Heppenheim. „Bei den vielen Stellen, die wir auf dem Arbeitsmarkt haben, müssten wir eigentlich alle Schüler in eine Ausbildung bringen“, sagt Franz-Josef Fischer, geschäftsführender Vorstandsvorsitzender der Strahlemann-Stiftung, über den Arbeitsmarkt in Deutschland. Dennoch gibt es nach wie vor Probleme für Jugendliche, eine Ausbildung zu finden. Das hat ganz verschiedene Gründe, weiß Fischer. Mit dem Projekt „Talent Company“ der Stiftung soll seit elf Jahren Abhilfe geschafft werden und Schulabgänger eine Perspektive für ihre Zukunft bekommen. In diesem Jahr ist es bereits 20 Jahre her, dass der Strahlemann e.V. gegründet wurde. 54 Gründungsmitglieder gab es damals, erinnert sich Fischer. Seitdem gab es viele Projekte zu den Themen Bildung und Jobperspektiven rund um den Globus.
Als 2003 ein Bekannter aus Reichelsheim bei Fischer anrief und um Hilfe bat, ging dann auch die Arbeit innerhalb von Deutschland los. Der Bekannte, ein Lehrer, hatte 26 Hauptschüler in seiner Klasse, die alle keine Lehrstelle hatten. Fischer kam vorbei, lernte die jungen Leute kennen und nutzte sein Netzwerk, um die Schüler mit den verschiedensten Unternehmen wie Metzgereien oder Friseursalons zusammenzubringen. Bis zum Abschluss waren dann alle in Ausbildung oder hatten den Beschluss gefasst, noch die Mittlere Reife zu machen.
Ausstellung
Pietro Sutera, Fotograf und Strahlemann-Gründungsmitglied, steckt seit 2003 hinter den Bildern der jährlichen Strahlemann-Kalender.
Noch bis 31. Dezember ist im Heppenheimer Stadthaus eine Ausstellung mit ausgewählten Fotografien seiner Reise zum Strahlemann-Hilfsprojekt nach Nepal zu sehen. bib
Von da an ging es los: Bürgermeister aus diversen Kommunen meldeten sich, Fischer startete verschiedene Kooperationen. Doch irgendwann schaffte er es nicht mehr allein. So wurde 2008 schließlich die Strahlemann-Stiftung gegründet und hauptamtliche Mitarbeiter eingestellt. Zunächst in der alten Volksbank ansässig, zog die Stiftung 2011 an ihren jetzigen Standort in der Heppenheimer Mozartstraße.
Mittlerweile arbeiten rund 100 Unternehmen wie Unilever, ABB aber auch mittelständische Betriebe mit der Strahlemann-Stiftung zusammen. Sie finanziert sich über Spenden, die Einnahmen des jährlichen Kalenderverkaufs und die Zuwendungen ihrer Stifter.
„Wir sind Kümmerer“
„Ich glaube, dass wir eine ganz wichtige Aufgabe haben und wahrnehmen“, so Fischer. Mit dem Bildungsprojekt „Talent Company“ soll benachteiligten Kindern und Jugendlichen eine Perspektive gegeben werden. Hier werden sie bei Bewerbungen unterstützt und mit Unternehmen zusammengebracht. „Wir sind Kümmerer“, sagt Fischer. In dieser Woche eröffnet die 60. Talent Company in einer Frankfurter Schule.
Im Kreis Bergstraße gibt es derzeit vier Schulen mit einer Talent Company, eine davon in der Heppenheimer Martin-Buber-Schule. Für das Bildungsprojekt wird in den teilnehmenden Schulen jeweils ein Raum eingerichtet, der sich bewusst von den Unterrichtsräumen unterscheidet. Es solle um die Person gehen und ein notenfreier Raum sein, erklärt Fischer. An der „Job Wall“ stellen Unternehmen sich und ihre Ausbildungsberufe vor, im Seminar- und Workshopbereich können sich Unternehmen live vorstellen oder Workshops anbieten.
„Jeder Mensch hat ein Talent“, da sind sich Fischer und seine Tochter Celina Fischer, Büroleitung der Stiftung sicher. Doch oft werden die Schüler bei einer Bewerbung nur nach Noten beurteilt. Durch die Talent Company können Firmen auch mit Schülern in Kontakt treten, die sie sonst vielleicht ausgesiebt hätten. So hätte etwa einmal eine Schülerin ihre Traumausbildung in Aussicht gestellt bekommen, wenn sie sich durch Mathenachhilfe im Fach verbessern würde. Das Unternehmen zahlte dann die Nachhilfe.
Doch nicht nur Noten sind der Grund für einen steinigen Weg zum Beruf. „Den Schülern fehlt oft die Perspektive. Wir wollen Transparenz schaffen.“ Obwohl es einige hundert Ausbildungsberufe in Deutschland gibt, kennen viele nur die klassischen wie etwa Metzger oder Friseur, bedauert Celina Fischer. „Dabei gibt es so viel mehr.“
Oftmals mangelt es aber auch an der Unterstützung zu Hause, manchmal an den fehlenden technischen Möglichkeiten. Die Talent Company-Räume sind daher mit PCs und Druckern ausgestattet, mit denen die Schüler ihre Bewerbung drucken oder einfach per Mail versenden können.
Da die Talent Companies seit Ausbruch der Corona-Pandemie nicht wie gedacht funktionieren konnten, entwickelte die Stiftung gemeinsam mit JP Morgan das Projekt „talent elements“, das Berufsorientierungsmaßnahmen im digitalen Raum ermöglicht. Ab Januar 2023 soll es auch eine App geben, in der Firmen und Berufe ähnlich wie bei der Plattform Tiktok vorgestellt werden. Dieser digitale Baustein soll dann in jede Talent Company aufgenommen werden. bib/ü
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