Regionalplan

Bensheim könnte etwa 1.000 zusätzliche Einwohner aufnehmen

Bei einer Info-Veranstaltung wurden die wichtigsten Punkte des neuen Entwurfs erläutert, auf dessen Grundlage auch neue Wohnbebauung entstehen könnte

Von 
Frederik Koch
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Bensheim aus der Luft gesehen. Wie sich die Stadt in den kommenden Jahren räumlich entwickeln könnte, wird im neuen Regionalplan Südhessen festgelegt. © Thomas Neu

Bensheim. Wie wird sich Bensheim in den kommenden Jahren räumlich entwickeln? Wo entstehen neue Wohn- und Gewerbeflächen – und wo bleibt die Natur geschützt? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der neue Regionalplan Südhessen, der derzeit vom Regierungspräsidium Darmstadt erarbeitet wird und die Grundlage für die räumliche Entwicklung der Region bis etwa 2045 bildet. Um die Bürgerinnen und Bürger über den aktuellen Stand des Verfahrens zu informieren, hatte die Stadt Bensheim gemeinsam mit dem Planungsbüro Schweiger & Scholz zu einer öffentlichen Informationsveranstaltung in das Bürgerhaus Kronepark in Auerbach eingeladen. Knapp 70 Interessierte waren gekommen.

Michael Schweiger vom Büro Schweiger & Scholz stellte im Bürgerhaus Kronepark in Auerbach den aktuelllen Entwurf des Regionalplans vor. © Thomas Zelinger

Nach einer kurzen Begrüßung machte Bürgermeisterin Christine Klein deutlich, dass der Regionalplan nicht nur ein technisches Planungsinstrument ist, sondern konkrete Auswirkungen auf die Lebensrealität der Menschen in Bensheim haben wird. Sie betonte vor allem die aktuellen Engpässe im Bereich Siedlung und die „exorbitant hohen Baukosten“ in Bensheim. Im weiteren Verlauf ihrer Rede wies sie auf die langfristige Tragweite der Planung hin und machte deutlich, dass die heute getroffenen Entscheidungen über Jahrzehnte hinweg Wirkung entfalten werden. Dazu sagte sie: „Wir können fast davon ausgehen, dass der nun aufzustellende Regionalplan mindestens 10 bis 15 Jahre gilt.“ Man schaffe mit dem Regionalplan einen Rahmen, der für die nächste Generation Entscheidungsspielräume offenhält, was die weitere Entwicklung der Stadt betrifft.

Derzeit gültiger Regionalplan sei inzwischen deutlich überholt

Im Anschluss übernahm Michael Schweiger vom Planungsbüro Schweiger & Scholz die fachliche Präsentation. Er erläuterte den Aufbau, die Zielsetzung und die wesentlichen Neuerungen des Planwerks, das künftig die räumliche Entwicklung der Region für die kommenden Jahre bestimmen wird. Der derzeit gültige Regionalplan sei inzwischen deutlich überholt, da sich in den letzten anderthalb Jahrzehnten sowohl die demografischen Rahmenbedingungen als auch die Anforderungen an Klima-, Umwelt- und Ressourcenschutz erheblich verändert hätten.

Grundlage hierfür sind aktuelle Klimastudien, insbesondere die Landesweite Klimaanalyse Hessen, die Kaltluftentstehungsgebiete, Frischluftleitbahnen und Überwärmungszonen untersucht – alles Faktoren, die künftig verbindlich in der Raumplanung berücksichtigt werden müssen. Besonders wichtig sei der Grundsatz „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“, der besagt, dass zunächst innerstädtische Potenziale wie Brachflächen oder Baulücken genutzt werden sollen, bevor neue Baugebiete im Außenbereich ausgewiesen werden.

Balance zwischen Wachstum, Klimaschutz und Lebensqualität

Anhand von Karten und Beispielen stellte Schweiger die vorgesehenen Siedlungs- und Gewerbeflächen für Bensheim vor. Demnach sind neue Wohnbauflächen insbesondere im Bereich des Berliner Rings in Richtung Zwingenberg sowie eine zweite Fläche im Umfeld des Tegut-Kreisels vorgesehen. Bestehende Gewerbeflächen im Stubenwald sowie im Umfeld der Autobahnanschlüsse sollen überprüft und in Teilen erweitert werden können. Insgesamt sieht der Plan für Bensheim ein Entwicklungskontingent von maximal 22 Hektar für Wohnbebauung und 15 Hektar für Gewerbe vor. Diese sogenannten Flächendeckel dürfen künftig nicht überschritten werden – auch nicht durch Zielabweichungsverfahren. Damit wird die Flächenentwicklung strenger als bisher begrenzt. Zum Vergleich: Der bisherige Regionalplan aus dem Jahr 2010 hatte noch ein Vielfaches dieser Flächen vorgesehen.

