Reichenbach. Am Felsenmeer in Reichenbach hat die Arbeitsgemeinschaft Altbergbau in einem besonderen Projekt Eisen aus Erz gewonnen - geschmolzen in einem sogenannten Rennofen nach keltischer Art.
Nicht aus Eigennutz, so Diplom-Geologe Jochen Babist von der Arbeitsgemeinschaft Altbergbau Odenwald, sondern für das Bensheimer Museum habe man das Projekt „Eisenverhüttung wie bei den Kelten“ gestartet. In Bensheim zeigt das Museum momentan im Rahmen einer hessenweiten Landesaktion die Ausstellung „Kelten Land Hessen - Die Kelten an der Bergstraße“. Fünf Tage lang musste sich die Arbeitsgemeinschaft beim Aufbau ihres Versuches zur Hochmittelalterlichen Verhüttung von Eisenerz mit einem Rennofen mit den Widrigkeiten des Wetters auf dem Parkplatz vor dem Felsenmeer-Informationszentrums (FIZ) auseinandersetzen.
Ein großer Marktschirm und ein größeres Partyzelt konnten wenigstens ein Teil der Gerätschaften und den Ofen aus Lösslehm während des Aufbaus vor Feuchtigkeit schützen. Das Team um Babist leistete gute Arbeit. Der Rennofen war rechtzeitig fertiggestellt und konnte angeheizt werden. Bereits am Morgen begann die schichtweise Befüllung des Schmelzofens, abwechselnd mit Holzkohle und Odenwälder Eisenerz, das zuvor zerkleinert und „geröstet“ worden war.
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Mit Hilfe eines nicht ganz stilechten elektrischen Gebläses wurde entsprechen angefeuert, um die notwendige Temperatur bis 1200 Grad zu erzielen. Historische, handbetriebene Blasebälge zu verwenden, sei man „zu faul“ gewesen, gestand Jochen Babist schmunzelnd. Im Laufe des Nachmittags füllte sich der Platz um das für den Versuch abgesperrte Areal mit zahlreichen interessierten Gästen, darunter einige Gemeindepolitiker und Mitarbeiter des FIZ.
Neben Babist begrüßte Museumsdirektor Dr. Christoph Breitwieser zu dem außergewöhnlichen Versuch in Reichenbach, der zum ersten Mal mit zahlreichen Kooperationspartnern wie die Gemeinde Lautertal, das Felsenmeer-Informationszentrum, die Hessen-Archäologie und dem Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald stattgefunden habe.
Bensheim sei der einzige Ort, der sich südlich des Mains an der hessenweiten Landesaktion am Thema Kelten beteilige. So wollte man mit Reichenbach noch einen weiteren Ort ins Boot holen. Die technische Nutzung von Eisen durch die Kelten sei ein großer Knall nach der Bronzezeit gewesen, so der Museumsfachmann. Mit der Verhüttung von Raseneisenstein im Rennofen konnten härtere Gegenstände als aus Bronze geschaffen werden, wie etwa der Eisenpflug, der viel besser funktionierte als der Holzpflug. Durch die folgende wirtschaftliche Entwicklung bildete sich die Oberschicht der Fürsten heraus. Das Eisen sei ausschlaggebend für die gesellschaftliche Entwicklung bis heute gewesen.
Schon die Kelten seien in einer globalisierten Welt unterwegs gewesen und hätten Beziehungen über ganz Europa und Kleinasien gepflegt, wie Verzierungen an Waffen oder Schmuckstücken aus Korallen belegten. Für die Eliten wurden Schwerter aus Eisen nicht nur als Insignien der Macht, sondern tatsächlich auch für Kampfeinsätze angefertigt. Mit dem Eisen konnten so bedeutende Werkzeuge wie Hammer und Meißel, Stößel und Punzen zum Verzieren von Schmuck, geschaffen werden. Eisen bezeichnete Breitwieser als „Glücksbringer dieser Zeit“. Der Fund von keltischen Düsenöffnungen eines Rennofens in Auerbach war der Beweis für Eisenverhüttung in unserer Region und Anlass zu dem Versuch jetzt in Reichenbach. Über diese Öffnungen wurde mittels Blasebälge mit Anschlussteilen aus feuerfestem Ton Luft in die Öfen geblasen.
Nach einer langen Zeit des Wartens, waren sich die Fachleute der Arbeitsgemeinschaft einig, dass man den Ofen jetzt anstechen könne. Durch die Öffnung am Grund des Ofens „rann“ (daher der Name Rennofen) jedoch keine flüssige Schlacke. Nach der Zerlegung des Ofens kam eine mehr oder weniger geschlossene „Luppe“ (Eisenschicht) in der Glut unter dem Beifall der Zuschauer zum Vorschein. Diese wurde gleich mit einem Hammer bearbeitet. Eigentlich hätte noch ein Ausschmieden des Eisens, also Beseitigung von Schlacke in einer Feldesse erfolgen müssen.
Beim Anblick der Trümmer des Ofens sagte Jochen Babist nach dem Ende des historischen Versuchs in Reichenbach, derartige Reste von zerstörten Rennöfen seien von den Archäologen gefunden und daraus auf Verhüttung von geschlossen worden. Zugleich begannen die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft zu diskutieren, was man beim nächsten Versuch besser machen könne.
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