Lautertal. Zu den traditionellen Festen im Lautertal gehört die Kirchweih, die in dieser Gegend kurz „Kerb“ genannt wird. Aus Reichenbach ist bekannt, dass sie schon im 17. Jahrhundert gefeiert wurde, selbst Kriegszeiten hielten die Menschen nicht von ihrer Kerb ab. In Elmshausen finden sich Kerb-Bilder aus dem Jahr 1925. Auf dem einen Bild zieht eine Blaskapelle durch den Ort und auf dem anderen Bild stehen Menschen in einer Gruppe vor einer Treppe, was vermuten lässt, dass schon damals Geschichten zum Besten gegeben wurden.
Auch in Gadernheim hat die Kerb eine lange Tradition und soweit es möglich war, wurde selbst in Kriegszeiten gefeiert. „In Beedenkirchen wurde schon immer Kerb gefeiert“, weiß Uschi Weisz, die schon sehr lange zum Kerweteam gehört. „Allerdings nur in den örtlichen Lokalen“. Ein Karussell, Schiffschaukel und Süßwarenstand gehörten dazu.
Kerwe-Termine 2022
Zu folgenden Terminen sind dieses Jahr die Kerwe-Feiern in Lautertal geplant.
Elmshausen macht den Anfang am Freitag, 12. August. Das Programm endet am 20. August mit der Nachkerb.
Am 26. August geht dann die Reichenbacher Kirchweih los, sie geht bis zum 29. August.
Die Beedenkirchener feiern ihre Kerb vom 17. bis zum 19. September.
Die letzte Kerb des Jahres findet dann in Gadernheim statt: Sie ist geplant vom 8. bis zum 10. Oktober.
Wichtig bei allen Veranstaltungen ist, dass Menschen bereit sind, die Organisation zu übernehmen. Das hat nicht immer funktioniert. Meistens haben es sich die Gaststätten aber nicht nehmen lassen, einen Tanzball anzubieten.
Feste Zeiten im Jahreslauf
Die Zeiten, wenn Kerb gefeiert wird, liegen seit vielen Jahren fest. In Elmshausen ist es das zweite Wochenende im August, in Reichenbach der letzte Sonntag im August. Am dritten Wochenende im September feiert Beedenkirchen und am zweiten Wochenende im Oktober Gadernheim. In aller Regel feierten die Bürger der einzelnen Ortschaften nicht nur unter sich, sondern hatten immer Besuch aus den Nachbarortschaften – so manche Ehe hat sicherlich ihren Ursprung bei einer dieser Kerb-Tanzabende.
Die Kerb ist im Jahreslauf in vielen Ortschaften etwas Besonderes, das auch einer guten Vorbereitung bedarf. Sowohl für den Ort wie auch für jeden Einzelnen, denn für die Kerb werden Haus und Hof geputzt – selbst heute ist noch selbstverständlich, vor dem Kerwesonntag den Gehweg zu fegen. Birkenreisige schmücken so manche Ortschaften. Das gehört in Beedenkirchen dazu, in anderen Ortschaften gibt es das nur zu besonderen Jubiläen. Sie werden in Blechdosen gestellt und mit bunten Bändern geschmückt. Fahnenschmuck an den Häusern gehört in einigen Ortschaften ebenfalls zum guten Ton bei der Kerb.
Ist der Ort herausgeputzt, kann die Kerb beginnen. Fleißige Hände flechten einen Kranz, der mit Blüten und Bändern geschmückt wird. In jedem Ort gehört ein Kerwekranz zu den Symbolen der Kerb. In Elmshausen kommt am Freitag die Kerbjugend auf dem Sportplatz zusammen. Der Kranz wurde an einem Mast befestigt, der nun auf dem Sportplatz liegt und darauf wartet, aufgestellt zu werden. Starke junge Männer übernehmen die Aktion. Wenn der Mast steht und die Bänder im Wind flattern muss er begossen werden – mit einer Flasche Wein, was die in dem jeweiligen Jahr amtierende Kerwekönigin übernimmt.
In Reichenbach findet der Kerwekranz seinen Haken an der Hausfront des Gasthauses Zur Traube. Mit Fassbieranstich und Musik ist auch das eine besondere Aktion, die aber nur starten kann, wenn zuvor die im Vorjahr vergrabene Flasche Wein gefunden wurde.