Schweiger erläuterte, dass die vorgesehenen Kontingente auf die zukünftigen Bedarfe der Stadt abgestimmt seien und dabei eine Balance zwischen Wachstum, Klimaschutz und Lebensqualität gewährleisten sollen. Die Stadt könne auf dieser Grundlage etwa 1.000 zusätzliche Einwohner aufnehmen – vor allem, um bezahlbaren Wohnraum für Familien und Einheimische zu schaffen. Ein zentrales Anliegen des neuen Plans sei, vorhandene Infrastruktur optimal zu nutzen. Schweiger betonte in diesem Zusammenhang das „Prinzip der kurzen Wege“: Neue Wohn- und Gewerbeflächen sollen dort entstehen, wo bereits Erschließung, Versorgung und Verkehrsanbindung vorhanden sind, um zusätzlichen Flächenverbrauch und Verkehr zu vermeiden. Der neue Regionalplan unterscheidet zwischen Vorranggebieten, in denen bestimmte Nutzungen verbindlich festgelegt sind, und Vorbehaltsgebieten, in denen Kommunen eigene Abwägungen treffen können. In Bensheim betreffen die Vorranggebiete insbesondere klimatisch sensible Flächen im Übergangsbereich zum Odenwald, die künftig freigehalten werden sollen, um den Luftaustausch im Stadtgebiet zu sichern.

Regionalplan hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf Privateigentum

Schweiger erklärte, dass die Stadt Bensheim aufgrund ihrer Lage zwischen Rheinebene und Odenwald eine wichtige klimatische Funktion erfülle. Die nächtliche Kaltluft aus dem Mittelgebirge sorge für die Abkühlung der bebauten Flächen. Deshalb sollen diese Kaltluftleitbahnen im neuen Plan ausdrücklich geschützt werden. Darüber hinaus ist Bensheim im Landesentwicklungsplan als sogenannte Entlastungskommune ausgewiesen. Das bedeutet, dass die Stadt das Wachstum des Rhein-Main-Gebiets abfedern kann, ohne dazu verpflichtet zu sein. Schweiger stellte klar: „Der Regionalplan zwingt keine Kommune zum Bauen – er schafft nur den planerischen Rahmen, um auf Bedarf reagieren zu können.“

Ein bedeutender Punkt war zudem Schweigers Hinweis, dass der Regionalplan keine unmittelbaren Auswirkungen auf Privateigentum hat. Er richtet sich ausschließlich an die kommunale Planungsebene. Grundstückseigentümer würden weder enteignet noch zur Nutzung ihrer Flächen verpflichtet. Erst wenn eine Kommune selbst aktiv wird und Bebauungspläne aufstellt, komme es zu konkreten Veränderungen.

Themen wie Verkehrsanbindung und erneuerbare Energien wurden diskutiert

Im zweiten Teil der Veranstaltung erläuterte der neue Erste Stadtrat Frank Daum, der seit Kurzem das Dezernat für Bauen, Planung und Finanzen leitet, die politische Dimension des Themas. Er hob hervor, dass Bensheim im Vergleich zu früher deutlich weniger Entwicklungsfläche zugewiesen bekomme. Gleichzeitig betonte er die Notwendigkeit, Gewerbeflächen zu sichern, um Arbeitsplätze zu erhalten und die Einnahmen aus der Gewerbesteuer stabil zu halten. Daum erinnerte daran, dass die Stadt bei der Vergabe von Baugrundstücken ein soziales Punktesystem anwende, das Familien mit Kindern, Einheimische und Menschen ohne Wohneigentum bevorzugt.

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In der anschließenden Fragerunde diskutierten die Anwesenden intensiv über Themen wie Verkehrsanbindung, Grundwasser, Überschwemmungsgebiete, Flächenverbrauch und erneuerbare Energien. Besonders das Spannungsfeld zwischen Klimaschutz und notwendiger Siedlungsentwicklung sorgte für Debatten. Schweiger räumte ein, dass der aktuelle Entwurf in einzelnen Punkten noch überarbeitet werde – etwa bei der Abgrenzung klimatisch sensibler Zonen und der Abstimmung mit den Naturschutzbehörden. Zum Abschluss verwiesen die Verantwortlichen auf das Beteiligungsportal des Regierungspräsidiums Darmstadt, auf dem der vollständige Planentwurf eingesehen und eigene Stellungnahmen abgegeben werden können. Die endgültige Verabschiedung des neuen Regionalplans wird voraussichtlich nicht vor 2028 erfolgen.

Freier Autor für den Bergsträßer Anzeiger – ressortübergreifend an der gesamten Bergstraße tätig.

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