Projekt „Belebte Friedhöfe“

Mehr Leben auf dem Friedhof in Reichenbach

Auch in Reichenbach wollen der Kreisseniorenbeirat und die Gemeinde aktiv werden. Eine Befragung ist am 6. Juli geplant.

Von 
Thorsten Matzner
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Auf dem Friedhof in Reichenbach gibt es am 6. Juli einen Informationsstand zum Projekt „Belebte Friedhöfe“. © tm

Reichenbach. Friedhöfe sind seit jeher nicht nur Orte der Trauer und der Besinnung, sondern sie sind auch Treffpunkte. Gleichzeitig unterliegen sie einem tiefgreifenden Wandel. Wo früher schier endlose Grabsteinfelder sich erstrecken, gibt es inzwischen große grüne Freiflächen. Die Entwicklung weg vom pompösen Familien- und schlichten Urnengrab hat die Anmutung der Friedhöfe in den vergangenen beiden Jahrzehnten deutlich verändert.

Das ist auch eine Herausforderung für die Gesellschaft, denn sie muss den Betrieb der Friedhöfe schließlich bezahlen. Das wird nicht nur wegen der allgemeinen Preissteigerungen immer mehr zum Problem. Denn wenn es weniger große Gräber gibt, kommt auch weniger Geld in die Kasse. Und die freien Flächen sind quasi ungenutztes Kapital und müssen von der Gemeinde gepflegt werden, während für die Gräber die Angehörigen zuständig sind.

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In Lautertal wird schon seit Jahren über die Entwicklung diskutiert. Befeuert wird dies auch durch die Kommunalaufsicht, die der Gemeinde ins Stammbuch geschrieben hat, dass sie ihre Friedhöfe kostendeckend betreiben soll. Dabei verweist die Kommune jetzt schon darauf, dass es sich bei den Friedhöfen nicht alleine um eine Sammlung von Grabstätten handelt, sondern quasi um Stadtparke.

Ein zentraler Treffpunkt ohne Alternative

Bürgermeister Andreas Heun verweist auf das Beispiel Reichenbach. Hier gebe es im Ortsmittelpunkt kaum Treffpunkte und es gebe schon gar keinen zentraleren und schöner gelegenen als den Friedhof. Dem wollen die Gemeinde und der Kreisseniorenbeirat nun mit einem Projekt Rechnung tragen, das den nur vordergründig widersprüchlichen Titel „Belebte Friedhöfe“ trägt.

Belebt sind die Friedhöfe bereits jetzt, wie sich bei einem Gang über die Anlagen schnell feststellen lässt. Das auszubauen und zu institutionalisieren, ist das Ziel des Kreisseniorenbeirats. Anna Elisabeth Bormuth, die stellvertretende Vorsitzende, schränkte aber ein: „Es gibt kein Remmidemmi. Das verbietet sich von selbst.“ Und die Vorsitzende Susanne Hagen betonte: „Die Würde des Ortes soll gewahrt bleiben.“

Was dem Beirat und Bürgermeister Heun vorschwebt, sind behutsame Veränderungen. Das könnte zum Beispiel eine neu angeordnete Sitzgruppe sein. Es könnten Treffen bei Kaffee und Kuchen sein. Heun kann sich auch vorstellen, ein Schachfeld oder einen Bouleplatz einzurichten. Aber immer in dem Bewusstsein, dass die Grabfelder und die Bereiche, in denen sich der Friedhof zu einem Park für alle Generationen entwickeln könnte, klar getrennt sein müssten. Dass ein Boulefeld nicht direkt neben den Gräbern möglich sei, sei klar. Es gebe aber große freie Flächen, die für solche Zwecke genutzt werden könnten, sagte Heun.

„Den Leuten soll nichts aufgedrängt werden“

Dass es in den eher konservativ geprägten Dörfern viel Skepsis gegenüber solche Ideen geben könnte, ist den Beteiligten klar. Deshalb solle das keinesfalls den Leuten aufgedrängt werden, stellte Hagen klar. Und daher plant der Kreisseniorenbeirat für Samstag, 6. Juli, eine Befragung auf dem Friedhof. In der Zeit zwischen 9 und 11 Uhr gibt es dort einen Informationsstand, an dem der Kreisseniorenbeirat mit den Bürgern ins Gespräch kommen will über die Ideen. Weitere Anregungen sind dabei willkommen.

Das Projekt ist nicht auf Reichenbach beschränkt. Sechs Friedhöfe sind dabei, darunter auch die in Fehlheim, Schwanheim und Fürth. Auf allen wird es am 6. Juli Informationsstände geben.

Die Ideen der Bürger seien gefragt, sagte Susanne Hagen. Dabei könne ausdrücklich jeder mitmachen, Anmeldungen seien nicht nötig. Und es sind auch nicht nur die Senioren gefragt, auch wenn der Kreisseniorenbeirat die Sache angestoßen hat.

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Dort wurde die Idee im vergangenen Jahr aufgrund von Fernsehberichten entwickelt, wie Susanne Hagen berichtete. „Wir wollen etwas gegen Einsamkeit und soziale Isolierung tun.“ Friedhöfe als traditionelle Orte der Kommunikation sollte als solche aufgewertet werden.

Dabei sei der Beirat zunächst auf Skepsis gestoßen. Ein erster Vorstoß durch eine Kontaktaufnahme zu den Kirchen sei im Sande verlaufen. „Mittlerweile wollen ganz viele mitmachen“, freut sich Hagen. Die Stadt Lampertheim sei sogar schon ganz ohne eine Befragung vorgeprescht. Das ging dem Beirat zu schnell, er will auf jeden Fall erst einmal mit den Bürgern sprechen.

Anna Elisabeth Bormuth freut sich, dass der Friedhof in Reichenbach zu denen gehört, wo das Projekt anlaufen soll. Sie hat auf einem Friedhof in Norditalien einige Ideen gesammelt, so wie die Mitglieder des Kreisseniorenbeirats insgesamt sich einige Friedhöfe auch in der näheren Umgebung angeschaut haben.

Nach der Befragung will der Beirat schnell an dem Thema weiterarbeiten. Bis Oktober sollen die Ergebnisse vorliegen, kündigte Susanne Hagen an.

Info: Informationsstand des Kreisseniorenbeirats am Samstag, 6. Juli, in der Zeit von 9 bis 11 Uhr auf dem Friedhof in Reichenbach

Redaktion Lokalredakteur Lautertal/Lindenfels

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