„Die Besten der Bergstraße“ - Der Bensheimer Theaterkritiker hinterließ nach seinem Tod ein stattliches Erbe – und das Vermächtnis, damit einen Schauspielpreis zu schaffen

Wilhelm Ringelband – der Herr des Eysoldt-Rings

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Begehrtes Schmuckstück – der Gertrud-Eysoldt-Ring gilt als einer der bedeutendsten Theaterpreise im deutschsprachigen Raum. © Funck

Dank Wilhelm Ringelband ist Bensheim ein klangvoller Name in der Theaterszene – der Kritiker hat den Gertrud-Eysoldt-Ring gestiftet.

Seit mehr als drei Jahrzehnten rückt die Verleihung des Gertrud-Eysoldt-Rings jährlich im März die Stadt Bensheim in den Fokus der deutschen Theaterszene – Corona-Zeiten ausgenommen. Der mit 10 000 Euro dotierte Eysoldt-Preis gilt inzwischen als einer der bedeutendsten Schauspieler-Preise des deutschsprachigen Theaters. Der Mann, auf den das alles zurückgeht, bleibt dabei oft im Schatten – der Name Wilhelm Ringelband fällt, wenn überhaupt, eher am Rande.

Das passt vielleicht nicht schlecht zu dem bescheiden und zurückgezogen lebenden, früh von Krankheit gezeichneten Theaterkritiker, der in einem 19-seitigen, handgeschriebenen Testament sein ererbtes Privatvermögen von rund 3,4 Millionen D-Mark zu einem großen Teil dem Zweck bestimmte, herausragende schauspielerische Leistungen mit einem Preis zu ehren, der mit dem Namen der Schauspielerin Gertrud Eysoldt verknüpft sein sollte.

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Das Leben Wilhelm Ringelbands klingt selbst fast wie ein literarischer Stoff, aber nicht für Drama und große Bühne, eher für eine melancholische, romantische Kurzgeschichte. 1921 als Sohn eines Oberstleutnants in Frankfurt geboren, zog er im Alter von sieben Jahren mit den Eltern in eine Jugendstilvilla in einer wohlhabenden Gegend in Frankfurt-Eschersheim. Eine Frankfurter Aufführung von Strindbergs Totentanz mit dem bekannten Schauspieler Paul Wegener weckte Wilhelm Ringelbands Leidenschaft für das Theater, als er 16 Jahre alt war, so erzählte er es später. Nach dem Notabitur in Bad Godesberg wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Er wurde jedoch bald aus dem Kriegsdienst entlassen – wegen einer schweren chronischen Erkrankung, die fortan sein Leben bedrohte und einschränkte.

Der Vater fiel kurz vor Kriegsende, mit der Mutter zog Wilhelm Ringelband zu seinem ebenfalls verwitweten Großvater nach Auerbach, wo dieser sich in einer Villa in der Jahnstraße 5 niedergelassen hatte. Hier begann der junge Ringelband schon bald einen Briefwechsel mit der von ihm verehrten, 50 Jahre älteren Schauspielerin Gertrud Eysoldt, einer der bedeutendsten Theaterschauspielerinnen im Berlin des frühen 20. Jahrhunderts. Der Kontakt dauerte zehn Jahre bis zum Tod Gertrud Eysoldts im Jahr 1955.

Die Schauspielerin war Ringelband eine auch in Lebensfragen wichtige Ratgeberin, jedoch kam es nie zu einer persönlichen Begegnung der beiden. 1964 starb auch die Mutter Ringelbands, der dann bis zu seinem eigenen Tod 1981 allein mit einer Haushälterin in dem Haus wohnen blieb.

Dort schrieb er emsig für bis zu 30 Tageszeitungen und Fachzeitschriften, gehörte jedoch nicht zu den großen Kritikerpäpsten der Republik, sondern belieferte auch die kleineren Tageszeitungen, wie etwa den Bergsträßer Anzeiger. Er war sich auch nicht zu schade, Aufführungen von Bensheimer Amateur-Theatern zu besuchen, schrieb verständlich und machte – bei aller Strenge gegenüber Profis, die nicht ihr bestes gaben – niemanden verletzend nieder.

Ringelband lebte zurückgezogen und doch gibt es viele, die ihm begegnet sind. Er vergab gern Jobs an Schüler und Studierende, die ihn in seiner Arbeit unterstützen. Er hatte ein Auto, fuhr aber nicht selbst, sondern ließ sich zu den Aufführungen fahren und die jeweiligen Chauffeure hatten dann oft Gelegenheit, mit ihm die Aufführungen auf den Presseplätzen zu besuchen. Andere schnitten für ihn Artikel aus Zeitungen aus und klebten sie auf.

