Richtfest

Sanner will ab September in Bensheim umziehen

Das Auerbacher Traditionsunternehmen Sanner realisiert zurzeit im Gewerbegebiet Stubenwald mit dem Neubau einer Produktionsstätte ein Jahrhundertprojekt. Am Donnerstag feierte das Unternehmen Richtfest.

Von 
Thomas Tritsch
Lesedauer: 
Im Bensheimer Gewerbegebiet Stubenwald entsteht zurzeit der neue Firmensitz der Auerbacher Sanner GmbH. © Thomas Zelinger

Bensheim. Der Abzug aus Auerbach bedeutet für Sanner nicht nur einen Wechsel des Standorts: Am neuen Sitz im Bensheimer Gewerbepark Stubenwald II will sich das Unternehmen auch strategisch besser positionieren und seine weltweite Marktführerschaft als Entwickler und Produzent von pharmazeutischen Trockenmittelverpackungen weiter ausbauen. Dafür soll der Bereich der Contract Development and Manufacturing Organisation (CDM) stärker fokussiert werden, wie Johannis-Willem van Vliet betont.

Der CEO der Sanner-Gruppe sagte am Donnerstag beim Richtfest, dass man sich künftig neben dem reinen Verpackungs-Sektor noch stärker auf die kundenspezifische Auftragsentwicklung und Herstellung von Arzneimitteln für Medizintechnik und Pharma konzentrieren möchte.

Auf dem rund 30 000 Quadratmeter großen Areal an der Bertha-Benz-Straße sollen auch für die Produktion komplexerer Baugruppen optimale Rahmenbedingungen geschaffen werden. Ein spezielles, 300 Quadratmeter großes Technologie- und Innovationszentrum zur Herstellung von maßgeschneiderten Lösungen und für den Prototypanbau ist Teil des enormen Komplexes, der momentan im Bensheimer Westen entsteht.

1894 in Auerbach gegründet

Der Sanner-Chef spricht von einem Jahrhundertprojekt für die GmbH, die 1894 in Auerbach gegründet wurde und vor gut zwei Jahren mehrheitlich vom britische Finanzinvestor GHO Capital Partners gehört. Nach 130 Jahren in Auerbach zieht die Gruppe Anfang September 2024 mit ihrem Produktionsstandort Deutschland innerhalb von Bensheim um. Bis Anfang 2025 soll die räumliche Verlagerung über die Bühne gegangen sein.

Die Mitarbeiter werden in eine hochmoderne Fertigungsstätte mit neuem Verwaltungsgebäude und massiv gesteigerten Produktionskapazitäten übersiedeln. Allein die Logistik ist mit einer Fläche von knapp 4000 Quadratmetern und einer Hallenhöhe von 16 Metern mehr als doppelt so groß wie an der Auerbacher Schillerstraße. Im Endausbau ist ein vollautomatisiertes Hochregallager geplant.

Neun Monate nach dem ersten Spatenstich erklang am Donnerstag der Richtspruch im künftigen Entwicklungs- und Technikzentrum, das bereits als architektonisches Skelett fertiggestellt ist. Die Arbeiten im Innern wie außen laufen nach Angaben des Unternehmens planmäßig und bislang störungsfrei. Für Johannis-Willem van Vliet ist der Umzug der richtige Zeitpunkt, um die kontinuierliche Weiterentwicklung des Verpackungs- und Trockenmittelportfolios für den Healthcare-Bereich sowie den Ausbau der Aktivitäten als CDMO zu forcieren.

Roham Hojjati (rechts) beim obligatorischen Richtspruch während des Richtfests der Sanner GmbH am Donnerstag am künftigen Firmensitz im Stubenwald. Im Hintergrund folgen CEO Johannis-Willem van Vliet (links) und Thorsten von Killisch-Horn vom Bauunternehmen Goldbeck den Ausführungen. © Thomas Zelinger

Im Stubenwald setzt Sanner auf den Ausbau der vollautomatischen Herstellung und Montage von Drug-Delivery-, Diagnostik- und Medizintechnik-Lösungen, so der CEO. Die Zahl der derzeit rund 230 Mitarbeiter in Bensheim soll unter der Digitalisierung nicht leiden – im Gegenteil: Mittelfristig wolle man im Zuge des avisierten Wachstums sogar mehr Kollegen einstellen.

Zunächst gehe es aber darum, die Übergangsphase erfolgreich zu bewältigen. Nicht einfach, denn während der Verlagerung laufen einige Prozesse parallel im Doppelbetrieb, was vor allem für Logistik und Fertigung zusätzliche Manpower in Form von externen oder befristeten Mitarbeitern nötig mache, so van Vliet, der von einem halben Jahr der räumlichen Transformation ausgeht.

„Es ist unsere Aufgabe, alles für die Zukunft des Unternehmens und seiner Mitarbeiter zu tun“, so der CEO. Dafür brauche es mutige Entscheidungen auch in unsicheren Zeiten wie diesen. Auerbach sei nicht das richtige Areal für ein solches Großprojekt. Der Standort platze bereits seit Jahren aus allen Nähten. Im Stubenwald ist auf einer ähnlich großen Grundfläche mehr möglich, weil man in die Höhe baut.

Übergangsphase ab dem Sommer

Die Strategie von Sanner, die auf den Säulen Primärverpackungen und CDMO basiert, sei ohne moderne Entwicklungs- und Produktionsbedingungen nicht umsetzbar. Denn das Unternehmen will – und muss – den globalen Kurs der Gruppe mitgehen, um seine Spitzenposition am Markt behaupten zu können.

