Damenbau

Skulpturen und Objekte aus Glas im Auerbacher Fürstenlager

Von 
Thomas Tritsch
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Cosmos Glas: Unter diesem Titel läuft zurzeit eine Ausstellung im Damenbau des Fürstenlagers. Zu sehen sind Skulpturen und Objekte unter anderem von (v.l.) Alkie Osterland, Mary Sych, Reiner Schlestein und Sabine Nein. © Neu

Auerbach. Bronze, Stein oder Holz: Jahrhundertelang stand der Kunst ein begrenztes Spektrum von Materialien zur Verfügung. Auch Glas ist einer der ältesten Werkstoffe der Welt, dessen kunsthandwerkliche Tradition vom alten Ägypten über das Mittelalter bis zur berühmten venezianischen Glaskunst der Renaissance und den Jugendstil-Entwürfen von Tiffany bis zur amerikanischen Studioglas-Bewegung Anfang der 1960er Jahre reicht.

Immer war es die Transparenz und perspektivische Varianz des Materials, von denen eine besondere Faszination ausging, die bis in die Gegenwart zu spüren ist. Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2022 zum International Year of Glass erklärt. Passend dazu, wenn auch rein zufällig, läuft in Auerbach derzeit eine Ausstellung mit sechs zeitgenössischen Glaskünstlern, die noch bis zum 22. Mai einen reizvollen Überblick über das kreative Potenzial des Werkstoffs ermöglicht.

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Zwei Jahre hat es gedauert, bis die Idee und die ersten Planungen der Kunstfreunde Bergstraße mit ihrer Vorsitzenden Sabine Müller in eine konkrete Werkschau umgesetzt werden konnten.

„Cosmos Glas“ titelt die Ausstellung im Damenbau des Fürstenlagers. Gezeigt werden Skulpturen und Objekte aus diesem harten und spröden, gleichzeitig aber auch zarten und haptisch reizvollen Material. Zusammengeführt wurde die Gruppe vom Zwingenberger Glaskünstler Reiner Schlestein, die weiteren Kreativen sind an der Bergstraße nicht jedem bekannt, doch unter Kennern ein Begriff für Ästhetik und technische Finesse, so die Veranstalter.

Silvia Lobenhofer-Albrecht, Wolfgang Mussgnug, Sabine Nein, Alkie Osterland und Mary Sych präsentieren Abstraktes, Figürliches und Konzeptionelles aus unterschiedlichen Fertigungs- und Gestaltungstechniken sowie Verarbeitungsweisen. Das Glas ist die Konstante dieser Werkschau: In seiner facettenreichen Textur und charismatischen Widersprüchlichkeit ist es hart und zerbrechlich, durchsichtig und verschlossen, stumpf und scharfkantig, glatt und rau, steril und warm, schwer und leicht.

Menschenbilder: Reiner Schlesteins schematische Menschenfiguren präsentieren sich wie bunte Schatten in einer besonderen Dynamik. Plastisch schillernde Lichtgestalten, in denen die lange Erfahrung mit Werkstoff und Werkzeug zum Ausdruck kommt und der Anspruch des Künstlers, keine aseptischen, perfekten Objekte zu gestalten, sondern sich lustvoll und kreativ dem Widerstand des Materials, der Zufälligkeit des Schmelzvorgangs und der Unberechenbarkeit des Prozesses auszuliefern. Dabei kommt es dem Künstler darauf an, die Objekte nicht zu uniformieren, sondern ihre schroffe Individualität und spezifische Lebendigkeit zu erhalten.

