Kultur

Kikeriki-Theater begeisterte in Einhausen mit origineller Version der Nibelungensage

Von 
Eric Horn
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Einhausen. Die Erwartung an Einhausen war klar formuliert: Ein Schmunzel-Publikum, das dem Geschehen auf der Bühne höflich amüsiert folgt und erst auf dem Nachhauseweg richtig ablacht, will man beim Kikeriki-Theater nicht. „Laut lachen!“, forderte Roland Hotz die Zuschauer auf, ehe der Theatermacher und sein an diesem Abend vierköpfiges Ensemble aus Darmstadt mit der Erzählung der „Nibelungenentzündung“ loslegten.

Einhausen tat wie ihm geheißen, ließ sich von dem Spiel mitreißen.

Das Kikeriki, laut Eigendefinition „nicht das beste aber das bekloppteste Theater Hessens“, servierte den rund 250 Besuchern am Samstagabend in der Mehrzweckhalle einen wilden Ritt durch das leicht abgeänderte deutsche Heldenepos in verschiedenen Sprachen: Hochdeutsch mit eigenwilligem metrischen Rhythmus, heimeliges südhessisches Gebabbel, kreatives südhessisches Englisch.

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Dass Letzteres gesprochen werden musste, lag am Begleitmusiker (Steffen Stütz). Der Tastenmann „aus Island“ beherrscht zwar keine Fremdsprache, aber Englisch geht halt immer. Die ganze „Nibelungenentzündung“ fühlte sich an wie ein Abend zwischen Stammkneipe, Heute-Show und einem kurzen Ausflug auf ARTE. Derbe Witze, Satire und ein bisschen Kultur.

Apropos Kultur: Wenn Kultur in den Ort kommt, geht man in den besten Klamotten hin. „Heut’ Abend ist das eher nicht der Fall“, ätzte Hotz beim Blick durch die Halle, während in den Stuhlreihen die nächste Bierflasche mit Bügelverschluss mit einem gut hörbaren „Plopp“ geöffnet wurde.

Erste Bierflasche fiel früh um

Bier beziehungsweise das Umwerfen von Bierflaschen war im Verlauf der gut zwei Stunden immer wieder Thema in der Mehrzweckhalle. Die erste Flasche fiel früh. In der ersten Reihe. Eine Vorlage, die Hotz sich nicht entgehen ließ. Er unterbrach die Darbietung und kommentierte die Szene live. Der „Vadder“ hatte das Bier umgeschüttet, die „Mudder“ wischte den Schlamassel mit Tempotaschentüchern auf. Dabei ging Mudder sehr sorgfältig vor. „Willst du die ganze Halle mit Tempos auslegen“, fragte Hotz leicht ungeduldig.

Zum Stück: Die allgemein bekannte Erzählung der Nibelungensage entspricht nicht in allen Details den historischen Ereignissen. Hotz, Detlef Kühner und Bernd Körner bedienten als Helden in Strumpfhosen die diversen auf langen Stöcken aufgespießten, originell gestalteten Blechfiguren der Nibelungengang und zeigten auf, wie es wirklich war damals im Nibelungenland.

Erstens: Siegfried und der Drache hatten was miteinander. Die Tötung des Drachens fand nicht statt. Der Drachen cremte den Xantener mit einer speziellen Lotion so lange ein, bis Siegfrieds Haut, Achtung südhessisch, „Vileda“ und damit besonders widerstandsfähig war.

Hagen war kein Mörder

Zweitens: Hagen hat Siegfried nicht ermordet. Es war Alberich, mehr oder weniger. Alberich und Siegfried verstanden sich privat gut, wechselten ins freundschaftliche Südhessisch, sprachen über ihre Wohnverhältnisse. Alberich: „Ich hab hinne raus e Gerdsche“ (Anmerkung Garten). Siegfried: „Ich hab vorne raus e Peterche“ (Anmerkung keine). Statt Tarnkappe erhielt Siegfried von Alberich Drogensaft und spießte sich im Rausch selbst auf.

Obwohl Einhausen wirklich alles gab, war Hotz bisweilen unzufrieden mit der Performance der Gäste. Etwa nachdem Alberich sich mit den Worten „Ich bin von der Seher-Gilde“ Siegfried offenbarte und dieser mit einem erstaunten „Ach, guck!“ antwortete. Reaktion des Publikums auf diesen Dialog: verhalten.

Hotz legte daraufhin den Siegfried beiseite und kam an den Bühnenrand gestapft. „Reißt euch zusammen, wir können nicht jede Pointe erklären.“

Kritik an der Mehrzweckhalle

Zwischen dem Nibelungenzeugs fand Hotz häufig Gelegenheit, Alltägliches zu thematisieren. Seine Zahnprobleme, seinen mächtigen Bauch (eine Silikon-Einlage), die dünnen Beine sowie den kleinen Allerwertesten seines Spielpartners Kühner oder das Taschenbillard-Phänomen bei alten gemütlichen Trainingshosen. Von der neuen Mehrzweckhalle als Spielstätte war Hotz ziemlich angetan. Im Großen und Ganzen. Ein paar Kleinigkeiten, wie etwa die Entfernung von der Künstler-Garderobe zur Toilette („vier Kilometer“), sind seiner Ansicht nach nicht optimal gelöst.

Auch die Farbe der Decke über der Bühne hell (weiß), und nicht dunkel (schwarz), hält er, da Blicke und Aufmerksamkeit des Publikums ablenkend, nicht für ideal, ließ er wissen.

Ob die Gemeinde Einhausen die kleinen Mängel beheben wird, bleibt abzuwarten. Vielleicht reicht es aber auch, den Boden der Halle mit Tempo-Taschentüchern auszulegen. Vorsichtshalber.

Redaktion

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