Bensheim. Dass die Stadt Bensheim ihren Haushalt in den Griff bekommen muss, ist unstrittig. An welchen Stellen dafür aber letztlich Abstriche gemacht werden sollen, daran scheiden sich die Geister. Seit Anfang des Jahres können Bensheimer Einwohner Windeln nicht mehr kostenlos beim Wertstoffhof entsorgen. Die Stadt will sich damit 35 000 Euro jährlich sparen und strich den Posten Ende 2023 im Zuge der Haushaltsberatungen.
BfB und VuA hatten im Vorfeld der Stadtverordnetenversammlung einen gemeinsamen Antrag eingereicht: Gefordert wurde, Möglichkeiten für den Erhalt des Windelcontainers aufzuzeigen, eventuell über den Zweckverband KMB. Diesen Antrag zogen die Fraktionen allerdings wieder zurück, um sich hinter die Forderung der Koalition zu stellen. Einstimmig sprach sich die Versammlung dafür aus, dass der Magistrat Gespräche mit den anderen Mitgliedskommunen des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Kreis Bergstraße (ZAKB) und dem Verband führen soll.
Deren Ergebnis soll sein, dass der ZAKB auf den Wertstoffhöfen in seinem Verbandsgebiet Container für Windeln bereitstellt. Auch die Finanzierung solle der Verband aus seinem Haushalt regeln: Diese Leistung der Abfallentsorgung soll für private Haushalte ohne zusätzliche Kosten angeboten werden, ist im Antrag zu lesen.
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„Den Windelcontainer zu streichen, ist eine soziale Verfehlung der Stadt und trifft Familien mit Kindern und Menschen, die sich um pflegebedürftige Angehörige kümmern“, erklärte Franz Apfel (BfB). Bensheims Ruf als familienfreundliche Stadt sei mit dieser Entscheidung beschädigt worden. Zwar schloss man sich die Fraktion dem Änderungsantrag an, letztlich hänge der Erfolg des Vorhabens aber vom ZAKB ab.
„Der Haushalt hat eine massive Schieflage. Der erste Posten, bei dem die Stadt sparen kann, sind die freiwilligen Leistungen, zu denen auch der Container gehört“, sagte Tobias Heinz (CDU). Immer wieder würde in der Diskussion behauptet, nur die Koalition habe verschuldet, dass der Windelcontainer dem Rotstift zum Opfer fiel. Der Haushaltsentwurf mit allen Änderungen sei den Mitgliedern der Versammlung bekannt gewesen.
Ruf hängt nicht nur an Container
Bei einem Defizit von rund 12 Millionen Euro könne man nicht einerseits immer auf Einsparungen pochen, dann aber bei konkreten Vorschlägen den Erhalt der herausgepickten Leistung fordern. „Die Familienfreundlichkeit der Stadt wird sich nicht an dem Container entscheiden“, so Heinz. Immerhin habe man sich am Versammlungsabend für den Millionen Euro teuren Kita-Neubau in Fehlheim ausgesprochen (Bericht folgt). Natürlich hätten viele das Angebot gerne in Anspruch genommen. Bei allen Einsparungen werde man am Ende die Bürger treffen, da sie unmittelbar von den Leistungen profitieren.
„Es liegt nah, bei einem Angebot wie dem Windelcontainer an diejenigen zu denken, die für die Abfallbeseitigung zuständig sind. Die Müllentsorgung ist keine Kernaufgabe der Stadt“, sagte Heinz bezüglich des Vorschlages, den ZAKB mit der Aufgabe zu betrauen. Eine gemeinsame Initiative sei sinnvoll. Letztlich könne über eine kreisweite Lösung auch vermieden werden, dass - wie es sicher auch in der Vergangenheit geschehen sei - auch Nicht-Bensheimer ihre Windeln in dem Container entsorgen.
Den Antrag der Koalition hält die FWG für unrealistisch. Er diene in erster Linie dazu, die derzeit aufkommenden Reaktionen bei Betroffenen und in der Presse zu beschwichtigen, sagte Alois Hillenbrand. Einer Gebührenerhöhung zur Finanzierung des Windelcontainers würden andere Kommunen sicher nicht zustimmen. Dass der ZAKB diese Kosten übernehme, sei ebenso unwahrscheinlich, unterliege auch er wirtschaftlichen Zwängen.
Es sei also zu erwarten, dass der ZAKB diese Kosten über Gebühren, etwa über die Abgabe spezieller Plastiksäcke, decken oder aber mit der Kommune mit Windelcontainer direkt verrechnen werde. Ohne eine solide Gegenfinanzierung trete man also auf der gleichen Stelle wie im Dezember. Deswegen stimmte die Fraktion dem Antrag nicht zu.
20 Jahre gab es den Windelcontainer am Wertstoffhof als kostenlosen Service
„Nicht wir, die bösen Stadtverordneten, haben den Container gecancelt“, betonte Jürgen Kaltwasser (SPD). Und auch Lisa-Marie Blumenschein (FDP) verteidigte die gemeinschaftliche Entscheidung: „Die Streichung des Windelcontainers zielt nicht darauf ab, Familien und weitere Betroffene zu belasten. Um aber weitere Projekte vorantreiben zu können, muss die Stadt sich auf ihre Kernthemen konzentrieren.“ Der Vorschlag zur Streichung sei aus der Verwaltung selbst, nicht von der Koalition gekommen. „Bei aller Kritik hätten wir uns über Vorschläge gefreut, wie man die Leistung erhalten könnte. Gemacht wurden aber keine.“
Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung zeigte sich ebenso verwundert über die Diskussion: „In den Haushaltsberatungen ging es um eine ganze Reihe freiwilliger Leistungen, die man hätte streichen können. Die Hundekotbeutel zum Beispiel haben es wieder in den Haushalt hineingeschafft. Am Ende hatten die Stadtverordneten das letzte Wort.“
„20 Jahre gab es den Windelcontainer am Wertstoffhof als kostenlosen Service. Schon im Dezember haben wir für seinen Erhalt und die Bereitstellung der Mittel im Haushalt gestimmt. Der Container war ein soziales Angebot der Stadt und wurde von der Bevölkerung gut angenommen. Er hatte sich etabliert“, äußerte sich Doris Sterzelmaier (Grüne). Die vielen Proteste und Leserbriefe aus der Bevölkerung hätten Wirkung gezeigt und dazu beigetragen, dass das Thema wieder auf die Agenda kommt.
Laut Koalitionsantrag soll der Magistrat ausschließlich Gespräche mit dem ZAKB führen, damit dieser die Windelcontainer kostenlos an den Wertstoffhöfen zur Verfügung stellt und die Kosten der Entsorgung selbst finanziert. „Hierzu ist zu sagen, dass der ZAKB ein gebührenfinanzierter Zweckverband mit Anschluss und Benutzungszwang ist. Das bedeutet: Alle Entsorgungskosten werden auf die Gebührenzahler im gesamten Verbandsgebiet umgelegt“, fasste Sterzelmaier zusammen. Derzeit gebe es 19 Wertstoffhöfe. „Wenn alle ein Angebot vorfinden sollen, müssten dann 19 Windelcontainer kreisweit aufgestellt werden.“ Wenn man mit diesem Antrag eine Einigung erreichen könne, wäre das ein schöner Erfolg. ame
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