Heppenheim. Das erste Heppenheimer Gastspiel der renommierten amerikanischen Pianistin Claire Huangci hätte eigentlich bereits im April 2020 stattfinden sollen. Doch Corona kam dazwischen. Beim Nachholtermin im Februar 2022 stand dann der Kurfürstensaal noch nicht wie geplant wieder zur Verfügung.
Mit dreijähriger Verspätung klappte es jetzt endlich: Die Bergsträßer Premiere der 1990 nahe New York geborenen und mittlerweile in Frankfurt lebenden Tochter chinesischer Eltern war zugleich das Saisonfinale der Kammerkonzertreihe von Forum Kultur. Dafür wählte Huangci ein attraktiv erneuertes Programm: Statt Brahms’ Händel-Variationen und Liszts Solofassung von Beethovens Pastoralsinfonie erklangen mit Beethovens „Waldstein-Sonate“, drei Rachmaninow-Préludes und Mussorgskys Zyklus „Bilder einer Ausstellung“ einige der populärsten pianistischen Repertoirehits überhaupt.
Effektvolles Eingangsstück
Nur Bachs frühe D-Dur-Toccata BWV 912 hatte die Gewinnerin des zweiten Preises beim Münchner ARD-Wettbewerb 2011 und des ersten Preises beim ähnlich angesehenen Züricher Concours Géza Anda 2018 als effektvolles Eingangsstück aus dem ursprünglichen Programm übernommen. Schon hier zeigte sich Huangci als ungemein energiegeladene Virtuosin, die ihre Lust an knackig-sattem Sound und drängender Bewegung stets authentisch auslebt. Dass diese erfrischend freizügige Musik das Werk eines experimentierfreudigen jungen Komponisten ist, konnte man hier tatsächlich hören.
Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"
In Beethovens 1804 entstandener „Waldstein-Sonate“ C-Dur opus 53 entfesselte die bereits mit einem runden Dutzend CD-Aufnahmen hervorgetretene Amerikanerin dann eine überbordende spieltechnische Bravour, wie sie ihr gerade bei diesem extrem anspruchsvollen Stück wohl nur wenige Pianistinnen der jüngeren Generation nachmachen dürften. Der das Instrument fast sprengende orchestrale Furor des Werkes kam besonders in den kompromisslos beschleunigten Ecksätzen heraus: ein wahrer Beethoven-Sturm, bei dem die nur wenig beruhigende „Introduzione“-Überleitung zum Finale allerdings durchaus etwas mehr lyrische Vertiefung hätte vertragen können.
Pianistenlegende Wladimir Krainjew attestierte einst dem Teenager Claire Huangci „die schnellsten Finger der Welt“. Rekordverdächtige 20 Minuten „Waldstein-Sonate“ lieferten dafür auch in Heppenheim bestes Anhörungsmaterial.
Ähnliche Eindrücke bescherte der russische zweite Programmteil, den drei Rachmaninow-Préludes eröffneten (cis-Moll opus 3/2, g-Moll opus 23/5, c-moll opus 23/7). Der aktuelle Komponistenjubilar (150. Geburtstag am 20. März) bekam bei Huangci eine modernistische Schärfe, die sich dann auch in ihrer abschließenden Wiedergabe von Mussorgskys Zyklus „Bilder einer Ausstellung“ (1874) konsequent fortsetzte.
Mit gewohnt unbestechlicher Präzision und souveräner dramaturgischer Intelligenz gelang der Pianistin ein imposantes Plädoyer für diese Urfassung, das in kapriziösen Kabinettstückchen wie „Tuileries“ oder „Limoges“ und in den beiden krönenden Power-Demonstrationen der letzten Sätze seine Höhepunkte hatte. Für den großen Beifall revanchierte sich Claire Huangci mit einem weiteren Reißer: „Alla Turca Jazz“ (1993) von Fazil Say (geboren1970), einer übermütigen Miniaturfantasie über das Finale aus Mozarts A-Dur-Sonate KV 331. /ü
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/heppenheim_artikel,-heppenheim-pianistin-claire-hunagci-mit-virtuoser-rasanz-ohne-grenzen-_arid,2076194.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/heppenheim.html