Geschwister-Scholl-Schule

Hass und Hetze auch auf dem Fußballplatz in Bensheim

Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland, sprach über Sport als Brücke und die Situation von Juden in Deutschland.

Von 
Thomas Tritsch
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Bensheim, Geschwister-Scholl-Schule, Diskussionsrunde mit Alon Meyer, Präsident Makkabi Deutschland, 22.02.2024; Foto: Thomas Zelinger © Thomas Zelinger

Bensheim. Sein Leben lang arbeitet Alon Meyer daran, Juden und Deutsche zu versöhnen – durch Sport. Nun fragt sich der Präsident von Makkabi Deutschland, ob das alles vergebens gewesen sein soll. Denn Hass und Hetze seien hierzulande nach wie vor an der Tagesordnung. Der Hamas-Angriff auf Israel im Oktober hatte außerdem weitere schwerwiegende Folgen für das jüdische Leben in der Bundesrepublik. Sogar im Sport.

Die pro-palästinensischen Demonstrationen und antisemitischen Parolen hätten dazu geführt, dass selbst Sportler Angst haben, sich mit ihrem Makkabi-Trainingsanzug auf den Weg ins Stadion oder auf den Sportplatz zu machen. Auch, wenn sich die Situation mittlerweile leicht entspannt habe, ändere dies nichts am grundlegenden Problem, so der gebürtige Frankfurter.

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Durch die Gewalt im Nahen Osten war der Sportbetrieb der jüdischen Vereine in Berlin wegen Sicherheitsbedenken gestoppt worden. Für Meyer ein herber Rückschlag für die Gesellschaft und eine Niederlage der demokratischen Werteordnung. Auch Makkabi Frankfurt, dessen Präsident er ebenfalls ist, hatte die Sicherheitslage nach dem Angriff neu bewerten und die Maßnahmen verschärfen lassen. Die Spiele und Trainingseinheiten konnten einigermaßen weitergehen. Die Trainer und Betreuer, allein in Frankfurt etwa 200 Ehrenamtliche, standen trotzdem auf dem Platz oder in der Sporthalle.

An der Grenze des Erträglichen

Die Lage in Deutschland befinde sich gegenwärtig an der Grenze des Erträglichen. Viele Eltern sorgten sich, dass ihre Kinder Opfer von Attentaten werden könnten. Kurz nach dem Massaker vom 7. Oktober 2023 – ein Terrorakt der radikalislamistischen Hamas – mit 364 ermordeten Festivalbesuchern war auf deutschen Straßen offen gegen Israel und Juden demonstriert worden.

Die Parole „From the River to the Sea, Palestine will be free“ („Vom Fluss bis zum Meer wird Palästina frei sein“) sei eine klare politische Forderung für die Vernichtung des israelischen Staats und damit ein Fall von Volksverhetzung, betonte Meyer, der den Wunsch nach Freiheit auf Seiten Palästinas ebenfalls nachvollziehen könne. In jedem Fall sei es untragbar, wenn Fußballprofis mit Millionen von Followern in sozialen Medien „Free Palestine“ verlautbaren und somit alles gefährden würden, was Makkabi in Jahrzehnten aufgebaut habe.

Gegen alle Kräfte aufstehen, die unsere Gesellschaft spalten wollen

„Wir als Demokraten müssen gegen alle Kräfte aufstehen, die unsere Gesellschaft spalten wollen“, sagte der 49-Jährige am Donnerstag anlässlich des Gedenktags in der Geschwister-Scholl-Schule für ihre Namensgeber, die am 22. April 1943 hingerichtet wurden. Meyer bezeichnete die Widerstandskämpfer Hans und Sophie Scholl („Die Weiße Rose“) als Menschen mit Haltung und Zivilcourage, die das Unrecht erkannt und nicht weggeschaut haben, sondern für Demokratie und Freiheit gestorben sind. „Es gibt wenige wie sie“, so der Sohn des Makkabi-Gründers Wolfgang S. H. Meyer, der 1965 den Turn und Sportverein Makkabi Frankfurt ins Leben gerufen hatte.

