Bensheim. Die Stadt hat sich herausgeputzt, die ein oder andere Problemzone etwas kaschiert und die Fahnen gehisst: Lang lebe das Bergsträßer Winzerfest, könnte man in die Weite der Fußgängerzone rufen - wäre das größte Weinfest in Südhessen nicht ohnehin schon mit einer Langlebigkeit gesegnet, um die sie andere Festivitäten beneiden.
Seit 1929 wird dem Rebensaft und seinen Erzeugern fast durchgängig gehuldigt, unterbrochen nur durch Krieg und jüngst die Pandemie. Corona quält zwar immer noch die Gesellschaft, aber eine Debatte über die Sinnhaftigkeit von Großveranstaltungen im Spätsommer 2022 gab es nicht. Und wenn ab Mitte September auf der Theresienwiese in München die Bierzelte gefüllt sind und ein Millionenpublikum anlocken, wer mag da schon über ein abgespecktes oder abgesagtes Winzerfest in Bensheim sprechen.
Vorfreude und Feierlaune
Vorfreude und Feierlaune hat man sich an der Bergstraße sowieso selten verderben lassen. Nun steht ab Samstag (3.) die 84. Auflage der Traditionsveranstaltung an und ohne übertrieben optimistisch klingen zu wollen: Der Verkehrsverein hat seine Hausaufgaben für eine erfolgreiche Freiluft-Party gemacht. Das Winzerdorf auf dem Marktplatz steht und sollte für den Ansturm gerüstet sein. Es war zwar ein Nerven- und Geduldsspiel, die notwendigen Zelt zu bekommen (wir haben berichtet), aber Vorsitzender Thomas Herborn verfügt als einer von der Hessentagsbeauftragten und langjähriger Chef-Organisator des Winzerfests über ausreichend Routine und ein stabiles Nervenkostüm.
Allerdings dürften die Bensheimer in diesem Jahr wohl das teuerste Weinfest aller Zeiten in der größten Stadt im Kreis abhalten, als Kostentreiber hat sich der Aufbau des Winzerdorfs schon erwiesen, wenngleich genaue Zahlen öffentlich nicht vorliegen.
Über die Finanzen des Vereins werden sich die meisten der 100 000 erwarteten Besucher in den nächsten neun Tagen kaum Gedanken machen. Die Erfahrung der jüngsten Festivitäten in der Region zeigt vielmehr: Die Leute zieht es raus, sie wollen feiern, sich treffen und nach zwei harten Corona-Jahren und vor einem womöglich harten Herbst und Winter ein paar gesellige Stunden verbringen. Im Kollektiv genießt es sich manchmal eben doch am besten.
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Wenn es auf die Festmeile verschlägt, den erwartet bis Sonntag, 11. September, ein Programm, das allen Abnutzungserscheinungen trotzt. Nach der offiziellen Eröffnung ab 18.30 Uhr im Winzerdorf steht am Sonntag (4.) gleich der erste Höhepunkt an. Der Festzug durch die Innenstadt. Um 14 Uhr setzen sich Motivwagen, Fußgruppen, Hoheiten und Musiker in Bewegung. Los geht es an der Carl-Orff-Straße, über die Darmstädter Straße erreicht die Parade dann das Zentrum. Über den Ritterplatz und die Rodensteinstraße ziehen die Teilnehmer weiter in die Promenaden- und Bahnhofstraße. Nach einem Marsch durch die Neckarstraße trudelt der Umzug in der Rodensteinstraße langsam auf.
Etwas mehr als 80 Zugnummer haben sich bei der Stadt gemeldet, ein Rückgang um 20 Prozent, der vor allem der Pandemie und den Sommerferien geschuldet sein dürfte. Da für Sonntag Sommerwetter gemeldet wird, dürften Tausende an der Straße stehen und den Tross verfolgen.
Nicht vergessen sollte man in diesem Zusammenhang die sowieso schon stark belasteten Einsatzkräfte: THW, DRK, Feuerwehr und Polizei sowie städtische Mitarbeiter kümmern sich um einen reibungslosen und möglichst sicheren Ablauf, Straßensperren inklusive.
Fester Bestandteil des Festzugs bleibt die Prämierung der schönsten Festwagen und Fußgruppen. Eine Jury entscheidet wie gehabt, wer mit den Geldpreisen bedacht wird.
Nach dem Auftakt-Sonntag ist bekanntlich vor dem Tag der Betriebe (5.). Am Montag wird die Fußgängerzone zum weinseligen Hotspot für Firmen und Betriebe. Prognose: Es wird voll werden, sollte es nicht Katzen und Hunde regnen. Wovon die Meteorologen aktuell nicht ausgehen.
Was man für den Aufgalopp am Wochenende noch wissen muss: An Live-Musik im Winzerdorf wird es nicht mangeln, der Rummelplatz zwischen Beauner Platz und Rinnentor bietet Abwechslung vor allem für die Jüngeren - und auch beim Winzerfest-Comeback schadet es nicht, das Auto stehenzulassen und mit dem Bus oder dem Fahrrad anzureisen.
Der Extra-Busservice für die Festtage, vor langer Zeit mal Nachteule getauft, bringt alle nach Hause, die mehr als nur einmal leicht am Halwe genippt haben.
Für die Radfahrer werden unter anderem vor dem Sparkassengebäude Gitter aufgestellt, an denen man das Zweirad anketten kann. Und der Bauhof freut sich über alle Besucher, die wissen, wohin der Müll gehört. Das reduziert für die Männer und Frauen nämlich den morgendlichen Aufwand, der Innenstadt wieder ein manierlichen Äußeres zu verpassen.
Eine kleine Premiere soll abschließend nicht unerwähnt bleiben. Das für mehr als 13,2 Millionen Euro generalüberholte und selbstredend modernisierte Bürgerhaus reiht sich wieder als Spielstätte ein. Neben dem Empfang für die Ehrengäste am Samstag wird es dort erstmals seit 2017 die Gebietsweinprobe geben, an der 16 Winzer teilnehmen. In diesem Sinne: Mögen die Bergsträßer Wein-Spiele beginnen.
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