Einhausen. Die Bürokratie lässt Ingrid Haeberle, Christoph Roth und Ingrid Gärtner vom Einhäuser Netzwerk Flüchtlingshilfe immer häufiger verzweifeln. „Die Geflüchteten müssen Dokumente ausfüllen, die selbst wir nicht verstehen“, sagt Ingrid Haeberle. Etwa beim sogenannten Rechtskreiswechsel, bei dem Betroffene vom Asylbewerberleistungsgesetz in die Grundsicherung fallen. „Da müssen neun Bescheinigungen ausgefüllt werden“, sagt Christoph Roth und zeigt auf seinem Handy eine entsprechende Zusammenstellung.
Das Netzwerk hilft gerade einer Familie bei der Bewältigung dieser bürokratischen Hürde. Die Ehrenamtlichen sitzen Stunden daran, die entsprechenden Daten und Dokumente zu beschaffen. Verlangt werde beispielsweise ein Gebührenbescheid der Gemeinschaftsunterkunft. „Niemand konnte uns sagen, wer letztlich dafür zuständig ist“, sagt Roth. Erst nach etlichen Anrufen habe man eine entsprechende Information erhalten.
Vermitteln kostet Nerven und Zeit
Zwischen für verschiedene Anliegen zuständigen Kreisbehörden, Krankenkassen und anderen Beteiligten zu vermitteln, koste Nerven und Zeit. Zeit, die die örtlichen Flüchtlingshelfer lieber in Sprach- und Nachhilfeunterricht oder die Beschaffung von Haushaltsgegenständen stecken würden.
„Es müsste beim Kreis eine Anlaufstelle für Flüchtlinge geben, die sich zentral um alle Belange kümmert“, sagt Christoph Roth. Niemand verfolge bei den Ämtern Vorgänge vom Anfang bis zum Ende, ärgert sich Ingrid Haeberle. Stattdessen werde die Arbeit und Verantwortung auf Ehrenamtliche abgewälzt.
Initiative aus der Kirchengemeinde
Seit 2014 engagieren sich die Mitarbeiter des Netzwerks Flüchtlingshilfe für in Einhausen ankommende geflüchtete Menschen. Die bewusst nicht als Verein eingetragene Organisation war ursprünglich aus der evangelischen Kirchengemeinde hervorgegangen. Ab 2015 engagierten sich teilweise an die 30 Bürgerinnen und Bürger. Dann wurden es weniger. Nachdem die Arbeit während der Pandemie kaum noch möglich war, ist die Zahl weiter geschrumpft. Zuletzt waren es gerade noch fünf bis sechs Personen.
Etwas ratlos schauen Ingrid Haeberle, Christoph Roth und Ingrid Gärtner daher auch, als beim Gespräch mit dieser Zeitung die Sprache darauf kommt, wie es ab Mai weitergeht. Wie berichtet plant das Landratsamt ab Mai die Direktzuweisung von im Kreis ankommenden Flüchtlingen an die Kommunen, die sich dann um die Unterbringung kümmern müssen.
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In Einhausen könnten pro Quartal auf diesem Weg 19 bis 25 – bis zum Jahresende also bis zu 75 – Geflüchtete neu ankommen. Noch ist nicht geklärt, wo die Menschen wohnen sollen. Die Sammelunterkunft an der Ecke Friedhofstraße/Carl–Benz-Straße ist belegt mit Menschen, die bereits einen Aufenthaltsstatus besitzen. Diese dürfen und sollen sich eigentlich eine eigene Wohnung suchen, finden aber keine Bleibe auf dem freien Mietmarkt. Aufrufe der Gemeinde nach zusätzlichem Wohnraum blieben weitgehend erfolglos.
Aktuell wird im Rathaus unter anderem eruiert, wo in Einhausen wieder Wohncontainer aufgestellt werden könnten. 2015 hatte man den Parkplatz der Sporthalle dafür genutzt.
Weitere Helfer gesucht
„Dass wir für diese große Zahl an Menschen die Formulare ausfüllen, das ist nicht leistbar“, sagt Christoph Roth. Beim Netzwerk Flüchtlingshilfe sucht man daher dringend weitere Mitstreiter. Entsprechende Aufrufe wurden bereits auf den Homepages der Gemeinde und der Evangelischen Kirchengemeinde veröffentlicht.
„Die ehrenamtliche Hilfe für Flüchtlinge wird weiterhin dringend benötigt, denn erfahrungsgemäß können die zuständigen Ämter, Schulen und sozialen Einrichtungen die erforderliche Unterstützung nicht komplett leisten. Dabei kommt dem Netzwerk eine wichtige Vermittlerrolle zwischen Behörden und Flüchtlingen zu“, heißt es da etwa. Helfen könne jeder.
Kinder benötigen Hilfe bei den Hausaufgaben oder Jugendliche und Erwachsene beim Deutschunterricht, wofür ganz normale Deutschkenntnisse ausreichen. Vor allem sei aber das Miteinander die beste Hilfe.
Deswegen strebe das Netzwerk Flüchtlingshilfe Einhausen vor allem eine vertrauensvolle und freundschaftliche Zusammenarbeit mit den Flüchtlingen an.
Die Mitarbeit sei nicht verpflichtend, wird betont. Wer erst einmal reinschnuppern oder erfahren möchte, welche Hilfeleistung am dringendsten benötigt wird, kann sich beim Flüchtlingsnetzwerk melden.
Die verbliebenen Helfer des Netzwerks wollen auf jeden Fall erst einmal weitermachen. Christoph Roth engagiert sich beispielsweise beim Sprach- und Nachhilfeunterricht für Jugendliche und Erwachsene. Ingrid Haeberle kümmert sich um Nachhilfeunterricht für Grundschüler.
Ingrid Gärtner ist für die Beschaffung und Verteilung von Haushaltswaren wie Bettwäsche, Geschirr, Handtücher oder Besteck zuständig. Möbel oder andere größere Gegenstände kann sich jedoch nicht entgegennehmen. Einen Lagerraum hat das Netzwerk nämlich nicht zur Verfügung. Die Helferin muss bislang alle Hilfsgüter privat bei sich zwischenlagern.
Wer Interesse hat, die Arbeit des Netzwerks Flüchtlingshilfe Einhausen zu unterstützen, kann eine E-Mail schreiben an fluechtlingsnetzwerk @kirche-einhausen.de.
Wer Haushaltsartikel spenden möchte kann sich bei Ingrid Gärtner melden, die dafür telefonisch unter der Nummer 06251/1389955 zu erreichen ist.
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