Bensheim. Es ist ein erster Schritt – und fest steht nach Auskunft der Rathausspitze heute schon, dass weitere folgen müssen: An der Werner-von-Siemens-Straße sollen Container für die Unterbringung von 160 Geflüchteten aufgestellt werden. Außerdem wird das ehemalige Gästehaus der CBM in Schönberg angemietet. Dort bekommen 60 Personen ein Dach über den Kopf (wir haben berichtet).
Der Haupt- und Finanzausschuss sowie die Stadtverordnetenversammlung haben am Donnerstag die Vorlage der Verwaltung beschlossen – allerdings nicht einstimmig und mit Blick auf die Gesamtsituation und die Kosten nachvollziehbar ohne große Begeisterung.
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Dies lag auch daran, dass auf dem Grundstück an der Werner-von-Siemens-Straße zurzeit noch die Container-Kita Weidenkätzchen steht, die vom Familienzentrum betrieben wird. Für die Krippe muss nun ein anderer Standort gefunden werden. „Wir haben eine Ersatzfläche in der Nähe gefunden, die schöner ist“, erklärte Bürgermeisterin Christine Klein auf Nachfrage im Ausschuss.
Die FWG wollte mit einem Änderungsantrag den Umzug verhindern und schlug stattdessen vor, auf dem vom Land Hessen gepachteten Gelände zwischen Autobahn und Berliner Ring die Container aufzustellen. Das Areal dient als Reserve für die Erstaufnahmeeinrichtung in Gießen. „Wir müssen für die Verlagerung der Kita viel Geld in die Hand nehmen. Wie viel das sein wird, wissen wir noch gar nicht“, betonte FWG-Fraktionschef Rolf Tiemann.
„Unlogisch und unsinnig“
Das sei unlogisch und wirtschaftlich unsinnig, würde zudem Unruhe bei den Mitarbeiterinnen verursachen. Die Krippe hätte sich auf dem Grundstück gut eingelebt und verfüge dort über einen schönen Außenbereich. Natürlich wisse man, dass es schwierig sei, Wohnraum zu finden. So gesehen sei es natürlich eine gute Leistung, dass die Verwaltung überhaupt etwas gefunden habe – nur halte man den Kita-Standort für nicht geeignet.
Bürgermeisterin Christine Klein konnte die Argumentation nachvollziehen, beteuerte allerdings, dass man sich die Vorgehensweise genau überlegt und mehrfach abgewogen habe. Sie bestätigte Gespräche mit dem Land. Dieses habe zugesagt, dass die Stadt die Fläche am Berliner Ring grundsätzlich bekommen könne.
Das Angebot des Landes "weiter im Kopf"
Die aktuelle Strategie des Rathauses sieht zunächst aber eine dezentrale Unterbringung der Geflüchteten vor. Auf eine zu starke Konzentration entlang des Berliner Rings, dort befindet sich bekanntlich auch die Zeltstadt des Kreises auf dem Festplatz, will man weitgehend verzichten. Zumal man ohnehin gezwungen sein wird, in diesem Bereich selbst noch eine zusätzliche Unterkunft einzurichten. Die Planungen sollen bis zur Baugenehmigung vorangetrieben werden, um schnell reagieren zu können.
Das Angebot das Landes habe man weiter im Hinterkopf. „Das ist unsere Backup-Lösung“, versicherte Stadträtin Nicole Rauber-Jung. Mit den nun beschlossenen 220 Plätzen erfülle man lediglich zwei Drittel des Kontingents für 2023. Bezugsfertig werden beide Einrichtungen wohl erst Ende Januar 2024 sein.
Die Marschrichtung sieht deshalb die Belegung der nun beschlossenen Unterkünfte vor sowie die Planungen einer eigenen Container-Anlage am Berliner Ring in ähnlicher Größenordnung wie an der Werner-von-Siemens-Straße. Parallel sei man nach wie vor dabei, ständig zu sondieren und nach Immobilien und Flächen Ausschau zu halten.
