Michaelsgemeinde

Michaelsforum in Bensheim über die Wege zweier Reformatoren

Interessanter Vortrag von Hans Jürgen Basteck über Thomas Müntzer, Martin Luther und die Bauernkriege

Von 
Hans-Günter Dolle
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Hans Jürgen Basteck referierte beim Michaelsforum über die Reformatoren Thomas Müntzer und Martin Luther. © Thomas Zelinger

Bensheim. Am Mittwochabend begrüßte Pfarrer Philip Geck beim Michaelsforum der evangelischen Michaelsgemeinde den Ökumene-Referenten beim Dekanat Bergstraße Hans Jürgen Basteck, der auch als Gemeindepfarrer in Bürstadt tätig ist. Unter der Überschrift „Thomas Müntzer und Martin Luther – Die verschmähte Reformation?!“ referierte der Theologe in seinem knapp einstündigen Vortrag vor interessiertem Publikum über die beiden genannten Personen, ihr Verhältnis zueinander sowie ihre Rolle im Bauernkrieg von 1525, der sich dieses Jahr zum 500. Mal jährte.

Im Spätsommer war Pfarrer Basteck beim Besuch eines regionalen Kirchentags des Partnerkirchenkreises Eisleben-Sömmerda, der sich unter dem Motto „Schafft Recht und Gerechtigkeit“ dem Gedenken an Thomas Müntzer und den Bauernkrieg gewidmet habe, auf dieses Thema aufmerksam geworden und setzte sich daraufhin näher damit auseinander.

Über die Herkunft Müntzers sei nur recht wenig bekannt, so Basteck. Geboren um 1490 in Stolberg im Harz studierte er in Leipzig und Frankfurt/Oder, schloss sich dann bald der Reformation an und war längere Zeit als Wanderprediger unterwegs gewesen. Im Laufe der Zeit habe er sich Luther immer mehr entfremdet und sich zunehmend radikalisiert; aus Prag sei er ausgewiesen worden, aus Zwickau habe er fliehen müssen.

1523 erhielt er schließlich eine feste Anstellung als Pfarrer in Allstedt. Dort habe er den Gottesdienst in Deutscher Sprache eingeführt, geheiratet und eine Familie gegründet. Doch schon bald sei er auch dort wieder vertrieben worden. Er habe sich für einen wichtigen Prediger, einen auserwählten neuen Propheten und Wegbereiter für „Gottes Gericht“ gehalten und sei offenbar fest davon überzeugt gewesen als „Hammer Gottes“ in apokalyptischen Bildern das anstoßen zu müssen, was Gott dann umsetzen würde.

Im Bauernkrieg habe sich Müntzer dann als deren geistiger Führer dem aufständischen Bauernheer angeschlossen und sich endgültig von Luther distanziert, den er gar als „Bruder Mastschwein“ oder „Bruder Sanftleben“ bezeichnete.

Luther seinerseits hat Müntzer als „Satan von Allstedt“ gebrandmarkt und sich weitgehend von dessen radikalen Thesen distanziert. Er habe zwar zu Beginn des Bauernaufstands noch geäußert, Gott strafe die Herrschenden mit diesem Aufstand, sich aber schon wenig später klar gegen die Bauern gestellt, nachdem er kurzzeitig zu vermitteln versucht habe.

Abschaffung der Leibeigenschaft propagiert

Die dummen Bauern hätten ihn missverstanden, Leibeigenschaft abschaffen zu wollen, hieße, den Herrn ihren Besitz zu rauben. Die Bauern handelten nach seiner Sichtweise aus reinem Egoismus als Sünder und Verbrecher. Es sei deren Pflicht, ihre Rolle zu erdulden und ihre Freiheit sei lediglich als innere Überzeugung zu verstehen.

Trotz der genannten Gegensätze waren aus Sicht des Referenten beide Theologen maßgebliche Reformatoren und Teil des damaligen Umbruchs. Während Luther auf Stabilität bedacht gewesen sei und die bestehenden Herrschaftsverhältnisse habe erhalten wollen, habe Müntzer den radikalen Umsturz mit Umverteilung zu Gunsten der Armen und Abschaffung der Leibeigenschaft propagiert.

Nachdem er dann im Zuge der Niederschlagung der Aufstände gefangen genommen, gefoltert und am 27. Mai 1525 bei Mühlhausen/Thüringen enthauptet wurde, sei Müntzer auch von Luther quasi zum Sündenbock gemacht worden. Man habe versucht ihn totzuschweigen, bis ins 19. Jahrhundert hinein habe er als Ketzer gegolten.

Zu enge Verbindung zur Obrigkeit vorgehalten

Erst im 20. Jahrhundert sei er dann neu gedeutet und bisweilen als Vorreiter revolutionärer Umbrüche bezeichnet worden. Der Philosoph Ernst Bloch, der nach dem Krieg als Professor zunächst in Leipzig und später in Tübingen lehrte, bezeichnete ihn schon 1922 als „Theologen der Revolution“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg sei er dann von der DDR-Führung als sozialrevolutionäres Vorbild vereinnahmt worden. So habe der erste SED-Vorsitzende und DDR-Präsident Wilhelm Pieck die dortige Bodenreform als Umsetzung von Müntzers Zielen deklariert.

Müntzer sei als Vordenker des Kommunismus und der besseren Deutschen gefeiert worden, zumal seine Wirkungsstätten auf dem späteren DDR-Gebiet gelegen hatten. Diverse Schulen und andere Einrichtungen habe man nach ihm benannt, Denkmäler von ihm erstellt und sein Konterfei auf dem 5-Mark-Schein abgedruckt. Er sei den meisten DDR-Bürgern bekannt gewesen, wobei wohl vielen dabei sein theologische Hintergrund gar nicht bewusst gewesen sei.

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Aus heutiger Sicht müsse auch von Luthers Aussagen insbesondere zum Bauernkrieg einiges relativiert werden. Es sei überliefert, dass ihn dessen tragischen Ereignisse und Opfer bis zu seinem Lebensende verfolgten. Er sei wohl ein von den Umständen seiner Zeit Getriebener gewesen, von dem in jedem Stadium der sich überschlagenden Ereignisse eine Stellungnahme erwartet worden sei, die er dann auch meist prompt geliefert habe.

Die Reformation sei handhabbar geblieben, da Luther sich anpassungsfähig gezeigt und eng mit den Herrschenden zusammen gearbeitet habe. Das sei ihm noch bis in die Neuzeit als deutlich zu enge Verbindung zur Obrigkeit vorgehalten worden.

Müntzer hingegen sei von der Realität überfordert gewesen und mit seiner dogmatischen Forderung nach einem Gottesstaat gescheitert. Auch der Bauernaufstand insgesamt sei als gescheitert zu bewerten, er habe letztlich diesen Stand noch über lange Zeit zurückgeworfen.

Pfarrer Basteck antwortete in der abschließenden Fragerunde, er habe bei seinen Recherchen keine Belege dafür gefunden, dass sich Thomas Müntzer und Martin Luther tatsächlich jemals persönlich getroffen hätten. Er wurde mit reichlich Applaus und einer Flasche Wein vom Kirchberg verabschiedet.

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