden.
Der historische Briefkasten gesellte sich zu dem Telefon-Kiosk, nachdem er zunächst auf dem Marktplatz platziert worden war und zwischenzeitlich am Felsenmeer-Informationszentrum gestanden hatte.
Das wiedervereinte Ensemble wurde im April 2019, nachdem es grundlegend überarbeitet worden war, in einer kleinen Feierstunde erneut eingeweiht. Zahlreiche Helfer hatten zur Renovierung beigetragen. Allen voran die Verschönerungsvereins-Mitglieder Eberhard Mößinger und Klaus Essinger, die das Telefonhäuschen und den englischen Briefkasten mit neuem Originalfarbanstrich versahen. Die Originalfarbe hatte der ehemalige Apeg-Vorsitzende Helmut Lechner spendiert.
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