Die sind in Bensheim aber zu halbwegs vertretbaren Preisen kaum zu bekommen. Franz Apfel (BfB) begrüßte eine dezentrale Unterbringung, sah in diesem Kontext aber den Schönberger Standort als zu abgelegen und damit problematisch an. „Ob dieser Standort passt, das sehen wir erst in der Zukunft. Da melden wir Bedenken an.“ Er schlug das frühere Allee-Hotel als Alternative vor, das versteigert werden soll. Nach Informationen dieser Zeitung müssten dafür aber mehr als acht Millionen Euro aufgebracht werden.
Die Kosten seien noch nicht abschätzbar
Nicht überzeugt von der Vorlage äußerte sich auch Thorsten Eschborn (FDP). Durch die kurzfristige Information solle Druck auf die Stadtverordneten aufgebaut werden, obwohl Kosten noch nicht abzuschätzen seien. Eschborn bewertete außerdem die Entschädigungszahlungen des Kreises als zu gering. Darüber hinaus sehe die FDP bei der Kita-Verlegung ein Kostenproblem.
Mit den Vertragsbedingungen und dem Preis, den die Stadt an der Werner-von-Siemens-Straße an den Eigentümer des Grundstücks und künftigen potenziellen Betreiber zu zahlen hat, zeigte sich Eschborn nicht einverstanden. Auf Details konnte er in der öffentlichen Sitzungen aber nicht eingehen, weil die Verwaltung auf Vertraulichkeit bestand. „Wir stellen uns nicht gegen ein Container-Dorf. Obwohl wir persönlich lieber eine dauerhafte Lösung haben möchten, in der wir Häuser bauen statt Container aufstellen“, betonte Eschborn.
Rolf Kahnt: „Nicht wählerisch sein“
Aus Sicht von Rolf Kahnt (Vernunft und Augenmaß) kann die Stadt in der momentanen Lage nicht wählerisch sein. „Wir müssen nehmen, was uns angeboten wird.“ Eine zu starke Zentralisierung in einem Bereich sah er auch kritisch. Eine dezentrale Unterbringung halten auch die Grünen für besser. Beim Vorschlag der Verwaltung sei alles abgeklärt und umsetzbar. „Wir wissen dann, wie viele Flüchtlinge wann dort unterkommen können“, so Fraktionschefin Doris Sterzelmaier.
Bernhard Stenger (CDU) sprach sich dafür aus, nun den ersten Schritt zu gehen. Die Stadt müsse ein Problem lösen und hinke bei den Zahlen schon hinterher. Die Opposition forderte er auf, Alternativen zu präsentieren, wenn sie die Vorschläge nicht mittrage.
Wie diese aussehen könnten, sollten keine Unterkünfte mehr gefunden werden, stellten Klein und Rauber-Jung klar. Dann müssten Hotelzimmer gemietet, Dorfgemeinschaftshäuser oder die Weststadthalle belegt werden. Das soll unter allem Umständen vermieden werden. Noch werde man vom Kreis ein bisschen verschont, aber irgendwann müsse man das Kontingent erfüllen.
Container-Anlage sieß bei FWG und FDP auf Ablehnung
Die Bürgermeisterin warb um Vertrauen in die Arbeit der Verwaltung. Sie sei bestrebt, sozialverträgliche Lösungen für alle zu finden – Geflüchtete wie Anwohner. Auch mit Rücksicht auf die dann betroffenen Wohnviertel wolle man keine zu starke Ballung durch große Unterkünfte, sondern bevorzuge kleinere Einheiten.
Die Abstimmung fiel in Ausschuss und Stadtverordnetenversammlung identisch aus. Für den FWG-Vorstoß, die Kita nicht zu verlegen, votierte außerdem noch die BfB. Die anderen Fraktionen waren dagegen. Für die Belegung des ehemaligen Gästehauses in Schönberg stimmten alle Stadtverordneten, mit Ausnahme der FDP, die sich enthielt.
Und die Container-Anlage stieß bei FWG und FDP auf Ablehnung, ansonsten konnten der Vorlage alle Fraktionen folgen.
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