Lautertal. Seit 1985 kommen sie fast jedes Jahr zurück an die Heimatorte ihrer Vorfahren: „Kartoffeldeutsche“ ist die Bezeichnung für die in Süd- und Mitteljütland eingewanderten deutschstämmigen Familien, die zwischen 1759 und 1762 auf Einladung des dänischen Königs aus Baden, Württemberg, der Pfalz und Hessen die jütländischen Heidelandschaften urbar gemacht haben.
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In Dänemark ist „Kartoffeltyskerne“ keineswegs eine herabsetzende Bedeutung – sie leitet sich vielmehr von der Tatsache ab, dass die Einwanderer die Kartoffel als Lebensmittel eingeführt und in der bis dahin unbewirtschafteten Heidelandschaft erfolgreich kultiviert haben.
Seit 2002 kommt es zu regelmäßigen Treffen
Die Familien aus Beedenkirchen, Reichenbach, Elmshausen und anderen Orten des Lautertals hießen Bitsch, Dürr, Kriegbaum oder Schönheider. Andere Auswanderer kamen aus Schönberg, Gronau, Raidelbach, Knoden und Schannenbach. Über 100 Familien emigrierten damals aus wirtschaftlichen, teils aber auch aus religiösen Gründen.
Ihre Nachfahren sind heute in einem großen Verein organisiert, der immer wieder Fahrten in die alte Heimat organisiert. Besondere Kontakte gibt es zur evangelischen Kirchengemeinde Reichenbach und dem Verschönerungsverein (VVR). Mit beiden kommt es seit 2002 zu regelmäßigen Treffen.
Die evangelische Kirche aus dem Jahr 1748 ist hier ein beliebtes Ziel, da sie während der Zeit der Auswanderung erbaut worden war. Als sich die Menschen 1759 auf den langen Weg aus dem Odenwald nach Jütland machten, war der Bau gerade einmal elf Jahre alt, eingeweiht am 2. Juli auf Maria Heimsuchung.
Gruppe war eine Woche in Deutschland zu Besuch
Die Tagestour in diesem Jahr führte knapp 40 Besucher zum Friedhof in Schlierbach mit seinen typischen Stickelgräbern, bevor man sich in Elmshausen auf die historischen Spuren der Auswandererfamilie Bitsch begab. Begrüßt wurde die Gruppe im Alten Rathaus von Ortsvorsteher Walter Kirschbaum. An der Reichenbacher Kirche wartete bereits Küsterin Tatjana Bauer.
Danach ging es weiter zum Felsenmeer-Informationszentrum (FIZ) am Fuße eines der beliebtesten touristischen Ziele im Unesco-Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald. Bei dem aus Zeitgründen recht kurzen Aufenthalt erfuhren die Gäste einiges über die römische Steinbearbeitung, die neuzeitliche Stein-industrie und die geologischen Besonderheiten des vorderen Odenwalds.
Im Brandauer Kirchenbüro konnten die Gäste in den Kirchenbüchern der evangelischen Kirchengemeinde Neunkirchen blättern, zu der früher fast alle Ortsteile gehörten. Die Dokumente reichen bis zum 30-jährigen Krieg zurück. Weiterer Stopp war das Waldenser-Museum Rohrbach, wo Carola Lautenschläger über die Biografie der Gemeinde informierte. In Lautertal wurden die Gäste unter anderem von Simone Meister (VVR) begleitet. Die Gruppe war eine Woche in Deutschland und weilte unter anderem auch in den Bensheimer Ortsteilen Schönberg und Gronau.
Forschung nach weiblichen Auswanderern begonnen
Aksel Kramer ist seit über zehn Jahren Präsident des über 600 Mitglieder großen Vereins „Die Kartoffeldeutschen auf der Ahlheide“ (Kartoffeltyskerne pa Alheden) und Nachfahre von Odenwälder Auswanderern in siebter Generation. Zum wiederholten Mal war er dieses Jahr mit einer Reisegruppe auf den Spuren seiner Vorfahren unterwegs.
In der Regel sind sie alle zwei Jahre in Deutschland unterwegs, um mehr über ihre Ahnen herauszufinden. Da die Biografien der meisten männlichen Auswanderer – soweit möglich – erschöpfend aufgearbeitet sind, beginnt der Verein nun mit der Forschung nach den weiblichen Auswanderern – was sich aufgrund von Namensänderungen durch Eheschließungen ungleich schwieriger gestalten dürfte.
In Grønhøj bei Viborg gibt es ein kleines Museum, wo ihre Geschichte erzählt wird – auch in deutscher Sprache. Einige Lautertaler waren dort bereits zu Gast. 2009 reiste eine Gruppe aus Reichenbach, Zell, Schlierbach und Ellenbach zur 250-Jahr-Feier nach Grønhøj. In den vergangenen Jahrzehnten entstanden auf diese Weise etliche Kontakte von Bergsträßer Bürgern nach Dänemark.
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