Auerbach. Nicht bei jedem Weinliebhaber sind die Geschmacksnerven so ausgeprägt oder trainiert, um die Aromen von Gewürzen, Pfirsichen oder Waldfrüchten zu schmecken. Auch ist es eine Frage des ganz individuellen Geschmacks, ob eher der säurebetonte oder der fruchtig, erfrischende Wein mundet. Für die meisten ist am Ende entscheidend, dass der Wein schmeckt. So war es auch am Freitagabend bei der Weinverkostung der Weingilde Bergstraße, die im Rahmen des Bergsträßer Weinfrühlings im Bürgerhaus Kronepark in Auerbach Weine aus Europa vorstellte.
Die Idee dazu war im vergangenen Jahr im Hinblick auf die Europawahl entstanden. Schnell konnten dafür auch die Bensheimer Partnerschaftsvereine gewonnen werden, die sich schon seit Jahrzehnten zusammen mit den Städtepartnern von Bensheim dem europäischen Gedanken verschrieben haben.
Die im Auerbacher Bürgerhaus zur Verfügung stehenden 80 Plätze waren schnell ausgebucht und so konnte der Vorsitzende der Weingilde Manfred Berg zusammen mit Franz Turber, der sich federführend um die Organisation der Veranstaltung gekümmert hatte, diese spezielle Weinverkostung vor vollem Haus eröffnen.
Britischen Wein gibt es nur in kleinen Mengen
Insgesamt acht europäische Weine, fünf weiße und drei rote, waren im Angebot. Dazu gab es einen weiteren heimischen Rotwein von der Bergsträßer Weininsel Groß-Umstadt. Nicht alle kamen aus dem direkten Umfeld der Partnerstädte und waren von den Freundschaftskreisen vor Ort besorgt worden. Auch die Auerbacher Weinhandlung „Frihmess“ war bei der Beschaffung der europäischen Weine behilflich.
Wie beispielsweise bei dem englischen Tropfen, den Manfred Berg vorstellte. Er war der Protagonist für die englische Partnerstadt Amersham, mit der Bensheim seit 1977 verschwistert ist. Über die Partnerstadt informierte die frühere Vorsitzende des Freundeskreises Bensheim-Amersham und Stadträtin Waltrud Ottiger. Sie bezeichnete die Weinverkostung im Vorfeld der Europawahl als „hervorragende Idee“, denn der Wein sei ein völkerverbindendes Kulturgut.
Auch wenn das Vereinigte Königreich nicht mehr der EU angehöre, sei England europäisch und die deutsch-britische Partnerschaft werde weiterhin gepflegt, verwies Ottiger auf den Besuch der Amersham-Band zum Winzerfest 2024.
Britischen Wein, der in Südengland und Südwales angebaut wird, gibt es nur in kleinen Mengen. In Auerbach wurde ein Chapel Down Flint Dry (2021) aus Kent verkostet. Ein Cuvee-Wein aus Chardonnay, Pinot Blanc, Pinot Noir, Schönburger, Pinot Meunier und Siegerrebe, dem Berg eine „knackige Säure“ zuordnete, der aber auch „Lust auf mehr“ vermittelte.
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Aus der Nachbarschaft der polnischen Partnerstadt Klodzko kam ein besonderer Weißburgunder, den der deutsch-polnische Freundschaftskreis von seinem Weihnachtsbesuch mitgebracht hatte. Vorsitzender Hans Seibert berichtete von dem nahe Klodzko gelegenen Weingut Hople aus Paczków, das mit einer Rebfläche von fünf Hektar ein eher kleines Weingut ist. Angelegt wurde der Weinberg von einem ehemaligen Rennfahrer auf einem früheren Rodelhang des Dorfes, woraus sich auch der Name des Weingutes ergab.
Die Auto-Leidenschaft des Besitzers zeigt sich nicht nur in einem hier aufgebauten Automuseum, sondern auch bei den Weinen, die alle nach Automodellen benannt wurden. In Auerbach wurde ein „Carrera“ (2018) verkostet, der aufgrund seiner zwölfmonatigen Reife im Eichenfass eine besondere Geschmacksnote hatte. Der 2018er Jahrgang sorgte für deutliche Alterungstöne. Ein gewöhnungsbedürftiger „polnischer Exot“, aber auch ein „toller Beitrag“ – so war zu hören.
