Lautertal. Mit einem Mammutprogramm startet der Umweltausschuss der Lautertaler Gemeindevertretung ins neue Jahr. Die Mitglieder des Gremiums haben am Dienstag, 17. Januar, gleich drei große Themen auf der Tagesordnung. Die Sitzung im Rathaus beginnt daher auch schon um 18.30 Uhr und nicht wie üblich eine halbe Stunde später.
Zunächst wird es um den Waldwirtschaftsplan für 2023 gehen. Das Zahlenwerk ist Teil des Haushaltsplans, und stellt die Einnahmen und Ausgaben bezüglich der Forstwirtschaft dar.
Revierförster Robin Töngi wird erstmals den Plan erläutern. Töngi hat 2022 den langjährigen Förster Dirk Dins abgelöst. Außerdem wird zu der Sitzung der Leiter des Forstamtes Lampertheim, Ralf Schepp, erwartet. Die Zahlen, die die beiden Herren präsentieren werden, sind allerdings nicht besonders gut. Bei Einnahmen in Höhe von 126 000 Euro werden Ausgaben im Umfang von 139 000 Euro erwartet. Unter dem Strich muss die Gemeinde also 13 000 Euro zuschießen.
Die Kosten verteilen sich vor allem auf die Holzernte (49 000 Euro) und die Verkehrssicherung im Wald (34 000 Euro) – also die Absicherung von Wegen und Parkplätzen vor Gefahren für die Besucher. Die Beförsterungskosten liegen bei 23 000 Euro. Das ist die Summe, die die Gemeinde an Hessen-Forst bezahlen muss für dessen Dienstleistungen rund um den Wald.
Bei den Einnahmen steht die Summe aus dem Holzverkauf an erster Stelle. 106 000 Euro werden hier erwartet. Das ist gleichzeitig die unsicherste Komponente im Haushalt, denn wie sich der Holzmarkt entwickelt, ist nur bedingt absehbar. Ein Orkan im Wald, ein weiterer trockener Sommer, die weltweiten Wirtschaftsströme: die Auswirkungen auf den Markt sind vielfältig.
Langzeitplanung steht an
Nach der Betrachtung des Wirtschaftsjahres 2023 weitet sich für die Gemeindevertreter der Blick. Dann wird es im Umweltausschuss um die sogenannte Forsteinrichtung gehen. Das ist ein Zehn-Jahres-Plan, aus dem die Waldwirtschaftspläne entwickelt werden. Er legt die großen Linien für die Waldentwicklung fest – unter anderem werden die Menge des Holzeinschlags und die Auswahl von Baumsorten für Neuanpflanzungen festgelegt.
Die Forsteinrichtung muss im neuen Jahr fortgeschrieben werden. Dazu haben die Grünen bereits im Juni einen Antrag in die Gemeindevertretung eingebracht, weil sie sich umfassend über die Grundlagen für eine neue Planung informieren wollen. Sowohl Revierförster Robin Töngi wird dazu Stellung nehmen als auch Christian Storm, der an der Technischen Universität Darmstadt zur chemischen Pflanzenökologie forscht.
Letzter Punkt der Tagesordnung ist Wohllebens Waldakademie. Diese Einrichtung des Försters Peter Wohlleben hat sich zum Ziel gesetzt, die traditionelle Forstwirtschaft in Deutschland auf ausgesuchten Flächen abzulösen. Seit dem 18. Jahrhundert ist in der Forstwirtschaft, wie sie auch Hessen-Forst vertritt, der Kernbegriff die Nachhaltigkeit. Der Wald ist danach ein Wirtschaftsgut, das aber so genutzt werden soll, dass es für nachfolgende Generationen erhalten bleibt.
Das war in der Vergangenheit relativ einfach: Es sollte nur so viel Holz geerntet werden, wie im gleichen Zeitraum auch nachwächst. Die Voraussetzungen sind inzwischen allerdings deutlich schwieriger geworden. Die Zunahme schwerer Stürme und das veränderte Klima lassen dem Wald keine Zeit mehr für Entwicklung.
1,3 Millionen Euro in Aussicht
War es früher möglich, dass sich zwischen extremen Wetterereignissen der Wald über die Jahre hinweg erholen konnte, so ist das kaum noch möglich. Die Förster haben darauf vorwiegend mit einer Anpassung der Baumsorten reagiert. Spätestens seit den schweren Stürmen der 90er Jahre gilt zum Beispiel die Devise, dass der einstige Brotbaum Fichte nur noch bedingt zum Einsatz kommen kann.
Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg waren Fichten-Monokulturen beliebt auf solchen Flächen, bei denen sich eine Beweidung nicht mehr lohnte. Die Fichte garantierte durch ihren schnellen Wuchs und das vielfältig verwendbare Holz eine sichere Geldanlage. Schädlingsbefall und Sturmschäden haben dem ein Ende gesetzt. Neue Monokulturen des eigentlich in höheren Lagen heimischen Baums hätten kaum noch eine Chance, bis zur Ernte durchzuhalten.
Die Strategie, stattdessen Douglasien einzusetzen, hat auch Grenzen: Die Douglasie ist als nicht in Deutschland heimischer Baum nicht unumstritten, und auch sie ist gegen die neuen Gefahren für den Wald nicht gefeit. Wasser braucht nun einmal jeder Baum, und wenn es im Sommer wochenlang nicht regnet, geht auch die widerstandsfähigste Douglasie ein.
Auch die Buche, die die Förster bisher noch als sichere Bank betrachteten, schwächelt, weil sie nicht nur Wasser braucht, sondern auch mit der intensiveren Sonneneinstrahlung nicht mehr zurechtkommt. Der frühere Lautertaler Gemeindevertreter-Vorsitzende Günter Haas (LBL) hatte das Dilemma damit beschrieben, dass der Odenwald bei einer Verschiebung der Klimazonen durch die Erderwämung zu einer Steppenlandschaft werden könnte. Und dort wachsen bekanntlich kaum Bäume, egal welcher Sorte.
Die Waldakademie versucht, den Problemen dadurch zu begegnen, dass sie den Wald sich natürlich entwickelt lässt. Im Grunde wird eine Beförsterung als Eingriff gesehen, der den Wald (zusätzlich) schwächt und auf die daher möglichst verzichtet werden sollte. Ein Naturwald könnte am Felsberg – abseits des Felsenmeers – entstehen.
Die Waldakademie bietet der Gemeinde an, 100 Hektar Gemeindewald am Felsberg 50 Jahre lang in die eigene Regie zu übernehmen. Dafür würde sie der Kommune knapp 1300 Euro pro Hektar, in Summe 1,3 Millionen Euro an Pacht überweisen.
Info: Öffentliche Sitzung des Umweltausschusses der Lautertaler Gemeindevertretung am Dienstag, 17. Januar, ab 18.30 Uhr im Rathaus in Reichenbach
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