Bensheim. „Nazareth“? Ja, das sind die mit „Love hurts“ und „Dream on“. Original-Sänger Dan McCafferty starb zwar bereits vor zehn Jahren, aber mit Carl Sentance gibt es einen würdigen Ersatz am Mikro. Im Musiktheater Rex zeigen die Schotten, was eine Hardrock-Harke ist. Die vor 55 Jahren gegründete Band, bei der als Gründungsmitglied nur noch Bassist Pete Agnew aktiv ist, sorgte am Montagabend für ein proppenvolles Haus.
Newsletter "Guten Morgen Bergstraße"
Die Rocklegenden sind an diesem Abend gut drauf. Was vor allem am Shouter liegt, der auf der Bühne immer unterwegs ist und im Kontakt mit dem Publikum – wenn das auch seine Monologe manchmal nicht nachvollziehen kann. Eigentlich gibt’s die Scheibe „Surviving the Law“ seit vergangenem Jahr auf dem Markt, doch mit der war die Band bereits vor einem Jahr auf Tour. Deshalb heißt es nun „Solid Rock“. Nazareth spielt die alten Gassenhauer, die noch nichts von ihrer Faszination verloren haben.
Auch die Hits "Love Hurts" und "Hair of the dog" im Reportoire
Das wollen die altgedienten Fans und auch jüngere natürlich hören: die größten Hits aus 55 Jahren Bandgeschichte. Denn viele Besucher begleiten die Band dem optischen Anschein nach schon seit etlichen Jahrzehnten. Und natürlich werden sie nicht enttäuscht. „This flight tonight“ ist ein solcher Kracher. Oder aber die beiden Schmusesongs „Dream on“ und „Love Hurts“, die selig mitgesungen werden.
Seit 2015 am Mikro: Carl Sentance. Er ist eindeutig das Energiezentrum der Band. Der 62-Jährige beherrscht beim Auftritt im proppenvollen Rex die Bühne, ist immer präsent. Der Waliser gibt den alten Rocknummern ordentlichen Schwung – im Gedenken an Vorgänger und Gründungsmitglied Dan McCafferty. Er hat eine richtige Rock-Röhre mit einer gehörigen Portion Reibeisen in der Stimme.
Vater und Sohn auf der Bühne
Der 77-jährige Pete Agnew hat augenscheinlich viel Freude daran, immer noch zu touren, neue und vor allem alte Musik rauszuhauen. Absolut konzentriert und mit seligem Lächeln auf den Lippen liefert er routiniert seine Parts ab, lässt sich ab und zu sogar zu ein paar Schritten Richtung Drums oder Mikro hinreißen. Das Schlagzeug bleibt in der Familie, dort sitzt seit 1999 sein Sohn Lee.
Gitarrist Jimmy Murrison, bereits seit 29 Jahren in der Band aktiv, ist nicht unbedingt der Entertainer vor dem Herrn. Er reißt mehr oder weniger nach Schema F sein Set runter. Wobei es in den meist drei Minuten langen Stücken sowieso wenige Möglichkeiten gibt, sich zu beweisen. Aber Nazareth muss sowieso keinen großen Anstrengungen machen, die Fans bei Laune zu halten. Die begeisterten Besucher bejubeln die vielen Hits. Die aktuelleren sind gute Heavy-Hausmannskost, die älteren haben sich längst in den Gehörgängen eingenistet, so dass sich gleich bei den ersten Tönen Wiedererkennungseffekte einstellen. Alles atmet den Geist der 70er Jahre. Nazareth lebt, das zeigen auch die Klassiker „Razamanaz“, „Hair of the dog“ oder „Miss Misery“ aus der Glanzzeit.
Viel junges Publikum bei den alten Rockern
„Love leads to madness“ ist fast ein Schunkler, das folgende „Sunshine“ sieht Sentance an der Akustikgitarre und alles ein wenig runtergedreht. Dass die Gruppe auch anders – härter – kann, macht sie gleich danach wieder deutlich. Die Coverversion von Joni Mitchells „This flight tonight“ war vor 50 Jahren ein internationaler Hit und erreichte in Deutschland Platz 1 der Hitparade.
Dass viel junges Publikum in der Güterhalle ist, liegt auch an den beiden Vorgruppen: Sons of Sounds und The Ground Shaker könnten Söhne und Enkel der Hauptband sein, sorgen aber für eine Frischzellenkur und dafür, dass gediegener Hardrock, der in den 70er Jahren Maßstäbe setzte und Vorreiter für so manche Stilrichtung war, immer noch präsent bleibt und gefeiert wird.
URL dieses Artikels:
https://www.bergstraesser-anzeiger.de/orte/bensheim_artikel,-bensheim-nazareth-hardrock-musiktheater-rex-_arid,2149102.html