Schönberg. Der Schönberger Ortsbeirat hat noch keine Entscheidung zur ersten Änderung des Bebauungsplans für das geplante Neubaugebiet Seegenberg getroffen. Die aktuelle Vorlage samt der Stellungnahmen aus der ersten Offenlage wurde am Donnerstag zwar ausführlich diskutiert, bei der Abstimmung hat sich das Gremium dann aber einvernehmlich seiner Stimme enthalten. Grund sind zu viele offene Fragen, die man gerne vorab beantwortet hätte.
Rund 800 Seiten umfasst das Komplettpaket, das den Ortsbeiräten eine Woche vor der Sitzung zugestellt wurde. Viel zu knapp, betonte Ortsvorsteher Michael Lortz im Haus am Dorfplatz. Er zeigte sich verwundert über das enge Zeitfenster und sprach von einer „unschönen Situation“. Es sei für ehrenamtliche Parlamentarier nicht möglich, in wenigen Tagen ein derart komplexes und fachlich anspruchsvolles Dokument durchzusehen und sachlich zu bewerten.
Viele Schwachstellen auch in der neuen Vorlage
An der grundsätzlichen Haltung gegenüber der Planung hat sich nichts verändert: Man hat nichts gegen eine Bebauung auf dem ehemaligen CBM-Areal. Doch inhaltlich und argumentativ erkennt man auch in der neusten Vorlage erhebliche Schwachstellen – und planerisch zu viel Stückwerk, um das Papier in seiner jüngsten Form einhellig abzunicken.
Unter anderem vermisst der Ortsbeirat Stellungnahmen seitens des Gremiums und einigen Bürgern, die während der Offenlage eingegangen seien. Zudem fehle ein aktuelles Verkehrsgutachten und ein Baumkataster. Auf ein dreidimensionales Modell und eine weitere Informationsveranstaltung (wie Ende Januar von der Stadt angekündigt) warte man ebenfalls noch.
Außerdem bezweifelt man die Qualität der angegebenen Hangsicherungsmaßnahmen an den abschüssigen Baufenstern. Der Zaun zur Streuobstwiese entspreche ebenfalls nicht der erforderlichen Stabilität. Und einiges mehr.
Schönberg wird um rund 300 Einwohner wachsen
Insgesamt sei die veränderte Vorlage aber besser als die Vorgänger. Aktuell bleibt es bei 155 geplanten Wohneinheiten auf knapp vier Hektar Fläche, was für Schönberg mit seine rund 800 Einwohnern einen Bevölkerungszuwachs von mindestens 300 Menschen bedeuten würde.
Erschlossen wird das Gebiet von der LBBW Immobilien Kommunalentwicklung aus Stuttgart, dem Käufer des Areals. 2015 wurde das Gelände veräußert, und seither viel diskutiert. Auch das Konzept wurde angepasst. Vor allem ging es dabei um den Verkehr, die Forderung nach einem Umweltbericht, die bauliche Dichte und die Belastung vorhandener Siedlungsstrukturen.
Ende 2020 hatte die Stadtverordnetenversammlung dann mehrheitlich für den geänderten Bebauungsplan gestimmt. Die Konzeption sah damals bis zu 170 Wohnungen vor, die in Ein- und Mehrfamilienhäusern entstehen sollten. Zwischenzeitlich war sogar von bis zu 200 Einheiten die Rede, die bei entsprechender Dichte theoretisch möglich gewesen wären.
Ameisenbläuling sorgt für luftigere Baudichte
Die aktuelle Planung bedeute letztlich 39 Wohneinheiten pro Hektar, rechnete Rudolf Volprecht vor. damit rangiere man an der Obergrenze für derartige Siedlungsbereiche. Im großen Ganzen erkennt Volprecht einen qualitativen Schritt nach vorn – was vor allem dem Ameisenbläuling zu verdanken sei. Eine Schmetterlingsart, die europaweit gefährdet und geschützt ist. Am Rande des Neubaugebiets stehen Pflanzen, die der Art als typische Nahrungsquelle dienen. Das Insekt hatte dafür gesorgt, dass Teile der Vorlage nochmals angepasst wurden, insbesondere die Baudichte wurde luftiger gestaltet. Sowohl der Falter als auch die künftigen Bewohner sollen von mehr Licht profitieren, ein Verschattungsgutachten hatte die Weichen gestellt. Auch die Bestandsimmobilien am Hofweg sollen nun nicht mehr durch zusätzlichen Schatten beeinträchtigt werden, heißt es.
Ortsbeirat Martin Frey äußerte sich in der Sitzung skeptisch bezüglich des parlamentarischen Prozesses. In Schönberg würde man in Windeseile einen „neuen Ortsteil“ aus dem Boden stampfen, während man sich bei der Entwicklung des Bensheimer Marktplatzes jahrelang Zeit lasse und etliche Optionen prüfe. „Das hat schon ein Geschmäckle.“ Ulrike Klöble zeigte sich enttäuscht darüber, dass der Anteil der Grünfläche nur noch ein Fünftel des Gesamtareals betrage. Auch die bauliche Ästhetik der geplanten Gebäude gefällt im Gremium nicht jedem.
Angesprochene Fragen zum Baugebiet sollen möglichst bald beantwortet werden
Michael Lortz wollte am Donnerstag aber keine neue Grundsatzdebatte entfachen. Er plädierte dafür, dass die angesprochen Fragen möglichst bald beantwortet sein sollten, um zeitnah eine klare Entscheidung (Ja oder Nein) treffen zu können. In einer eventuellen zweiten Offenlage könnten sich Bürger, Verbände und andere Akteure dann nochmals zu den veränderten Details und zum Gesamtvorhaben äußern – wenn die Stadtverordneten sich dafür entscheiden.
Bislang protokollierte Vorschläge, Anregungen oder Bedenken würden dann allerdings nicht automatisch in die nächste Version übernommen, gab Rudolf Volprecht zu Bedenken. Sie müssten also nochmals eingebracht werden, um im weiteren Prozess eine Rolle spielen zu können.
Auch Aspekte wie die künftige Verkehrsbelastung durch prognostizierte 150 bis 200 zusätzliche Pkw im Neubaugebiet, die Ausweisung von sozialem Wohnraum sowie zu erwartende verkehrstechnische Störungen während der Erschließungsphase waren Themen im Ortsbeirat, wo Michael Lortz auch einige Bürger begrüßte.
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