Bensheim. Nach wenigen Wochen stand bereits fest: Die Geschichte stinkt naturgemäß zum Himmel. 2,5 Tonnen Windeln landeten zu jener Zeit wöchentlich im Container auf dem Gelände des Wertstoffhofes in Bensheim. Dieser war im Februar 2003 aufgestellt worden, als sich die Stadt dem Zweckverband Abfallwirtschaft Kreis Bergstraße (ZAKB) anschloss.
Bensheimer Familien mit Kleinkindern oder Erwachsene mit Inkontinenz oder pflegende Angehörige mussten seither die Windeln nicht in die eigene Restmülltonne stopfen (was in der Regel zu mehr Leerungen und höheren Gebühren führt), sondern konnten bis Ende 2023 diesen kostenlosen Service nutzen. Kostenlos wohlgemerkt nur für die Einwohner von Bensheim, die Stadt finanzierte das Angebot zuletzt mit 35 000 Euro jährlich.
Der Windelcontainer landete auf der Streichliste
Im vergangenen Herbst allerdings landete der Windelcontainer bei der Haushaltsaufstellung im Rathaus auf der Streichliste.
Bei einem Fehlbetrag im niedrigen zweistelligen Millionenbereich, am Ende waren es dann 12,4 Millionen Euro, kann und muss man schon mal schauen, wo überall ein paar Euro eingespart werden können. Irgendwo sollte man schließlich anfangen. Allerdings darf darüber diskutiert werden, ob bei einem Ausgabenvolumen von um die 140 Millionen Euro unbedingt der berüchtigte Rotstift beim Windelcontainer angesetzt werden muss, Stichwort familien- und seniorenfreundliche Stadt.
Eine Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung hatte damit jedenfalls kein Problem. Die Koalition aus CDU, SPD und FDP stimmte gegen einen Antrag der BfB (unterstützt von den Grünen), die Kosten wieder im Etat zu verankern.
Die Reaktionen: Kopfschütteln, Unverständnis und deutliche Kritik
Stattdessen hauchte man den mittlerweile berühmten Hundekotbeuteln wieder Leben ein. Für die Plastiktüten wollte die Stadt ebenfalls keine 25 000 Euro mehr im Jahr ausgeben. Das wiederum wussten das Dreierbündnis und die BfB zu verhindern, die mit jeweils eigenen Anträgen den kostenlosen Service für Hund und Herrchen nicht missen wollen.
Das kann man natürlich machen. Man darf sich hinterher nur nicht wundern, wenn solche Entscheidungen mit leichtem Kopfschütteln, Unverständnis und deutlicher Kritik aufgenommen werden. Wobei Stand jetzt keine Beschwerden oder gar Protestanrufe registriert wurden. Das teilte der Zweckverband Kommunalwirtschaft Mittlere Bergstraße (KMB) auf Nachfrage mit. Lediglich ein Bürger habe sich erkundigt, wo er denn nun die Windeln entsorgen könne.
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Es drängt sich unabhängig davon jedoch der Eindruck einer fehlenden Stringenz auf, von ein wenig kommunalpolitischem Fingerspitzengefühl ganz zu schweigen. Unstrittig ist, dass Bensheim seinen Haushalt in den Griff bekommen muss. Dafür braucht es Einschnitte, sparen heißt bekanntlich Verzicht. Geht man diesen Weg, bedarf es aber einer gewissen Konsequenz im Großen wie im Kleinen. Letztlich hätte man sich im Rathaus wie auch im Stadtparlament nicht geradewegs zur Schuldenberatung begeben müssen, wenn der Windelcontainer weiterfinanziert worden wäre. Der taugt nur bedingt (wenn überhaupt) als Exempel, das man statuieren muss, um zu zeigen, dass die Lage ernst ist.
Eingeführt wurde der Service übrigens auf Antrag der schwarz-grünen Koalition, die 2003 noch am Anfang einer Liaison stand, die mehr als 17 Jahre später geschieden werden sollte. Damals jedenfalls urteilten die beiden Fraktionen nach einer mitunter auch umstrittenen Probephase, dass man trotz eines wohl schwierigen Haushaltsjahres 2004 das Angebot weiterführen wolle. Seitdem gab es nur einmal leichte Irritationen, als 2012 der Haushaltsansatz von 45 000 auf 30 000 Euro reduziert wurde und die BfB-Fraktion wegen einer angeblichen Abschaffung Alarm schlug, die aber gar nicht zur Debatte stand.
Die BfB will nun auch einen weiteren Versuch unternehmen, den Windelcontainer wieder aufzustellen. „Wir schlagen vor, dass der Windelcontainer aus sozialen Gründen erhalten bleibt und die Abschaffung per Beschluss der Stadtverordnetenversammlung im Februar 2024 korrigiert wird“, teilen die BfB-Stadtverordneten Franz Apfel, Norbert Koller und Ulrike Vogt-Saggau mit. Man müsse ohnehin an einem Haushaltssicherungskonzept arbeiten, das diesen Namen verdient habe, heißt es in einer Mitteilung der Fraktion weiter.
Eine Steuererhöhung vermeiden
Ziel soll es sein, die bisher vorgesehene Erhöhung des Hebesatzes bei der Grundsteuer B ab 2026 auf 800 Prozentpunkte zu verhindern. Zudem gab die BfB der Koalition mit auf den Weg, sich an ihre eigene Vereinbarung zu erinnern, in der es weniger um die Anhebung von Steuern als vielmehr um die Senkung des Hebesatzes bei der Grundsteuer geht, sollte dies möglich sein.
Wie auch immer: Wenn es nicht zu einem überraschenden Umdenken kommt, dürfte der Vorstoß der BfB in der nächsten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung verpuffen. Aber dafür können sich alle Hundehalter aus Bensheim und Umgebung weiterhin an den kostenlosen Plastiktütchen erfreuen. Es ist und bleibt immer eine Frage der Perspektive und reine Spekulation, ob die Beschlüsse anders ausgefallen wären, hätten sich mehr Eltern von kleinen Kindern mit der Thematik kommunalpolitisch befassen müssen.
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