Werkstatt in Zwingenberg

Seit 1986 betreibt der gebürtige Warburger eine Werkstatt samt Galerie in der Zwingenberger Altstadt. Mit 23 Jahren hat Schlestein erstmals im Bereich Sandstrahltechnik gearbeitet. Es folgte eine Ausbildung bei der Glasveredelungstechnikerin Ursula Schönfeld, nach der er sich ganz auf die Fusing-Technik spezialisiert hat: Dabei werden Glasfragmente in verschiedenen Farben, Formen und Strukturen auf eine größere Glasscheibe gestreut und in einem Ofen bei zirka 850 Grad verschmolzen. Glassplitter oder Ausschusslinsen der optischen Industrie werden in Kunstobjekte verwandelt. Seit 22 Jahren ist der Mensch und seine Silhouette das zentrale Sujet: Schlesteins Figuren atmen Spontaneität, zeigen Luftblasen, Reliefstrukturen, Schlieren sowie Schmelz- und Brennspuren und eine archaische Grundhaltung, die sich mit der ästhetischen Schönheit der schlanken Menschenbilder vereint. „Der diffizile Fertigungsprozess ist eine handwerkliche Herausforderung, die der Glaskünstler mit jedem neuen Werkstück annimmt und konsequent ausformuliert“, so Alkie Osterland in ihrer Einführung bei der Vernissage.

Dass Reiner Schlestein neben der Arbeit in seiner Galerie „Prisma“ als Dozent für plastisches Gestalten an der Hochschule Darmstadt im Fachbereich Architektur tätig ist, spiegele zudem die hohe Schule seiner Profession. „Reiner Schlestein ist selbst ein Unikat – eine Lichtgestalt der Bergsträßer Kunstszene.“

Schmückendes: Die Glas- und Schmuckgestalterin Alkie Osterland arbeitet seit 1991 in eigener Werkstatt. Die gebürtige Würzburgerin mit Wahlheimat Baden ist in mehreren deutschen und europäischen Galerien vertreten, stellt regelmäßig in öffentlichen und privaten Galerien und Museen aus. In Auerbach zeigt sie unter anderem abstrahierte Landschaftsbilder als Relief. Motive voller lichter Farbigkeit, Schwerelosigkeit und Transparenz, die die Zerbrechlichkeit und innere Magie des Materials transportieren. So entstehen Wandarbeiten aus verschmolzenem Glas und massive gegossene Plastiken, oft in Verbindung mit grob bearbeitetem Holz. Auch in ihren Schmuckarbeiten spielt Glas die Hauptrolle. Kombiniert wird es häufig mit historischen Elementen der Schmuckindustrie.

Grafisch: Wolfgang Mussgnug stellt sein Glas regelmäßig auf der Glasbläserinsel Murano bei Venedig her. Die skripturalen Elemente und Fragmente in seinen Motiven sind selten lesbar, üben in ihrer grafischen Textur und narrativen Qualität aber einen starken Reiz auf den Betrachter aus. Ein Erzähler in Collagen und ein Architekt ästhetischer Glaselemente, die in ihrer sinnlichen Präsenz den Betrachter in ihren Bann ziehen.

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Buntes Konfekt: Aus der Kollektion von Mary Sych fallen zwei Arbeiten sofort ins Auge – das appetitlich bunte Glaskonfekt, das in seinem betörenden Glanz und der farbigen Fülle zum Anbeißen einlädt, und die Installation von Stahlhelmen, von denen einer mit einem fragilen Glasgitter überzogen ist. „buy 1 war – get 2 for free“ titelt das Kunstwerk sarkastisch. Die Glasdesignerin aus Nürnberg spielt gern mit Assoziationen und Wahrnehmungsautomatismen, ohne die ästhetische Komponente des Materials zu vernachlässigen.

Gegenständlich: Auch Sabine Nein aus Velden ergänzt Gegenstände mit geschliffenen Glaselementen. So wird aus einem Kuchenblech ein Sternenhimmel („Tears in Heaven“), in „Higher and Higher“ fertigt sie aus Glas, Eisen und Leder eine Skulptur, die vor der Endlichkeit des Wachstums warnt. Die Materialien kollidieren, stoßen sich ab – der Titel wird ästhetisch ad absurdum geführt.

Mit Metall: Der Weg von Silvia Lobenhofer-Albrecht führte über die Malerei zum Glas. In ihrem Atelier in Offenhausen fertigt sie Mixed-Media-Objekte aus Metall, Glas und Granit. Sie vereint Erfahrungen aus Architektur, Malerei und Textilgestaltung, viele Objekte bestehen aus klaren Metallstrukturen, denen die darin aufgespannten Glasteile Zartheit und Ausdruck verleihen.

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