Bensheim. Die Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag hätte ohne weiteres als unterhaltsames Abendprogramm im TV ausgestrahlt werden können. Die wieder und wieder aufgewärmte Debatte um den Windelcontainer ging zunehmend unter die Gürtellinie – hat aber nun vorerst ein Ende. Denn jede Fraktion kann Anträge zur selben Sache nur einmal pro Jahr einbringen. Da mittlerweile alle von ihnen ihr Glück versucht, aber keine Lösung gefunden haben, dürfte also bis zu den Beratungen für den Haushalt 2025 erst einmal Ruhe sein.
Überhaupt schien es bei der Diskussion im Bürgerhaus weniger um das Angebot selbst als darum zu gehen, wie viele Sticheleien Koalition und Opposition gegeneinander austeilen können. Um das Ergebnis der Debatte schon einmal vorauszunehmen: Es wird keinen Windelcontainer für Bensheim geben.
Zunächst legte Erste Stadträtin Nicole Rauber-Jung noch einmal die Ergebnisse der ZAKB-Verbandsversammlung vom vergangenen Donnerstag dar: Der ZAKB stelle seinen Mitgliedskommunen zwar auf Wunsch Flächen für Container zur kostenlosen Entsorgung von Windeln auf den Wertstoffhöfen zur Verfügung. Beauftragt und finanziert werden müsse ein solches Angebot jedoch durch die Kommunen.
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Die Grünen, FWG, VuA und BfB, die gemeinsam den Antrag zur Wiedereinführung des Windelcontainers gestellt hatten, sehen die Stadt nach wie vor in der Pflicht. Die Forderung: Das Angebot unverzüglich wieder einführen und an anderer Stelle Kosten einsparen. Etwa 35 000 Euro bleiben der Stadt durch die Streichung mehr. Nicht der größte Posten also, aber groß genug, um einen monatelangen Streit zu entfachen. Schließlich wurde während der Haushaltsberatungen mehrheitlich dafür entschieden, diese freiwillige Leistung der Stadt zugunsten anderer – Stichwort Hundekotbeutel – fallen zu lassen.
Alois Hillenbrand (FWG) sah, anders als die BfB, keine zielführende Lösung darin, den Windelcontainer aus der Rückerstattung durch eine mit dem ZAKB getroffene Vereinbarung über die Sammlung von wildem Müll zu finanzieren. An dieser Stelle appellierte er, genau zu überprüfen, ob die Rückvergütung von rund 86 000 Euro den Kostenaufwand des KMB deckt.
Sein Vorschlag: In einem Grundsatzbeschluss hatte die Stadtverordnetenversammlung im Oktober 2022 bereits den Plänen der Stadtverwaltung zugestimmt, im Rahmen des hessenweiten Förderprojekts „Zukunft Innenstadt“ das Hoffart-Gelände und den Hostinné-Platz neu zu gestalten. Insgesamt belaufen sich die Kosten für die Gestaltung der beiden Plätze auf 375 000 Euro, wovon das Land Hessen 300 000 Euro übernimmt. Die Kosten für die Umsetzung des Urban Gardening-Projekts am Hoffart-Gelände betragen rund 136 000 Euro, der städtische Anteil beträgt etwa 27 000 Euro.
„Bis auf das Graffito an der Fassade des Parktheaters hat sich noch nichts getan. Wieso kann man die Gelder also nicht für den Windelcontainer nutzen?“ Sein Vorschlag erntete Kopfschütteln, denn solche Fördermittel sind zweckgebunden und nicht frei für andere Projekte verfügbar.
„35 000 Euro machen nicht einmal ein Prozent des gesamten Haushaltes aus – ich schäme mich, wenn wir keine Lösung finden, das Angebot wieder einzuführen“, sagte Matthias Penteker (VuA). Schließlich blieben auch sozial Schwächere von den gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht verschont.
