Heppenheim. Es war der Traum von der Revolution, der Anno 1847 im Gasthaus „Halber Mond“ zu Heppenheim im Raum schwebte. Dort trafen sich einflussreiche Liberale, um der Freiheit das Wort zu reden. Der eine oder andere wird sich damals auch ein kühles Bier gegönnt haben. Um der trockenen Kehle willen. Heute sorgt Sebastian Guth (27) dafür, dass seinen Gästen ähnlich Gutes widerfährt. Der junge Braumeister aus Bensheim hat der alten Tradition der Bierbraukunst an der Ludwigstraße seinen Stempel aufgedrückt.
Unter dem gestrengen Blick des Freiherrn Heinrich von Gagern schäumt das diesjährige Winterbier in den Gläsern, die das ikonische Logo „Hepprumer 1847“ schmückt. Die Flaschen, in die der Gerstensaft erst vor kurzem abgefüllt worden ist, ziert das Gesicht des hessischen Revolutionärs, der einst hier im Gasthaus „Halber Mond“ auf die Freiheit angestoßen hat. Mit einem Bier? Man weiß es nicht. Sebastian Guth stört das nicht. Der Braumeister hat mit Hopfen und Malz für frischen Schwung in Heppenheim gesorgt.
Zuvor aber noch ein Blick in die Historie. Es trug sich im Jahre 1847 zu, dass unter dem selben Dach eine besondere Versammlung abgehalten ward. In „Hepprum“ legte ein Kreis aus Politikern, Kaufleuten, Journalisten, Winzern und Juristen, die sich dem liberalen Geist verbunden fühlten, einen Grundstein für die Frankfurter Nationalversammlung ein Jahr später. Die Wiege der deutschen Demokratie wurde sozusagen an der Bergstraße zum ersten Mal geschaukelt. Mit dem ein oder anderen Bier dazu. Das versteht sich.
Der Hopfen wird auf einem Feld bei Bensheim angebaut
Viele von den Herren, die sich an der Heppenheimer Tagung beteiligt hatten, zogen 1848 als Abgeordnete in das erste frei gewählte deutsche Parlament in der Frankfurter Paulskirche ein. Heinrich von Gagern, der das Gesicht des Heppenheimer Bieres im Jahre 2024 ist, wurde als der erste Präsident des Plenums gewählt.
Sebastian Guth fühlt sich mit seiner Braukunst der Region verpflichtet, in der im Übrigen auch der Hopfen wächst. Um an die nötigen Dolden zu kommen, hat er ein Feld über den Dächern von Bensheim angelegt. Im August stand die erste Ernte an. Die vielen Klicks auf Instagram lügen darob nicht: Der regionale Bezug des „Hepprumer“ ist den Menschen wichtig, der ob des heimischen Hopfens sowohl im Aroma als auch in der Schaumkrone enthalten ist. Ein Bier von hier mit Wiedererkennungswert, das der Braumeister in Heppenheim serviert.
Fast wäre daraus allerdings nichts geworden, denn ursprünglich wollte der aus einer alten Winzerfamilie kommende junge Mann einmal Bankdirektor werden. „Nach dem Praktikum stand für mich jedoch fest, dass ich einen anderen Weg einschlagen wollte“, erinnert er sich, dessen Mutter gelernte Winzermeisterin ist. Ihr Beispiel inspirierte ihn, sich anderweitig nach seiner Berufung umzuschauen, die er beim nächsten Praktikum in der „Woinemer Hausbrauerei“ auch schon fand.
„Ich bin der erste Bierbraumeister in meiner Familie“, bemerkt er lachend. Wein und Bier – das beißt sich nicht. „Es ist die Mischung aus Handwerk und Wissen, die mich an dem Beruf fasziniert“, erzählt er. Das Faible für Chemie und Biologie, das er schon in der Schule hatte, zahlte sich aus, denn die moderne Braukunst ist eine komplizierte Wissenschaft, die eine Menge Fingerspitzengefühl verlangt. Guth beschreibt seine Arbeit als eine beständige Suche nach der perfekten Verbindung aus Hopfen, Gerste, Malz und Wasser, die immer nur gut genug für ein gutes Bier sei. Seinen Meister hat er während der Pandemie in Ulm gemacht. Mit der im Oberschwäbischen erworbenen Qualifikation kehrte er in die südhessische Heimat zurück.
Ein Kollege gab ihm den Tipp, sich beim „Halben Mond“ in Heppenheim zu bewerben, wo gerade die Stelle des Braumeisters vakant war. Im November rührte er auch schon seine erste Maische an. Gebraut wird das „Hepprumer“ hier seit 2011, doch hatte sein Bekanntheitsgrad aufgrund der stetigen Wechsel der Braumeister gelitten. Das wollte Guth möglichst rasch ändern. Was die Degustation betrifft, führte er die schicken Sommelier-Gläser und die für die Mitnahme und Wiederbefüllung gedachten Siphon-Flaschen mit dem Branding 1847 ein.
Frische Biere halten nur etwa drei Monate
Sebastian Guth legt bei seinem Bier Wert auf Frische und Nachhaltigkeit. Aus diesem Grund fällt die Haltbarkeit seiner Produkte mit gerade drei Monaten geringer aus, als das bei den meisten anderen der Fall ist, die man im Handel bekommt. Die Reste aus der Herstellung der Maische gehen als Tierfutterspende an einen Hof in Schwanheim.
Für die jüngste Saison hat Guth Rezepte für ein helles Pils mit einer leicht süßlichen Note, ein nelkig-fruchtiges Weizen, und – passend zur dunklen Jahreszeit – ein Schwarzbier mit einem dezenten Kaffee-Aroma verfasst. Ein Brauvorgang nimmt zwischen drei und sieben Wochen in Anspruch, woraus bis zu 3000 Liter resultieren.
„Das Schwarzbier passt gut zu einem deftigen Mahl in unserem Gewölbekeller“, merkt Sebastian Guth bei einem Rundgang durch das Souterrain an, in dem auch die Brauanlage steht. Bei Interesse finden auch Braukurse für jedermann hier statt. Neben dem Duft nach dem reifenden Bier umweht den Besucher der Hauch der Geschichte. In diesen Mauern lässt es sich tafeln wie zu Zeiten eines Heinrich von Gagern. Und das Bier mit dem „Posterboy“ der Revolution gibt es als Bonus-Track dazu. mof/ü
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