Einhausen. „Mann gegen Mann“ titelt das aktuelle Programm von Tobias Mann. Ein kabarettistischer Ego-Shooter, bei dem sich der Satiriker und Musiker das eigene Ich als Sparringspartner ausgesucht hat. Er gegen sich selbst – ein rhetorischer Clash, der mehr wütet als der schlimmste Shitstorm. Denn die härtesten Diskussionen führt Mann mittlerweile nicht mehr im Internet, sondern in seinem tiefsten Inneren, wie er im Gespräch mit dem Bergsträßer Anzeiger bestätig. Ein Konflikt mit dem Spiegelbild, der auf offener Bühne eskaliert und dem Publikum ungetrübten Voyeurismus bietet.
Mit seinen Texten und Liedern will der vielfach ausgezeichnete Kabarettist (Deutscher Kleinkunstpreis, Prix Pantheon, Salzburger Stier, Deutscher Comedypreis) auch in seinem 7. Bühnenprogramm das Publikum auf anspruchsvolle Weise unterhalten. „Die schnelle Pointe war nie mein Ding“, so der 47-jährige Mainzer, der sein Faible für die Fastnacht niemals verloren hat und dem Gonsenheimer Carneval-Verein nach wie vor die Treue hält.
In seinem Solo kommt er ohne Tusch und Narrenkappe aus. Tobias Mann stellt sich den existenziellen Fragen der Gegenwart und trägt den inneren Dialog in Echtzeit vor Publikum aus – sozusagen das öffentliche Finale einer intimen Gesprächstherapie. Am 22. Oktober ist das Ergebnis im Rahmen der Einhäuser Kleinkunsttage in der Mehrzweckhalle zu erleben. Veranstalter ist das Theater Sapperlot aus Lorsch. Karten sind noch erhältlich.
Die elementaren Fragen lauten: Wer bin ich? Woher komme ich? Wie löse ich (und andere) die Klimakrise – und warum das alles? Weshalb ist man in einer Zeit als Kabarettist unterwegs, in der es wieder Krieg in Europa, rechte Wahlgewinner und an jeder Ecke eine digitale Vergewaltigung gibt? Tobias Mann will seinen Zuschauern keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen vortäuschen, sondern sie an seinem privaten intellektuellen Clash teilhaben lassen: Dynamische Live-Reflexionen aus dem Hirnkasten, die gehaltvoller sind als 120 hirnlos dahingetextete Twitterzeichen.
Programm bleibt in Bewegung
Man reagiere in diesen Zeiten allgemein zu schnell und unüberlegt, so der Kabarettist, der E-Mails und andere Nachrichten mittlerweile gern eine Nacht liegen lässt, bevor er darauf antwortet oder diese kommentiert. Auch Fleisch ist in der Regel aromatischer, wenn es etwas abgehangen ist. Der Schuss aus der Hüfte verfehle meistens sein Ziel.
Eine gewisse Spontaneität ist dabei Teil des Jobs: „Eigentlich überrasche ich mich selbst immer wieder aufs Neue!“ Das Programm bleibt in Bewegung, weil die Welt das Gleiche macht. „Ich klebe nicht am Textbuch.“ Mann hangelt sich auch, aber nicht nur, an den tagesaktuellen Schlagzeilen entlang und baut sie in einen vitalen Gedankenfluss ein, der während der Pandemie keineswegs in Isolationshaft gesessen habe, wie er betont.
Im Gegenteil: Während der kollektiven Distanzierung habe er die Bühne gleichermaßen vermisst wie eine neue Beziehung zu ihr aufgebaut. Er habe den Automatismus in der Unterhaltungsbranche neu wahrgenommen und mit ihm auch die latente Gefahr, dass die Dramaturgie des Komischen in einer gewissen Bespaßungsroutine zu verhungern droht.
Auch Musik spielt eine Rolle
Die dialogische Dürre der Lockdowns habe das Zwiegespräch mit dem eigenen Ich forciert – auf dieser Grundlage habe sich langsam auch das neue Programm entwickelt, das von vielen schlauen Gedanken und philosophischen Ausflügen gekennzeichnet sei, wie er uns erzählt. Im Ring teilt er aus, steckt aber auch ein. Tobias Mann, der im WDR alle zwei Wochen eine Radioglosse gestaltet, lebt seine gespaltene Persönlichkeit aus und lässt sich dabei gern von der Politik inspirieren. Wenngleich das gebotene Material fast besser ist als jede humoristisch noch so geschliffene Satire. Tatsächlich überzeichne die Realität heutzutage stärker, als es jeder künstlerische Verdauungsvorgang zu leisten vermag.
Aber auch Geschlechterkämpfe, Identitätskrisen und Umweltkatastrophen säumen das aktuelle Programm. Als Mann grübelt Tobias über Rollenerwartungen und die moderne Evolution der Beleidigung, über grassierende Dummheit und Sprachlosigkeit. Er habe sich dabei ertappt, wie ständig neue Ideen entstanden sind, als er in Gedanken mit sich selbst gestritten habe, sagt Mann über seine neuhochdeutsche Dialektik, die er auch in Einhausen zum Besten geben wird.
Die Musik spielt dabei – wie in all seinen Shows – wieder eine klangvolle Rolle. Zwar beherrscht er auch Gitarre, Saxofon und Klarinette, doch eigne sich zum synchronen Singen in der Regel das Klavier am besten. Sein Lieblingsinstrument aber ist und bleibt das Wort. Das trifft härter als die eisernste Faust.
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