Der Freitag gehört der Jugend
In Gadernheim beginnt die Kerb ganz klassisch mit einem Gottesdienst und dann ziehen alle zur Heidenberghalle um zu feiern. In Beedenkirchen gehört der Gottesdienst zum Start in die „Kirchweih“ dazu. Doch wirklich Starten kann die Kerb auch dort, wenn die im Vorjahr vergrabene Weinflasche gefunden ist. Dann läuten die Kirchenglocken und laden zum Gottesdienst ein.
Der Freitagabend ist in allen Ortschaften der Abend für die Jugend, Bands spielen auf und erfüllen den Geschmack der jungen Generation. Lange Jahre bot in Reichenbach der Schützenverein einen Disco-Abend an, der später in die Turnhalle im Brandauer Klinger verlegt wurde.
Doch eine Kerb ist für alle Altersklassen, und so wird in Reichenbach für Samstag zum Tanz mit entsprechenden Musikgruppierungen eingeladen. Der Hof der Gaststätte Zur Traube ist ein zentraler Treffpunkt. Alle anderen Gaststätten haben auch geöffnet. In Elmshausen ist der Kerweplatz heute am TSV-Sportplatz. Am Freitag trifft sich die Jugend und Elmshäuser in allen Altersgruppen kommen samstags zum Tanz zusammen, der von der Kerbjugend eröffnet wird.
Ebenfalls am Sportplatz ist während der Kerb auch in Gadernheim das Meiste los. Freitags übernimmt der Kerweverein die Organisation, am Samstag bereitet der TSV den Abend vor. Etwas Besonderes ist in Beedenkirchen die Kerweparty der Kerbjugend am Freitag nach dem Gottesdienst. Aufwendige Dekorationen im Dorfgemeinschaftshaus lassen den Abend zu einem Glanzpunkt werden. Die Organisation zum Kerbtanz am Samstag übernimmt die Feuerwehr. Am Sonntag kann ausgeschlafen werden.
Zum klassischen Programm gehört in allen Ortschaften der Kerbzug mit humorigen, politischen oder gesellschaftlichen Themen. Viel Lokalkolorit ist zu finden, teils auch Themen, die sich später in der Kerweredd wiederfinden. Musikgruppen gehören ebenfalls zum Umzug.
Die Vereine unterstützen die Umzüge, so manche Bastelstunde wurde zuvor in Garagen und Scheunen verbracht. Gerne kommen auch Kerwegruppierungen aus den Nachbarortschaften. Bis zu 40 Motive können die Umzüge haben. Angeführt werden sie von der Kerbjugend.
Zum Umzug gehören markante Gebäude der Ortschaften wie die Kirche oder das Rathaus sowie die Symbolfiguren, der Kerweparrer und Mundschenk (manchmal Glöckner genannt). Ihre Aufgabe ist es, nach dem Umzug die Kerweredd zu halten, mit lustigen Geschichten über Menschen des Ortes. Das war aber nicht immer so.
Wechselvolle Geschichte
Zum Organisieren von Umzug und zum Schreiben und Vortragen einer Kerweredd braucht es Menschen, die diesen Job übernehmen wollen. Deshalb haben die Lautertaler Kerweveranstaltungen in den vergangenen Jahrzehnten eine wechselvolle Geschichte erlebt. In Elmshausen fand sich in den 70er und Anfang der 80er Jahre niemand, der eine Kerb organisierte. Ende der 80er Jahre fanden sich Jugendliche zusammen und gründeten 1989 die Kerbjugend Elmshausen. Sie belebten die Kerb, es gab wieder einen Umzug und eine Kerweredd.
Auch in Reichenbach drohte die Kerb einzuschlafen. In den Gaststätten wurde gefeiert, doch es gab keinen Umzug und keine Rede. 1985 organisierten Albrecht Kaffenberger und Peter Kindinger den ersten Umzug seit Jahren, ein Jahr später gab es in Reichenbach am Marktplatz einen kleinen Rummel. Mitte der 90er Jahre kümmerte sich Ortsvorsteherin Margarete Sauer darum, dass Kerweparrer und Glöckner aufleben – seitdem gibt es auch eine Kerweredd. 1996 gründete sich in Reichenbach der Kerweverein und seitdem bietet am Montag die Feuerwehr einen Frühschoppen an.
