Schannenbach. Seit 50 Jahren gehört Schannenbach zur Gemeinde Lautertal. Die Entscheidung, sich nach Lautertal zu orientieren, fiel den politisch Verantwortlichen in der Krehberggemeinde nicht leicht. Ein halbes Jahr lang herrschte auf der politischen Bühne in Schannenbach im Jahr 1971 eine Ausnahmesituation.
In heutiger Zeit ist es kaum vorstellbar, in welcher Geschwindigkeit damals Entscheidungen getroffen, wieder rückgängig gemacht und neu getroffen wurden. Dass am Ende eines bewegten halben Jahres die Landesregierung in Wiesbaden ihre Ziele bei der Gebietsreform erreichen sollte, war zunächst nicht vorstellbar.
Offiziell seit dem 1. August 1972 gehört Schannenbach zur Gemeinde Lautertal. Das 50-jährige Bestehen der Kommune wurde hier mit der Eröffnung des Geopunktes am Dorfgemeinschaftshaus gefeiert.
Ein Blick zurück – quasi auf die Geburtswehen – lohnt sich. Der ehemalige Ortsvorsteher Harald Lannert (BILD: jhs) hat sich in die Historie des Ortes eingearbeitet und interessante Details ans Tageslicht gebracht.
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Ihren Anfang nimmt die Gebietsreform 1969. Damals wurden von der Landesregierung freiwillige Zusammenschlüsse von Gemeinden durch das Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit gefördert. Schmackhaft gemacht wurden diese Zusammenschlüsse mit einer Neureglung der kommunalen Finanzausgleiche und einer Erhöhung der Schlüsselzuweisungen.
Das mit der Freiwilligkeit war allerdings so eine Sache. Die Landesregierung plante den Zusammenschluss von Reichenbach, Beedenkirchen, Lautern, Gadernheim, Schannenbach, Knoden mit Breitenwiesen, sowie Kolmbach, Seidenbuch und Winterkasten zur Gemeinde Lautertal. Die Kolmbacher, Winterkäster und Seidenbucher hatten allerdings andere Pläne und durften ausscheiden. Elmshausen war zunächst nicht mit in den Überlegungen.
Die Straße war schon da
Als die Pläne der Landesregierung auf dem Tisch des Schannenbacher Bürgermeisters Peter Bauer lagen, nahm die Geschichte der Gebietsreform in Knoden und Schannenbach ihren Anfang. „Einen Anschluss unserer beiden Höhengemeinden an Lautertal lehnten beide Gemeindevertretungen ab. In einem Zusammenschluss mehrerer finanzschwacher Gemeinden sah man keine starke Verwaltungseinheit“, so Harald Lannert. „Der Wirtschaftsraum Bergstraße, sprich Bensheim oder Heppenheim, könnte die wirtschaftliche Entwicklung der Höhengemeinden positiv beeinflussen.“ Für die Schannenbacher war der Wunschpartner die Kreisstadt Heppenheim. Dorthin, nach Oberhambach, gab es schon eine befestigte Straße. Für Heppenheim war Schannenbach auch interessant, weil hier Bauplätze für wohlhabende Bürger geschaffen werden könnten.
Zum Bensheimer Stadtteil Gronau hingegen gab es nur einen sogenannten Vicinalweg, einen überregionalen, mit Fuhrwerken befahrbaren Verbindungsweg. Es war lange Zeit auch der Weg zum Friedhof für die Schannenbacher. Daraus eine Straße zu machen, erschien wegen der Topographie sehr teuer und kaum umsetzbar.
Dennoch wurde mit beiden Kommunen verhandelt. Das stieß allerdings nicht auf Zustimmung von Landrat Ekkehard Lommel. „Er hielt an der Modellplanung der Landesregierung fest – also Schannenbach und Knoden Lautertal zuzuordnen“, so Harald Lannert. Doch die Gemeindevertretungen von Schannenbach und Knoden bestanden auf den von ihnen demokratisch herbeigeführten Entscheidungen. „Die kann ja niemand ignorieren.“ Die Mehrheit der Schannenbacher Gemeindevertreter favorisierten Heppenheim als Partner.
Plötzlich aber schwenkten die Knodener um und beschlossen, sich nach Bensheim zu orientieren. Der Grund lag in einer Mitteilung aus Wiesbaden, dass ein Anschluss an Heppenheim nicht in Frage kommt. Das Schreiben war eigentlich eine Antwort auf eine Anfrage der SPD Heppenheim. Zu einem Zusammenschluss mit Bensheim wurde deshalb keine Aussage gemacht. Die Schannenbacher Gemeindevertreter interpretierten wie die in Knoden das Schreiben so, als wäre Bensheim eine Option und schwenkten nun auch um. „Damit wollte man die drohende Eingemeindung ins Lautertal doch noch abwenden“, berichtete Harald Lannert.
Der Kreistag zog nicht mit
Nur zwei Monate nach dem Beginn der Verhandlungen, im September 1971, beschlossen die Bensheimer Stadtverordneten die Aufnahme von Verhandlungen zur Eingliederung von Schannenbach. Gleichzeitig wurde der bereits ausgehandelte Grenzänderungsvertrag mit Knoden beschlossen. Die Sache hatte nur einen Haken: Eine Zustimmung der Landesregierung war dazu nicht eingeholt worden.
Den Schannenbacher Gemeindevertretern – die ja weder nach Lautertal noch nach Bensheim wollten – fiel auf, dass der Brief an die SPD Heppenheim sich nur auf Heppenheim bezog. Es war damit nicht gesagt, dass die Landesregierung einen Anschluss an Bensheim genehmigen würde. Also wurden wieder Verhandlungen mit Heppenheim aufgenommen. Quasi unter der Hand wurde darüber verhandelt, dass im Kreistag die Bensheimer Abgeordneten der Zuordnung von Schannenbach nach Heppenheim und die Heppenheimer der Zuordnung von Knoden nach Bensheim zustimmen sollten. Das half allerdings nichts: Der Kreistag stimmte gegen eine Trennung von Schannenbach und Knoden. Mit knapper Mehrheit wurden beide Krehbergorte der Stadt Bensheim zugeordnet.
Enge Verbindung zu Bensheim
Im Dezember 1971 kam daraufhin ein Veto aus Wiesbaden. Alle Mühen waren umsonst, Schannenbach und Knoden mit Breitenwiesen mussten sich mit dem Abschluss an die neue Gemeinde Lautertal anfreunden. Der Grund war die von der Landesregierung vorgegebene Größe der neuen Gemeinden. Mit dem Ausscheiden von Kolmbach, Seidenbuch und Winterkasten wurde für Lautertal ein Ausgleich gebraucht. In seiner Erklärung wies das Land darauf hin, dass Lautertal ebenfalls eine enge Verbindung zu Bensheim habe.
„Alle Verhandlungen und Verträge waren im Nachhinein gegenstandslos und interne Streitigkeiten völlig unnötig“, so das Fazit von Harald Lannert über das Gesetz zur Neugliederung des Landkreises Bergstraße von 11. Juli 1972. Darin steht im ersten Satz in Abschnitt 1 im Paragrafen 1: „Die Gemeinden Knoden und Schannenbach werden der Gemeinde Lautertal eingegliedert.“ Die offizielle Übernahme erfolgte zum 1. August 1972.
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