Im chinesischen Kunshan ist jüngst eine zweite Produktionsstätte in Betrieb gegangen. Darüber hinaus soll das USA-Geschäft verstärkt werden. Aktuell betreibt Sanner außerdem Produktionsstandorte in Frankreich und Ungarn. Über 600 Mitarbeiter liefern weltweit Produkte in mehr als 150 Länder. Als Stammsitz will Bensheim innerhalb der Gruppe im internationalen Wettbewerb nicht hinterherlaufen.

Van Vliet spricht von einem Meilenstein in der 130-jährigen Firmengeschichte. Beim Richtfest begrüßte er auch die Geschwister Ute Sanner-Friedrich und Jürgen Sanner als Anteilseigner aus der Gründerfamilie.

Mehr zum Thema

Kommunalpolitik

Straßensanierung in Bensheim für 1,22 Millionen Euro

Veröffentlicht
Von
Thomas Tritsch
Mehr erfahren
Sanner

Eltern und Kinder forschen in Auerbach gemeinsam

Veröffentlicht
Von
Thomas Tritsch
Mehr erfahren
Chemie

BASF baut neue Anlage in Ludwigshafen

Veröffentlicht
Von
Bettina Eschbacher
Mehr erfahren

Auch Thorsten von Killisch-Horn vom Bau- und Dienstleistungsunternehmen Goldbeck bezeichnete die Übergangsphase ab Sommer nächsten Jahres als Herausforderung. Als Generalunternehmen sei man stolz, ein solch prominentes Projekt für die Region Bergstraße begleiten zu können. Neben Halle und Verwaltungsgebäude, deren Rohbau bis Ende des Jahres fertiggestellt sein soll, beginnen jetzt auch die Maßnahmen für den Bau des Parkhauses. Als Architekt ist das Konstanzer Büro Krehl-Girke im Boot.

Realisiert wird das Projekt von der Deutschen-Anlagen-Leasing (DAL), eine Objektgesellschaft fungiert als Bauherr. Dirk Wagner von DAL, übrigens ein Auerbacher, sprach von einem anspruchsvollen Vorhaben und einem innovativen Konzept, das wirtschaftliche und ökologische Aspekte vereine. Unter dem Projekttitel „Green Med Tech Park“ realisiert Sanner nach eigenen Angaben ein Musterprojekt für nachhaltiges und funktionales Bauen. Innerhalb der Gebäude sollen alle Prozesse optimal verzahnt und abgestimmt sein – eine reibungslose Abwicklung war in Auerbach insbesondere im Logistik-Bereich immer wieder als schwierig bemängelt worden.

Auch die Kombination des Standard-Portfolios mit den erweiterten Entwicklungs- und Serviceleistungen für Kunden wären am alten Standort nicht umsetzbar, wie es weiter heißt. Die Flächenversiegelung im Stubenwald, ohne die ein Neubau nicht auskomme, werde durch etliche „grüne“ Maßnahmen zumindest ein Stück weit relativiert, so Thorsten von Killisch-Horn.

Windräder für E-Mobilität

Durch die Reduzierung des Erdgasverbrauchs und den Einsatz moderner Wärmepumpen und eines automatisierten Austauschsystems will Sanner seinen ökologischen Fußabdruck weiter verbessern. Eine Photovoltaikanlage soll einen Großteil des Energiebedarfs in der Fertigung abdecken.

Die Haustechnik ist ohne fossile Energieträger konzipiert. Neben einer Dachbegrünung ist eine Abwärmenutzung geplant, die Wärmeversorgung soll ausschließlich über Luftwärmepumpen erfolgen. Kleine Windräder vor dem Gebäude erzeugen Strom für E-Mobilität. Durch viele Bäume und Pflanzen will das Unternehmen das Mikroklima vor Ort für die Mitarbeiter verbessern.

In der ersten Etage des Verwaltungsbaus soll gleich über dem Haupteingang die Geschäftsführung einziehen, im hinteren Bereich ist die Kantine geplant. Die Büros sind unterschiedlich groß konzipiert und sollen flexible Arbeitsmöglichkeiten bieten. Auch offene Work-Spaces sind integriert, um den modernen Arbeitsalltag abbilden zu können. Der Bereich für Entwicklung ist angeschlossen, das innenarchitektonische Konzept soll eine offene und kommunikative Atmosphäre ermöglichen, wie ein Goldbeck-Mitarbeiter bei einem Baustellenrundgang erläuterte.

Vorzeigeprojekt für den Standort

Landrat Christian Engelhardt sieht in der Umsetzung des Nachhaltigkeitsanspruchs eine beispielhafte Kombination von wirtschaftlich relevanter Flächennutzung und ökologischen Prämissen. Sebastian Rösel aus dem Vorstand der Sparkasse Bensheim erkennt in dem Neubau einen „Mehrwert für die gesamte Region“.

Bürgermeisterin Christine Klein bezeichnete es als keineswegs selbstverständlich, dass ein expandierendes Unternehmen, das in einem globalen Marktumfeld tätig ist, seine perspektivische Planung am bisherigen Standort realisiert. Sie sprach von einem Vorzeigeprojekt für den Wirtschaftsstandort Bensheim und einer sinnvollen Folgenutzung des Auerbacher Areals, auf dem nach der Verlagerung sukzessive neuer Wohnraum geschaffen werden soll. 25 Prozent sollen – wie mehrfach berichtet – für sozialen Wohnungsbau reserviert werden. Die Tochtergesellschaft Sanner Ventures wird am alten Standort bleiben.

Freier Autor

Copyright © 2025 Bergsträßer Anzeiger

  • Winzerfest Bensheim