Kirschhausen. Der Protest am Rand der B460 war unübersehbar: Rund hundert Einwohner Kirschhausens, Sonderbachs, Wald-Erlenbachs sowie aus Mittershausen und Scheuerberg haben am Samstagmorgen gegen die Entscheidung der Sparkasse Starkenburg demonstriert, die Filiale in Heppenheims größtem Stadtteil Kirschhausen Ende dieses Monats zu schließen (wir haben berichtet).
Große Hoffnungen sind weder mit dem Gang an die Öffentlichkeit noch mit einer Unterschriftensammlung verbunden, die gestartet wurde: Kirschhausens Ortsvorsteher Peter Engelhard musste nach einem Telefonat mit Sparkassenchef Jürgen Schüdde mitteilen, dass sich an den Plänen wohl nichts mehr ändern wird.
Um ein Stück Selbstständigkeit gebracht
Vor allem – aber nicht nur – betagte Bürgerinnen und Bürger fühlen sich damit um ein Stück Selbstständigkeit gebracht: Sie tun sich oft schwer mit dem Internet, können mit „Onlinebanking“ nichts anfangen und sind auf die Hilfe von Angehörigen, Nachbarn, Freunden angewiesen.
Betroffen sind Menschen wie Maria Guthier, die sich wenige Tage vor ihrem 97. Geburtstag auf ihrem Seniorenmobil zur Demonstration aufgemacht hatte. Für sie ist die Filiale nicht nur der Ort, an dem sie seit 1997 Bargeld vom Rentenkonto holen oder Überweisungen tätigen konnte, für sie ist die Filiale auch ein Ort sozialer Begegnungen. Und sie will kämpfen: „Wir sollten uns das nicht gefallen lassen.“
Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"
„Lasst uns die Automaten“, „Die Automaten müssen bleiben“ und „Denkt an die Zukunft“ war auf den Schildern zu lesen, die einige der Demonstrationsteilnehmer Autofahrern entgegenstreckten, die auf der Siegfriedstraße unterwegs waren und sich über den Menschenauflauf gewundert haben dürften. In einer Blitzaktion hatte man sich am Mittwochabend in der Alten Schule getroffen, um eine gemeinsame Aktion auf die Beine zu stellen.
Dass es trotz der kurzen Zeitspanne gelang, so viele „Vierdorfler“ (die betroffenen Stadtteile bildeten bis in die Siebziger eine eigenständige Gemeinde) für den Protest zu mobilisieren, war wohl auch den sozialen Medien zu verdanken, in denen sich die Pläne rasch verbreiteten.
Anton Gölz: "Es ist ein herber Verlust"
Unter denen, die ihrer Empörung Ausdruck verliehen, waren Gabi Pfeifer, Bärbel Jäger und Thomas Eck, die Ortsvorsteherinnen beziehungsweise der Ortsvorsteher von Mittershausen-Scheuerberg, Wald-Erlenbach und Sonderbach.
Im Vorfeld des Protestes hatte sich Anton Gölz, Vorsitzender des Heppenheimer Seniorenbeirats, in einem Brief an Bürgermeister Rainer Burelbach gewandt, der auch Vorsitzender des Verwaltungsrats der Sparkasse ist.
Gölz hatte darauf verwiesen, dass die Schließung „einen herben Verlust“ bedeute – nicht nur für Alte. Und die Frage gestellt, welchen Sinn das Aus der Filiale in Kirschhausen mit einem Umfeld von circa 4000 Einwohnern ergebe. Zumal der nächste Geldautomat künftig in mehr als vier Kilometern Entfernung zu finden sein wird.
Dass es in Zeiten, in denen Kirschhausen noch deutlich kleiner war, sogar zwei Bankfilialen gab (Sparkasse und Vereinsbank), lässt bei Älteren wie Herbert Mender den Frust noch stärker ausfallen: „Uns bleibt für Bankgeschäfte nur noch die Fußgängerzone, da soll ja anscheinend jetzt alles hin.“ Wie schon einmal vor rund 25 Jahren.
Damals, erinnert sich einer der Protestierer am Rand der Veranstaltung, sollte die Sparkassenfiliale – die zu diesem Zeitpunkt noch in einem kleinen Flachbau einige Meter von der jetzigen Filiale entfernt – schon einmal geschlossen werden. Der Kirschhäuser Herbert Schäfer, selbst Mitarbeiter der Bank, habe sich damals dafür eingesetzt, dass diese erhalten blieb.
Bereits vier Wohnungen vermietet
2023 ist die Situation allerdings eine andere und das Geldinstitut sieht sich – nicht nur aus Kostengründen – zu einem Kurswechsel veranlasst. Stichworte sind Internetnutzung, Fachkräftemangel, aber auch die Sprengungen von Geldautomaten durch kriminelle Banden spielen eine Rolle: Über der Kirschhäuser Filiale beispielsweise sind vier Wohnungen vermietet.
Ein Plakat im Eingangsbereich der Filiale lässt kaum einen Zweifel daran, dass alles Protestieren vergeblich sein dürfte: „Besuchen Sie uns ab dem 2. Mai 2023 in der Filiale Starkenburg“, heißt es da.
In „Vierdorf“ kann man jetzt nur noch darauf hoffen, dass der angekündigte Supermarkt bald kommt: Hier könnte man dann wohnortnah wenigstens einige Euro Bargeld abheben, um in Bäckerei und Metzgerei, den letzten verbliebenen Geschäften im Stadtteil, die Brötchen und das Stück Fleischwurst ohne Girocard bezahlen zu können. jr/ü
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/heppenheim_artikel,-heppenheim-sparkassen-schliessung-in-kirschhausen-sorgt-fuer-aerger-_arid,2073910.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/heppenheim.html