Bensheim/Zwingenberg. Das Gespräch mit Parteien und Parlamenten gehört von Anfang an zur DNA der Wirtschafts-Vereinigung Bensheim (WVB). Als Dachorganisation der lokalen Wirtschaft sucht man den Austausch mit den Akteuren des kommunalen Lebens und vertritt die Interessen der Unternehmer auf der öffentlichen Bühne. Seit vielen Jahren findet regelmäßig ein Business-Treff im Rathaus statt. Doch so richtig zufrieden ist die WVB nicht mit dem Dialog zwischen Politik und Wirtschaft, wie bei der jüngsten Mitgliederversammlung in Zwingenberg deutlich wurde.
Aufhänger beim Treffen im Autohaus Vogel war das Thema Gewerbesteuer. Der Hebesatz in der größten Stadt im Kreis war zuletzt auf 390 Punkte gestiegen. Neben Biblis (plus 20) hat somit auch Bensheim den Anteil erhöht, während Heppenheim die gewerbliche Abgabe um 20 Prozentpunkte gesenkt hatte. Für Jürgen Streit ein Unding. Der Unternehmer hatte bereits vor fünf Jahren für die Ernennung eines wirtschaftspolitischen Sprechers innerhalb der WVB plädiert, um wirtschaftlich relevante Themen direkt in die Kommunalpolitik einspeisen zu können. Damals fand der Vorschlag keine Mehrheit.
Von der Kreisstadt abgehängt
Am Montag kritisierte Streit die Höhe der steuerlichen Belastung in Bensheim – zumal der jeweilige Hebesatz für Unternehmen längst auch ein entscheidendes Kriterium bei der Standortwahl sei.
Bensheim sei in dieser Hinsicht von der Kreisstadt bereits abgehängt worden, so Streit, der dies als „schmerzhaft“ bezeichnete und die Frage in den Raum stellte, welchen Stellenwert die örtliche Wirtschaft im Rathaus eigentlich genieße. Wenn die Unternehmen schon so tief in die Kasse greifen müssten, dann sollten sie auch bei wesentlichen Entscheidungen bezüglich der Standortentwicklung angehört werden. Die regional definierte Gewerbesteuer der Unternehmen gilt allgemein als wichtigste originäre Einnahmequelle für eine Gemeinde.
„Wir müssen stärker mit den Parteien sprechen anstatt nur über sie.“ Der WVB komme in diesem Kontext die Aufgabe zu, als Interessenvertretung der Unternehmen gegenüber den politischen Akteuren für die eigenen Anliegen klar Position zu beziehen, so Jürgen Streit vor rund 60 Mitgliedern in Zwingenberg. Damit stieß er in die gleiche Kerbe wie damals, allerdings allgemeiner formuliert und ohne den Wunsch nach personeller Repräsentanz. Er betonte aber erneut, dass man nicht einerseits über politische Richtungsentscheidungen schimpfen und sich gleichzeitig aus der öffentlichen Debatte heraushalten könne, so der Unternehmer.
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Vorsitzender Jan Siefert stimmte dessen Ausführungen prinzipiell zu: „Der Dialog mit den Bensheimer Fraktionen ist dringend notwendig.“ Aber offenbar auch verbesserungsfähig. Im Rahmen der Mitgliederversammlung wurde das Thema ebenso wie der aktuelle Gewerbesteuer-Hebesatz auch nach der offiziellen Tagesordnung vital diskutiert.
Dabei kam auch die Frage auf, wie sich die Bensheimer Kommunalpolitik gegenüber der heimischen Wirtschaft derzeit generell positioniert und welches Maß an Wertschätzung – auch im Rathaus – erkennbar sei. Einige Unternehmer erklärten, dass es hier Optimierungsmöglichkeiten gäbe. Jan Siefert will den politischen Parteien nun auch offiziell die Hand reichen: Er kündigte an, den Fraktionen eine Mitgliedschaft bei der WVB anzubieten. Beitragsbefreit, versteht sich. Die Wirtschafts-Vereinigung hofft, dass dies auf positive Resonanzen stößt.
Die Formalitäten der Versammlung waren schnell abgehakt. Aufgrund der Pandemie fiel der Bericht des Vorsitzenden sehr knapp aus. Viele Ereignisse gab es nicht. Im Juni fand ein Business-Treff im Kultur- und Kongresszentrum (Kuko) statt, im Volksmund auch Bürgerhaus genannt. Die erste Präsenzveranstaltung nach längerer Corona-Pause war das Sommerfest 2021 im Parkhotel Krone in Auerbach, bei der die Mitglieder den gesamten Vorstand wiedergewählt hatten.
„Es geht wieder aufwärts“
Doch im Herbst letzten Jahres machte die Pandemie erneut ihren Einfluss geltend. Die Frühjahrsreise der WVB ging im Mai nach Toulouse, knapp 40 Mitglieder nahmen daran teil. Der nächste Business-Treff ist im Oktober geplant, im November soll es ein Treffen mit den Handballerinnen der Flames nach einem Bundesligaspiel in Bensheim geben, kündigte Jan Siefert an, der von einer erfreulichen Mitgliederentwicklung spricht. „Es geht wieder aufwärts!“ Die Verluste während der Hochphase der Pandemie seien überwiegend Geschäftsaufgaben geschuldet, so der Vorsitzende, der sich im nächsten Jahr wieder zur Wahl stellen will. Aktuell zählt die WVB 278 Mitglieder, das sind 17 weniger als vor Beginn der Corona-Krise.
In Hoch-Zeiten hatte die Wirtschafts-Vereinigung um die 300 Mitglieder. Siefert geht davon aus, dass diese Marke irgendwann wieder erreicht werden könnte, seit Wochen klopft durchschnittlich alle vier Wochen ein neuer Aspirant an die Tür der Organisation, die sich als dynamische Plattform für den Austausch von Wissen, Erfahrung und Know-how versteht. Dazu gehören Firmen aus Handel, Handwerk, Industrie, Dienstleistung sowie aus freien Berufen vom Start-up über den Mittelstand bis hin zum Global Player.
Schatzmeister Eric Tjarks bilanzierte in Zwingenberg eine erfreuliche Finanzlage, daraufhin wurden Kasse und Vorstand einstimmig entlastet. Zu Kassenprüfern wurden erneut Brigitte Zimmermann-Petrullat und Renate Hannemann gewählt. Peggy Matas und Carsten Scholz kandidierten ein weiteres Mal erfolgreich für den Beirat, hinzu kommt der neue Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Bensheim, Johannes Erich Schulz, der in Abwesenheit in geheimer Abstimmung gewählt wurde. Ein Mitglieds-Unternehmen kann jeweils eine Stimme abgeben.
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