Bensheim. Während vor den Fenstern des modernisierten Bürgerhauses der Shake seine Fahrgäste zum Rotieren brachte, erlebte man im großen Saal des ehrenwerten Hauses einen kleinen Zeitsprung.
Bürgermeisterin Christine Klein begrüßte beim Empfang der Ehrengäste am Samstag die Besucher konsequent zum Bergsträßer Winzerfest 2020. Kein schwerer Fauxpas, vermutlich war der Wunsch Vater (oder Mutter) des Gedanken. Was gäbe man nicht dafür, die vergangenen zwei Corona-Jahre einfach mal aus dem Gedächtnis zu streichen und aus der Gesellschaft zu verbannen. Aber selbst wenn man sich durch die Kostproben der versammelten Weingüter ohne Rücksicht auf den Kater danach getrunken hätte: Die Realität holt einen irgendwann ein.
Schnell zurück in die Gegenwart
Im millionenschwer aufgepeppten, jedoch dennoch gut vorgeheizten Kultur- und Kongresszentrum, wie das Bürgerhaus neuerdings offiziell heißt, brachte die Fraa vun Bensem, die Bensheimer Sagengestalt aus der Vergangenheit, die Anwesenden in die Gegenwart zurück. Doris Walter wünschte sich und allen Beteiligten ein „wunderschönes Winzerfest 2022“, mit Betonung auf der Jahreszahl, versteht sich.
Zuvor hatte die Traditionsfigur der Heimatvereinigung Oald Bensem wie gewohnt den Wert des Weinfestes für die Einheimischen und die Winzer herausgestellt. „Es liegt uns allen am Herzen. Wir lieben unser Winzerfest.“ Sie betonte aber auch, wie wichtig in diesen doch unsicheren Zeiten Freundschaften über die Ländergrenzen hinaus seien – und schlug, ebenso wie die Rathauschefin, eine Brücke zu den Partnerstädten und den Delegationen aus ganz Europa, die am Wochenende in Bensheim verweilen. Es sei entscheidend, ein Netzwerk der Gemeinschaft durch die Länder zu knüpfen.
Doris Walter blickte aber auch auf die vergangenen beiden Pandemie-Jahre zurück. Zunächst habe man nur allein (in der Dehaam-Ausgabe) und 2021 nur ganz klein als Winzerwoche auf dem Marktplatz feiern können. Und jetzt seien bei der Planung die „tollsten Sachen“ passiert, spielte sie auf die Schwierigkeiten des Verkehrsvereins an, Zelte für das Winzerdorf und Material für den Aufbau zu beschaffen. „Alles hängt am Verkehrsverein, die fühlen sich manchmal auch ganz schön allein“, kommentierte die Fraa vun Bensem.
Letztlich hätte es die ehrenamtliche Truppe aber wieder geschafft- Nun stünden neun Tage im Zeichen des Weins bevor. Ob es so sein wird wie früher? Diese von ihr aufgeworfene Frage dürfte sich vermutlich abschließend erst in einer Woche beantworten lassen. „Wir alle sind jedenfalls bereit, gemeinsam zu feiern“, verdeutlichte Doris Walter, dass es an Willenskraft und Begeisterungsfähigkeit nicht mangeln wird.
Christine Klein dankte in ihrer Ansprache allen, die das Winzerfest zum Anziehungspunkt machen. Besonders hervorzuheben seien die Mitglieder des Verkehrsvereins mit Thomas Herborn und seinem Team an der Spitze. Unter schwierigen Voraussetzungen hätten sie eine hervorragende Leistung erbracht und unermüdlich daran gearbeitet, die diesjährige Großveranstaltung auf die Beine zu stellen.
Für viele Besucher sei es eine Selbstverständlichkeit, nach Bensheim zum Winzerfest zu kommen und zu feiern. Aber das sei alles nur möglich, weil die überwiegend ehrenamtlichen Helfer „ihre private Zeit opfern“. Klein erinnerte daran, dass sich das Winzerfest um den Wein dreht (für alle, die es nach der Corona-Zwangspause vielleicht vergessen haben) und eröffnete ihren Begrüßungsmaraton deshalb mit dem Vorsitzenden des Weinbauverbands Hessische Bergstraße, Otto Guthier. Die folgenden Minute waren der Auflistung von Würdenträgern, haupt- und ehrenamtlichen Politikern, Geistlichen, Personen in Leitungsfunktionen und den Hoheiten, die mit ihr auf der Bühne standen, gewidmet – was verständlicherweise stark an den Grundfesten der Aufmerksamkeitsdisziplin von mehreren hundert Zuhörern rüttelte. Den meisten Applaus erhielt wenig überraschend die Fraa vun Bensem.
Abschließend erinnerte die Bürgermeisterin an den Geist der Gründerväter des Winzerfests 1929, die das Ganze aus der Taufe gehoben hatten, um den Weinverkauf in Bensheim anzukurbeln. Auf die Werte von damals müsse man sich besonders in diesen Zeiten zurückbesinnen. Klein sprach in diesem Zusammenhang vom beliebten, geselligen Treffpunkt, der das Winzerfest sei. Konkreter wurde es, als sie auf die Partnerschaftsvereine zu sprechen kam. Es sei mit Blick auf die Entwicklungen der vergangenen Monate wichtig, Zusammenhalt und Freundschaften über die Grenzen hinaus zu pflegen.
Dazu hatte man am Wochenende, aber auch beim Empfang die Möglichkeit – bevor der Tross aus dem Bürgerhaus in Begleitung von Spielmannszug, Bürgerwehr und Biedermeiergruppe von Oald Bensem sowie befreundeter Bürgerwehren weiterzog zum Marktplatz, um den offiziellen Startschuss für das Winzerfest 2022 abzugeben.
Für die musikalische Umrahmung des Empfangs sorgte gewohnt hochklassig die Amersham Band aus der englischen Partnerstadt.
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