In Gadernheim ruhte die Kerb in den 70er und 80er Jahren. 1997 wurde sie wiederbelebt, seitdem gibt es einen Umzug und eine Kerweredd. Seit 1999 gibt es in Gadernheim einen Kerweverein. In Beedenkirchen wurde bis 1984 in den Lokalen gefeiert. Fritz Hechler kam dann auf die Idee, die Tradition des Kerweumzuges und der Kerweredd wieder ins Leben zu rufen. Seine Idee fand großen Zuspruch und viele Unterstützer. Nach 26 Jahren Pause rollte dann wieder einen Kerweumzug durch die Straßen. Am Gasthaus Zur Linde verlasen Kerwemodder und Kerwevadder von einem Holzpodest vor einem großen Publikum die Kerweredd. Damals gründete sich in Beedenkirchen ein Kerweausschuss.
Aufräumen nach der Feier
Seit nunmehr rund 30 Jahren wird in Lautertal wieder Kerb im traditionellen Sinn gefeiert. Derzeit ist in Elmshausen seit 2018 Florian Geschwind Kerweparrer und Bianca Jäckel Mundschenk. In Reichenbach sind Moritz Roth und Jan Lukas Stuckert abwechselnd Kerweparrer und Mundschenk. In Gadernheim Lea Crößmann Kerweparre und Ronja Herrmann Mundschenk. In Beedenkirchen ist Lukas Buchner der Kerweparrer, ein Kerweglöckner wird derzeit gesucht.
Ansprechpartner für die Kerb sind in Elmshausen Manuel Vetter und Dennis Delp, in Reichenbach ist Markus Schneider der Vereinsvorsitzende und in Gadernheim Stephan Ramge. In Gadernheim wird die Organisation der Kerb vom Vereinsring unterstützt. In Beedenkirchen sind es Sabrina Jährling für den Kerweausschuss, Laura Weiz für die Kerwejugend und Lukas Buchner für die Kerweredd. Die Beedenkirchner haben sich gegen die Gründung eines Vereins entschieden. „Niemand muss bei uns Mitglied werden, jeder kann mitmachen“, so Uschi Weisz. Das Feiern organisieren Vereine und Gasthäuser, alle Fäden laufen beim Kerweausschuss zusammen. Sie alle nehmen sich am Kerwewochenende Zeit, meist auch Urlaub, und sind im Ort zu finden.
Der Abschluss jeder Kerb ist der Frühschoppen. Die Feuerwehren in Elmshausen und Reichenbach öffnen ihre Tore. In Gadernheim sind die Gaststätten, das TSV-Vereinsheim und private Einkehrmöglichkeiten geöffnet. In Beedenkirchen wird nochmals in der Gaststätte Zur Linde gefeiert, hier im überdachten Hof. „Das Feiern in den Gaststätten und auf dem Kerweplatz ist nach wie vor Haupt-Treffpunkt am Sonntag und Montag für die Kerwegemeinschaft“, erläutern Buchner und Weisz. Aktiv ist im Ort auch das Lindenbar-Team, eine Gruppe ehemaliger Kerwedamen und -burschen.
Eine jede auch noch so schöne Kerb geht irgendwann zu Ende. Meistens ist am Dienstag Aufräumen angesagt. Die Reisige werden eingesammelt und später muss auch eine Weinflasche eingegraben werden.
Neben der Organisation der Kerb kümmern sich die Gruppierungen um weitere kulturelle Veranstaltungen. In Reichenbach organisiert der Kerweverein alle zwei Jahre die Fastnacht mit der Elferatssitzung. Eine Feier des 25-jährigen Bestehens vom Reichenbacher Kerweverein gab es im Juni mit einem Jahr Corona-Verspätung. Um Faschingsfeiern kümmern sich auch die Elmshäuser Kerbjugend gemeinsam mit der Feuerwehr. Das Teichfest, ein Weihnachtsmarkt und die Nachkerb gehören ebenfalls zum Programm. Fasching wird auch in Beedenkirchen dank des Kerweausschusses gefeiert. Die Mitglieder des Kerweausschusses waren auch dabei, als die 975- und später die 1000-Jahr-Feier von Beedenkirchen anstand. Feiern und Zusammenkommen, das haben sich alle Kerwefans auf die Fahnen geschrieben. Die letzten beiden Jahre waren für alle kein Spaß und nun hoffen sie wieder auf normale Zeiten. Von Kerwemüdigkeit ist in keinem Ort etwas zu spüren.
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