Die 2002 geschlossene Partnerschaft mit dem tschechischen Hostinné geht auf eine 1956 übernommene Patenschaft Bensheims mit den ehemaligen Bürgerinnen und Bürgern aus Arnau zurück. Die langjährige Vorsitzende des Freundeskreises, Carola Heimann, die schon früher als Stadträtin und Stadtverordnetenvorsteherin seit vielen Jahren jährlich nach Hostinné reiste, wies vor allem auf das Porciunkule-Fest hin, das Anfang August von den Franziskanern gefeiert werde. Da Heimann bei ihren Besuchen in Tschechien eher Bier als Wein trinke, überlies sie die Vorstellung des tschechischen Tropfens Robert Eberle von der Weingilde, der von einem „etwas gefälligeren“ Wein als dem polnischen Vorgänger sprach.
Der aus dem Weingut Sonberk (etwa 200 km von Hostinné entfernt) stammende „Pálava“ (2021) habe mit 14 Prozent zwar viel Alkohol, sei aber eine der „leichtesten Versionen“ der Sonberk-Weine.
Partnerschaft mit Beaune soll neu belebt werden
Aus der seit 1960 bestehenden ältesten Partnerstadt Beaune wurde mit dem Chorey-Les-Beaune (2022) ein Weißwein der Domaine du Lycée Viticole verkostet. Franz Turber sprach für den Wein und die Partnerschaft, die seit Corona „etwas eingeschlafen“ ist, aber zum Winzerfest wieder neu belebt werden soll. Bei dem neun Monate im Holzfass gereiften Chardonnay erfolgte ein biologischer Abbau der Säure, die bei einigen Weintrinkern vermisst wurde. Dennoch sei es dank seiner feinen Aromen und den exotischen Fruchtnoten ein „runder Wein“.
Der von Robert Eberle vorgestellte Wein aus Pfaffenheim wurde nicht von ungefähr ans Ende der Weißweine gestellt. Es handelte sich bei dem Gewürztraminer Steinert (2017) um einen „wunderschönen“ Dessertwein. Pfaffenheim ist eine an der Elsässer Weinstraße gelegene „spannende Weinbaugemeinde“, die seit 1994 mit dem Bensheimer Stadtteil Gronau verschwistert ist.
Für den Freundeskreis Manlay machte Stefanie Berg bei den Rotweinen den Anfang mit einem Spätburgunder Rully Les Varots (2018). Da Manlay über keinen eigenen Weinbau verfügt, wurde die Weingilde auf der Weinmesse in Straßburg mit einer „echten Überraschung“ fündig. Der Pinot Noir kommt von der Domaine de la Tour und sei auf Kalkboden gewachsen. Stefanie Berg schmeckte eine Kirsch-Brombeer-Note und etwas Cassis heraus und sah in dem „schlichten Burgunder“ einen guten Essensbegleiter.
Auch die ungarische Partnerstadt Mohács hat keinen Weinbau, der präsentierte Cabernet Franc „Mohácsi“ (2017) kommt aus dem Familienweingut Eberhardt in Mohács, dessen Weinberge zur Weinregion Pécs gehören. Er wurde als „sehr schöner weicher Wein mit einem gefälligen Geschmack“ vorgestellt.
Franz Müller, der Vorsitzende des deutsch-ungarischen Freundeskreises, erinnerte an die Anfänge der 1987 geschlossenen Städtepartnerschaft, die ihre Ursprünge in einem Radio-Quiz der von Hanns Verres moderierten „Schlagerbörse“ hatte. Ein wichtiger Bestandteil der Verbindung ist unter anderem der Schüleraustausch zwischen der Bensheimer Geschwister-Scholl-Schule und der Schule in Mohács.
Würzige Aromen und Geschmacksnoten von bitterer Schokolade und Preiselbeeren kennzeichneten den italienischen Pinot Noir „Maso Élesi“ (2020). Ein „Wein der ganz großen Klasse“ war zu hören aus dem Weingut Cantina di Riva aus Riva del Garda. Vorsitzender Rolf Richter stellte die seit 1988 bestehende Partnerschaft vor, die durch zahlreiche Aktivitäten vom Schüleraustausch über kulturelle Veranstaltungen und Reisen belebt werde.
Den Abschluss der Weinverkostung bildete der im Barrique gereifte Cuveé Noir (2020) von der Weininsel Groß-Umstadt. Stefanie Berg präsentierte diesen von der kleinen Odenwälder Winzergenossenschaft Vinum Autmundis produzierten Wein. Für Stefanie Berg ein „Meisterstück der Kellermeister“ mit perfekt abgestimmten Fruchtaromen und schmeichelnden Tanninen.
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