Einhausen. Wie viele und welche Flächen soll sich Einhausen zur künftigen Bebauung im Regionalplan Südhessen sichern? Um die Gemeinde in dieser Frage zu beraten, war am Dienstagabend Michael Schweiger vom Bensheimer Ingenieurbüro Schweiger und Scholz zu Gast im Bau-, Umwelt- und Gemeindeentwicklungsausschuss. Mitgebracht hatte er seinen jungen Kollegen Artem Schewtschenko, Projektleiter Bauleitplanung und Städtebau. Jara Grüner, die im Büro die gleiche Funktion hat, saß im Publikum.
Der neue Regionalplan, der gerade vom Land Hessen erstellt wird, werde für die kommenden 15 bis 20 Jahre gelten, verdeutlichte Schweiger. Im Kern geht es darum, dass die Kommunen sich Flächen in dem Plan sichern müssen, um sie später mit Wohnungen, Häusern oder Gewerbe bebauen zu dürfen. Das jetzt angegebene Kontingent an Flächen darf später nicht überschritten werden. Andersherum ist es aber kein Muss, die Flächen zu bebauen. Im derzeit geltenden Regionalplan seien insgesamt 40 Prozent der reservierten Flächen nicht umgesetzt worden. Nicht genutzte Kontingente verfallen und müssen bei der nächsten Aufstellung eines Regionalplans, vermutlich erst wieder um das Jahr 2050, neu beantragt werden.
Den Ausschussmitgliedern war die Tragweite ihrer Entscheidung bewusst: „Wir wissen nicht, was in 20 Jahren die dann aktiven Politiker für richtig halten“, sagte etwa CDU-Gemeindevertreter Winfried Knaup. Sein Kollege Marco Bauer verdeutlichte: „Wir legen uns heute nicht im Detail fest, aber wir halten alle Wege offen.“ Und Ausschussvorsitzender Daniel Degen meinte: „Ich weiß nicht, ob ich in fünf Jahren noch hier sitze. Die Planung bildet nur den Rahmen, aber wir sind auch künftig Herr der Entwicklung.“
In seinen etwa einstündigen souveränen, kenntnisreichen und verständlichen Ausführungen zum Regionalplan sagte Schweiger, die Aussage des Landrats sei richtig gewesen: Der Kreis Bergstraße habe sehr wenige Flächen zugewiesen bekommen. Seine fachliche und persönliche Meinung laute daher: „Mehr verlangen.“ Im Plan sind für Einhausen derzeit sechs Hektar Fläche für Wohnbebauung und drei Hektar Fläche für Gewerbebau reserviert. Er rate, zehn Hektar für Wohnbau und fünf für Gewerbe blocken zu lassen.
„Mit einem Bankergehalt aus Frankfurt kann ich hier weit springen“
Auch, wenn Einhausen kein Mittel- und Oberzentrum sei und auch keine offizielle Entlastungskommune für Frankfurt werde wie Bensheim: Den Druck, der von Frankfurt ausgehe, werde auch das kleine Einhausen in den kommenden Jahren zu spüren bekommen. Schweiger verdeutlichte die Zusammenhänge. Der Regionalplan basiere auf Prognosen, wie Hessen sich entwickelt. Danach seien in den Jahren 2020 bis 2040 in Hessen 367.000 neue Wohnungen erforderlich. „Über 80 Prozent davon bei uns in Südhessen“, was für die wirtschaftliche Stärke der Region spreche. In Frankfurt herrschten „abartig hohe Preise“ für Wohnraum von etwa 6.000 Euro pro Quadratmeter. Wohnungssuchende würden daher „in die Region drängen und hier anklopfen“. Schweiger: „Mit einem Bankergehalt aus Frankfurt kann ich hier weit springen, was ein Handwerker nicht kann.“ Daher gelte es, nicht nur neuen Wohnraum zu schaffen, sondern eine „sozialgerechte Wohnraumversorgung hinzubekommen“, so dass sich etwa auch junge Familien eine Wohnung leisten können. In jedem Fall gelte aber: „Wo ein Neubaugebiet entsteht, wird es immer dankbar angenommen.“ Die neu Zugezogenen würden sich dann recht schnell „in die Ortsgemeinschaft eingliedern“. Die derzeit im Plan reservierten sechs Hektar aber „decken keinen zweiten Knippel ab“.