„Gibt es jetzt einen Müllnotstand in Bensheim?“
An dieser Stelle schritt Bernhard Stenger (CDU) ein: „Eigentlich ist schon alles gesagt. Sie versuchen nun, dieses Thema, das so klein ist, auf eine emotionale Ebene zu heben und sich zu profilieren. Was passiert denn in Bensheim? Haben wir jetzt etwa einen Müllnotstand, seit der Container weg ist?“ Der Entsorgungsaufwand von Windeln in der Restmülltonne sei nicht besonders hoch, die Gebühren vergleichsweise niedrig. „Dazu kommt: Nur wenige Kommunen haben einen Windelcontainer, wir scheren mit unserem Beschluss also nicht einmal aus der Reihe.“ Man habe sich mehrheitlich für die Streichung entschieden – „es wird Zeit, dass wir das Thema jetzt zum Ende bringen“, schloss Stenger.
Fertig waren die Stadtverordneten aber noch lange nicht: Michael Sydow (SPD) ergänzte: „Hier wird versucht, uns durch den Kakao zu ziehen. Wir mussten entscheiden, wo wir sparen können und das haben wir getan.“ Zudem habe man am Wertstoffhof regelmäßig beobachten können, dass unter anderem Pflegedienste angefallenen Windelmüll im Container entsorgt haben, ebenso wie viele Nicht-Bensheimer.
In Zeiten knapper Kassen müsse man sich fragen, wie man die Belastungen verteilen kann. Die ZAKB-Rechtsauffassung spreche nunmal gegen eine verbandsfinanzierte Lösung, wie die Koalition sie vorgeschlagen hatte.
„Wir sollten uns auf die Stadtbibliothek konzentrieren“
Thorsten Eschborn (FDP) ließ noch eine weitere Komponente einfließen: „Seit diesem Jahr können Familien mit geringem Einkommen bis zu 292 Euro Kinderzuschlag bekommen. Vorher lag der Höchstbetrag pro Monat und Kind bei maximal 250 Euro. Durch diese und weitere Erhöhungen, etwa auch des Pflegegeldes,wird durch den Bund die Belastung von Familien abgemildert. Dies ist nicht die Kernaufgabe der Stadt.“ Jeder gesparte Euro müsse sinnvoll investiert werden. „Wir sollten uns zum Beispiel auf die Stadtbibliothek konzentrieren.“
Selbst, wenn man Zusatzleerungen seiner Restmülltonne benötige, komme man auf einen nur geringen Mehrkostenbetrag. Bei so vielen anderen dringenden Baustellen der Stadt sei der Windelcontainer verschmerzbar.
In Eschborns Schilderungen sah Sterzelmaier eine Provokation: „Es ist eine Schande, wie man sich über die Nutzer des Containers lustig macht.“ Wieder gab es dazu mehrere Zwischenrufe und Eschborn stellte klar, dass dies an keiner Stelle der Fall gewesen sei. Er habe lediglich auf die Sozialgesetzgebung des Bundes und damit einhergehende Erleichterungen verweisen wollen.
„Hunde scheinen wichtiger zu sein als Kinder“
An diesem Punkt der Versammlung kippte die Stimmung letztlich komplett: „Im Rahmen der Haushaltskonsolidierung wurde auch über die Hundekotbeutel geredet. Für sie ist das Geld da, für die Familien aber nicht? Es ist eine bodenlose Frechheit, Hunde über Menschen zu stellen. Gerade mit Blick auf die SPD muss ich nach einem sozialen Gewissen fragen“, schoss Sterzelmaier in Richtung Koalition.
Etwas diplomatischere Töne schlug Lisa-Marie Blumenschein (FDP) an: „Wir können jetzt noch stundenlang weiter Pingpong mit Argumenten spielen. Aber am Ende dürfte doch jede Familie mit ihrer Restmülltonne hinkommen – auch in Mehrfamilienhäusern, in denen viele Kinder oder Pflegebedürftige leben.“
Ihr Fraktionskollege Tobias Fischer bedauerte den Verlauf der Gespräche: „Sie lenken mit dem Windelcontainer von den eigentlichen Problemem der Stadt ab, bagatellisieren einzelne kleine Themen, die Sie sich als Rosinen herauspicken“, richtete er sich an die antragstellenden Fraktionen. „Sie tun so, als hätte die Stadt keine Möglichkeit, Müll zu entsorgen. Man hätte ruhig und sachlich diskutieren können, aber jetzt ist eine Schlammschlacht entbrannt.“ Nun wurde sie per Abstimmung erst einmal beendet.
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