Bensheim. Eine Projektreise, die unter dem Motto „Erinnerungskultur im Dialog“ stand, führte 30 Oberstufenschülerinnen und -schüler der Geschwister-Scholl-Schule nach Krakau und Auschwitz. Begleitet wurde die Gruppe vom jüdischen Fotografen Rafael Herlich, der die vielfältigen Eindrücke während dieser besonderen Reise dokumentierte und in einer Ausstellung zeigen wird.
Nach der Ankunft in Krakau bezog die Schülergruppe zunächst ihr im jüdischen Stadtteil Kazimierz gelegenes Hostel. Bei einer Stadtführung erhielten die Schüler erste Einblicke in die Stadtgeschichte Krakaus vom Mittelalter bis zur Gegenwart. An den beiden folgenden Tagen wurde dann das ehemalige Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau besucht. Die Gruppe nahm sich für beide Besuchstage jeweils über drei Stunden Zeit zur Erkundung dieser Orte des dunkelsten Kapitels deutscher Geschichte.
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Im Stammlager I in Auschwitz mit der Aufschrift „Arbeit macht frei“ über dem Eingangstor wurden verschiedene Blöcke besichtigt, in denen Insassen gefangen gehalten, Menschenversuche durchgeführt und heute unter anderem Überreste von den Habseligkeiten der Inhaftierten und Getöteten aufbewahrt werden.
Gegen das Vergessen
Gegen das Vergessen und für ein aktives Erinnern setzten die Schüler ein Zeichen und legten im Namen der Schulgemeinde ein Gesteck an der Gedenkstelle „Schwarze Wand“, auch als „Todeswand“ bekannt, nieder. Während der nationalsozialistischen Terrorherrschaft wurden dort zahlreiche Todesurteile vollstreckt. Bereits vor der Reise nach Auschwitz haben sich die Schüler für ein Zitat der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer als Aufschrift der Trauerschleife entschieden: „Es gibt kein christliches, kein muslimisches, kein jüdisches Blut. Es gibt nur menschliches Blut.“
Am Folgetag besichtigte die Projektgruppe dann in Birkenau das Stammlager II, das größte Vernichtungslager der Nationalsozialisten. Die Häftlingsbaracken, die Bahnschienen zur Selektionsrampe und die Ruinen der Gaskammern und Krematorien zeigen bis heute die Schrecken der maschinellen Vernichtung von über einer Million Menschen. Am Gedenkstein für die Opfer des Holocaust entzündeten die Schüler bei einem traditionellen Totengebet (Kaddisch), das von Rafael Herlich für seine ermordeten Großeltern gesprochen wurde, Kerzen und gedachten dabei der Toten.
Besuch der Fabrik von Oskar Schindler
An beiden Tagen wurden in Auschwitz-Birkenau intensive und bewegende Erfahrungen gemacht. Die Verantwortung, die Vergangenheit der nationalsozialistischen Verbrechen wachzuhalten, hat sich durch den Besuch bei allen Schülern gefestigt und verstärkt.
An den kommenden drei Tagen beschäftigten sich die Schüler mit der Krakauer Stadtgeschichte während der NS-Zeit. Beim Besuch der Fabrik von Oskar Schindler – bekannt aus dem Film „Schindlers Liste“ – wurde die deutsche Besatzungszeit Krakaus von 1939 bis 45 im Hinblick auf Zwangsarbeit, die Situation der jüdischen Bevölkerung im Krakauer Ghetto sowie die Rolle von Oskar Schindler thematisiert.
Gespräch mit der Holocaust-Überlebenden Anna Janowska Cioncka
Im Galicia Museum konnten dann Einblicke in die jüdische Vergangenheit und Gegenwart Polens gewonnen werden. Dort arbeiteten die Schüler unter dem Titel „Nach Auschwitz!“ auch an einer Projektidee, mit der ihre Eindrücke und erinnerungskulturellen Perspektiven weitergetragen werden sollen. Münden soll diese Idee in der Erstellung eines Informationsflyers für nachfolgende Schülergruppen, die sich auch auf diesen Weg der Erinnerungskultur begeben wollen. Unterstützt wird die Gruppe bei der Umsetzung dabei vom Darmstädter Fotografen Christoph Rau.
Zum Abschluss der Fahrt hatten die Schüler noch zwei sehr bewegende Begegnungen. Zum einen bestand die Gelegenheit, mit der 1936 geborenen Holocaust-Überlebenden Anna Janowska Cioncka über ihr bewegendes Schicksal und das ihrer Familie zu sprechen. Ausführlich berichtete sie über die Tötung ihrer Familienmitglieder und wie für sie ein Weiterleben nach diesen traumatischen Erfahrungen möglich war.
Zum anderen traf die Projektgruppe drei junge Menschen aus der Ukraine, die als Geflüchtete aus Butscha über ihre Erlebnisse und die Situation in ihrem Heimatland berichteten. Beide Gespräche waren für alle Beteiligten sehr eindrucksvoll.
Lehrreiche Woche
Eine ereignisreiche und sehr lehrreiche Woche in Polen liegt hinter den Schülern, in der viele neue Eindrücke gewonnen und aus den historischen Erkenntnissen Perspektiven für ein fried- und respektvolles Miteinander in Gegenwart und Zukunft entwickelt wurden. Ein großer Dank gilt allen Gesprächspartnern und Menschen, die ihre Biografien mit den Schülern geteilt und zur erfolgreichen Umsetzung dieser Projektfahrt beigetragen haben, heißt es von Seiten der Geschwister-Scholl-Schule.
Dass aus der Idee Wirklichkeit werden konnte, ist in besonderer Weise der Förderung der „Bethe-Stiftung“ zu verdanken, zu deren Förderschwerpunkten der Bereich Erinnerungskultur gehört. Seit 2010 fördert sie Schülerreisen in ehemalige Vernichtungsstätten, insbesondere Auschwitz-Birkenau.
Daneben unterstützten die „Sanddorf-Stiftung“, die sich für Völkerverständigung hinsichtlich der deutsch-polnischen Beziehungen einsetzt, und die „Axel Springer Stiftung“ das Projektvorhaben mit Zuschüssen.
Auch die Hessische Landeszentrale für politische Bildung förderte das Projekt im Rahmen ihres Engagements für Gedenkstättenfahrten und Fahrten zu Erinnerungsorten. Schließlich trug auch der schulische Förderverein „Freunde der Geschwister-Scholl-Schule Bensheim“ dazu bei, die Projektfahrt umzusetzen. red
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