Einige Erinnerungen an Wilhelm Ringelband fasste etwa der ehemalige Chefredakteur des Bergsträßer Anzeigers Karl-Josef Bänker im Jahr 2012 in einem Artikel zusammen. Noch in der Nacht nach einem Theaterstück habe er sich unverzüglich an seine Schreibmaschine gesetzt und seine Kritiken direkt in seine „Olympia“ getippt. Die mechanische Schreibmaschine schaffte bis zu sieben Durchschläge, die er dann per Express verschickte oder einem Boten übergab.

„Klingelte man, erschien Ringelband meist in einem gestreiften Morgenmantel an der Tür. Ab und zu musste man ein wenig warten. Der Kritiker feilte dann noch an den letzten Zeilen seines Textes. Man hatte dann Zeit, das Chaos auf sich wirken zu lassen. Was für Außenstehende unentwirrbar erschien, muss nach einem Ordnungsprinzip abgelegt worden sein. Zeitungen, Manuskripte, Programmzettel, Bilder waren im Flur und seinem Arbeitszimmer hüfthoch gestapelt. Man fragte sich jedes Mal, wie die Decken des alten Hauses mit diesen Lasten fertig würden“, schrieb Karl-Josef Bänker. Ringelband lebte sparsam und nahm ins Theater Pausenbrote mit.

Ebenfalls noch kennengelernt hat den Theaterkritiker der Bensheimer Fritz Dorsheimer. Als junger Mann und gelernter Werkzeugmacher, so seine Erinnerung, verdiente er sich bei dem Auerbacher Büromaschinenhändler Erich Klose Geld. Mehrfach war er dabei auf Hausbesuch bei Wilhelm Ringelband und stieg in dessen Haus in der Jahnstraße die mit Stapeln von Büchern und Zeitungen belegte Treppe hinauf, um die mechanische Schreibmaschine zu reparieren. Noch nicht ahnen konnte Dorsheimer damals, dass er viele Jahre später wieder mit Ringelband zu tun haben würde, wenn auch nicht mehr persönlich: Dorsheimer entwarf den goldenen Gertrud-Eysoldt-Ring, den er jedes Jahr zur Preisverleihung wieder individuell anfertigt.

Nach seinem Tod am 11. Oktober 1981, nur vier Tage nach seinem 60. Geburtstag, hinterließ Ringelband nicht nur ein überraschend großes Vermögen, sondern auch eine schier unüberschaubare Menge an Dokumenten. Der Bensheimer Stadthistoriker Carsten Niemann verbrachte ein Jahr mit der Sichtung und legte rund 500 Ordner an. 20 weitere gefüllte Umzugskartons soll es noch geben – ein ungehobener Schatz der Theatergeschichte.

Frankfurt lehnte das Erbe ab

Auch das finanzielle Erbe war nicht unproblematisch. Das Vermögen wollte Ringelband seiner Geburtsstadt Frankfurt vermachen, unter strengen Auflagen, unter anderem zur Gestaltung des Theaterpreises. Doch Frankfurt lehnte ab. Auch München als weiterer möglicher Standort wollte die Aufgabe nicht übernehmen. Ob die Gründe dafür in negativen Kritiken des eher konservativ eingestellten Ringelbands für die städtischen Theater lagen, wie manche munkelten, oder in den anspruchsvoll gestalteten Bedingungen, sei dahingestellt.

Dass für das Erbe auch Bensheim in Frage kommen könnte, war im Testament ebenfalls erwähnt. Der damalige Bürgermeister Georg Stolle ließ die Ringelbandschen Verfügungen auf Durchführbarkeit prüfen, erwirkte behördlichen Segen und griff zu. Fünf Jahre später wurde im Parktheater der erste Gertrud-Eysoldt-Preis an Doris Schade verliehen, ausgewählt von einer Jury der inzwischen in Bensheim ansässigen Deutschen Akademie der Darstellenden Künste.

Der ehemalige Bensheimer Kulturamtsleiter Bertold Mäurer hat die Verleihung dieses Preises rund 25 Jahre lang organisiert. In einem kürzlich veröffentlichten Podcast des Museums Bensheim erzählt er nicht nur viele Anekdoten von der Preisverleihung, sondern erinnert auch an Wilhelm Ringelband als Stifter des Preises.

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