Meyer, 1928 in Berlin geboren, flieht mit den Eltern 1934 vor den Nazis als Sechsjähriger nach Tel Aviv. Die Familie kommt in den 1950er Jahren zurück nach Deutschland. Er studiert in Frankfurt und beginnt dort, auch das jüdische Leben wieder mit aufzubauen.

Heute geht es dem Verein um die Förderung des Amateursports sowie kulturellen oder sozialen Tätigkeiten mit dem Ziel, Juden und Nicht-Juden unter dem Dach des Sports zusammen zu bringen und gemeinschaftlich Brücken zu bauen. Der Präsident des Dachverbands ist für bundesweit 40 Ortsvereine (der größte in Frankfurt) und weit über 5000 Mitglieder verantwortlich.

Gewalt gegenüber Sportlern hat viele Gesichter

Neben dem Fußball gibt es fast 30 weitere Abteilungen. Längst ist Makkabi ein Sammelbecken aller Nationen und Religionen. Weniger als 20 Prozent der Mitglieder sind jüdisch, es gibt viele Muslime, Christen und Buddhisten. Doch was einer glaubt, ist den Machern ohnehin egal. Es gibt zahlreiche Nationalitäten, aber man versteht sich als eine Familie. Hautfarbe, Religion und sexuelle Orientierung spielen keine Rolle. Wer sich das Trikot überzieht, gehört dazu.

Das hat sogar dazu geführt, dass Muslime mit dem stilisierten Davidstern als Vereinswappen auf der Brust öffentlich als Juden angefeindet wurden. „Sie werden mit Ressentiments konfrontiert, die sie außerhalb des Clubs nicht erleben würden. Das lässt sie nicht nur verstehen, sondern auch aufstehen“, so Alon Meyer im Forum der Schule, wo Schulleiter Thomas Stricker den prominenten Gast begrüßte.

Die Gewalt gegenüber den Sportlern hat viele Gesichter. Es beginnt mit Rufen, geht über Handgreiflichkeiten bis hin zu Messerattacken. Selbst in Jugend-Ligen haben Makkabi-Kicker schon Hitlergrüße und antisemitische Sprüche erlebt. Dies habe vieles zerstört, was lange und mühevoll aufgebaut worden sei, so der Präsident, der sich in Bensheim auch den Fragen der Schüler gestellt hat. Unter anderem zum Thema Rassismus im Profifußball. „Wir dürfen uns nichts vormachen. Das ist nicht nur in der Anonymität von 50 000 Zuschauern so, sondern auch bei Profisportlern.“

„Inakzeptabel und indiskutabel“

Viele nutzen ihre Social-Media-Reichweite – oftmals unreflektiert, manchmal bewusst mit dem Unrecht solidarisch. Einst sorgte Mesut Özil mit einem Foto mit Erdogan für einen Affront, und im Herbst sorgte der FC Bayern München mit seinem Verteidiger Noussair Mazraoui für einen Eklat: Der Club hatte den marokkanischen Profi ohne Konsequenzen weiter im Verein spielen lassen, nachdem dieser in einem Post Palästina den Sieg über Israel gewünscht hatte. „Das ist inakzeptabel und indiskutabel!“ Ganz anders hatte Mainz 05 auf seinen Spieler Anwar el Ghazi, Niederländer mit marokkanischen Wurzeln, reagiert, der sich auf Instagram ebenfalls israelfeindlich gezeigt und offenbar auch nach mehreren Gesprächen mit der Klubführung keine grundsätzliche Abkehr von seiner Haltung offenbart hatte. Der Verein stellte den Stürmer daraufhin frei. Die Anonymität und Streuung von Social Media kommentiert Meyer als eines der größten Probleme unserer Zeit.

Von den Fans und Zuschauern erhofft er sich einen „Aufstand der Anständigen“. Wenn eine Handvoll Stadionbesucher rassistische oder antisemitische Parolen schreit, müsse die Masse reagieren und diese in die Schranken weisen. Es sei ein Irrglaube, dass der Sport nicht politisch sei. Mit der Folge, dass er von radikalen Gruppen missbraucht wurde und wird. Von den Schülern erwartet der Makkabi-Chef, dass sie sich aus der Komfortzone heraus bewegen, eine lebendige Erinnerungskultur pflegen und sich für eine freiheitlich-offene Gesellschaft stark machen. „Demokratie ist kein Automatismus!“

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