Die von Schweiger vorgeschlagenen zehn Hektar sollen sich folgendermaßen verteilen: 3,5 Hektar für ein Wohngebiet „Halbe Neuröder“ im Norden Einhausens, 2,4 Hektar für das Neubaugebiet „Wilbers IV“ sowie 4,2 Hektar für das Gebiet „Im lichten Flecken“.
Im Bereich des Gewerbebaus soll zunächst das Einhäuser Gewerbegebiet „Nord II“ fertig erschlossen werden. Später, „wenn im Norden alles zu ist“, seien Gewerbeflächen im Süden am Waldrand denkbar. Die Lage sei für kleinere Handwerksbetriebe ideal, die Wohnen und Arbeit verbinden. Weit in der Zukunft sei eine gemeinsame Gewerbefläche mit Lorsch „über die Autobahn“ denkbar, „nach dem Bahnbau, wenn ohnehin alles aufgerissen ist“. Das sei in der Vergangenheit schon einmal angedacht worden, weil Lorsch flächenmäßig an seine Grenzen stoße.
Zusätzlich zu der Beantragung neuer Flächen soll in Einhausen auch der Bestand korrigiert werden. „Es ist ja alles legal entstanden“, sagte Schweiger. Ob Friedhof oder Sportanlagen: Es gehe darum, die tatsächliche Situation in den Plänen korrekt darzustellen. Das sei deshalb wichtig, um bei der Entwicklung neuer Flächen an die alten ordnungsgemäß „andocken“ zu können, erläuterte Schweiger auf Nachfrage von CDU-Gemeindevertreterin Stefanie Seitz.
Grüne: „Es kann woanders gebaut werden, aber nicht in Einhausen“
Die Innenentwicklungsflächen im Ortskern habe Einhausen „vorbildlich, überproportional ausgeschöpft“. Jedoch, so Schweiger: „Wir werden die Außenentwicklung zwingend brauchen, um eine Wohnraumentwicklung gewährleisten zu können.“ Genau dagegen spricht sich die Fraktion Bündnis 90 / Grüne in der Gemeindevertretung aus. Ihre Position vertrat im Ausschuss Volker Koch. Er sagte in der sich dem Vortrag anschließenden Diskussion: „Es kann woanders gebaut werden, aber nicht in Einhausen. Wir wollen nicht, dass Einhausen durch neue Wohngebiete größer wird. Denn der Ortskern wächst nicht mit.“ Eine Entwicklung im Bestand und eine Korrektur der bestehenden Flächen sei für seine Fraktion aber in Ordnung. Daniel Degen versuchte, ihn zu überzeugen: „Das kann ich verstehen, aber wir wollen uns nichts verbauen.“ Koch antwortete, auch die Grünen wollten nichts verbauen, aber in einem anderen Sinne.
Koch formulierte seine Bedenken: „Wir schaffen Tatsachen, indem wir den Bedarf nach neuen Flächen nach oben melden.“ Das Argument „alles kann, nichts muss“ ließ er nicht gelten. Denn es sei unfair anderen Kommunen gegenüber, Flächen für sich in Anspruch zu nehmen und diese dann verfallen zu lassen. Daniel Degen entgegnete: Ja, es sei vielleicht unfair anderen gegenüber, „aber es ist Spielraum für uns“, den es sich zu sichern gelte.
Bei der abschließenden Abstimmung der neun anwesenden Ausschussmitglieder stimmten folglich die beiden Grünen-Mitglieder Volker Koch und Michael Reeg dagegen, den Wunsch nach zehn Hektar Fläche für Wohnbebauung und fünf Hektar Fläche für Gewerbebau ans Regierungspräsidium zu melden. Winfried Knaup aus der CDU-Fraktion enthielt sich. Die sechs weiteren Ausschussmitglieder von CDU und SPD, die an diesem Abend da waren, stimmten dafür.
Nun muss der Beschluss des Ausschusses noch von der Gemeindevertreterversammlung am 11. November bestätigt werden. Anschließend könnte Bauamtsleiterin Heike Kaiser den Einhäuser Bedarf in ein Internetformular des Regierungspräsidiums einpflegen, damit dieser fristgerecht zum 18. Dezember dort eingeht. Ohne eine Stellungnahme der Gemeinde bliebe es beim derzeit für Einhausen vermerkten Bedarf von sechs Hektar Fläche für mögliche künftige Wohnbebauung und drei Hektar für Gewerbebau.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/einhausen_artikel,-einhausen-welche-flaechen-sich-einhausen-im-regionalplan-sichern-will-_arid,2337762.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim.html
[2] https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/lorsch.html