Bensheim. Der Museumsverein Bensheim feiert Jubiläum: Vor 50 Jahren, am 13. August 1974, wurde er gegründet – allerdings schon zum zweiten Mal, denn er war eine Neuauflage des gleichnamigen Vereins aus dem Jahr 1908. Dieser Verein hatte am Anfang des 20. Jahrhunderts nach dem Vorbild anderer Städte die Gründung eines Museums vorantreiben sollen.
Im Rahmen eines wahren Museumsgründungsbooms mit einer Fülle von Regionalmuseen und lokalen Raritätenkabinetten hatte es auch in Bensheim schon 1880 ein „Gewerbe-, Landwirtschafts- und pädagogisches Museum“ im Wambolter Hof gegeben, das drei Jahre lang mit städtischer Unterstützung unterhalten und dann aufgegeben wurde.
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Der neue Impuls zur Gründung eines Museums – und eines entsprechenden Vereins – ging dann von einer Grabung am Lorscher Seehof aus, bei der man glaubte, den Ursprung des Klosters Lorsch gefunden zu haben, und die neue Impulse zur Auseinandersetzung mit der Heimatgeschichte gab.
Erste Ausstellungsstücke trafen kurz nach Gründung ein
Bei der konstituierenden Sitzung des Museumsvereins im September 1908 wählten die 30 anwesenden Herren einen aus zwölf Personen bestehenden Vorstand, darunter der Architekt Heinrich Metzendorf, der Gymnasiallehrer Karl Henkelmann und Vertreter von Handel und Gewerbe der Stadt. Den Vorsitz hatte laut Satzung der Bürgermeister der Stadt Bensheim, damals war das Ignaz Frenay. Das sollte den Anschluss an die Stadtverwaltung gewährleisten, die das Museum als Träger finanziell unterstützte.
Bald nach der Gründung setzte eine Flut von Stiftungen als museal eingestufter Gegenstände ein, darunter Dinge wie alte Steigbügel oder ein nicht mehr dem Stand der Technik entsprechender Dachdeckerhammer, aber auch die noch im heutigen Museum ausgestellten Kammerherrenschlüssel. Im Dezember 1909 eröffnete man zwei Erdgeschossräume in der alten Domkapitelfaktorei.
Die Stiftungen hörten nicht auf und 1912 konnte das Museum um zwei Räume im ersten Obergeschoss der Faktorei erweitert werden. Die Räume wurden von der Stadt zur Verfügung gestellt, die auch für deren Unterhaltung, Beleuchtung und Beheizung sorgte.
Erster Weltkrieg und Nationalsozialismus
Doch während des Ersten Weltkriegs wurde das Museum geschlossen und erst 1922 unter der Leitung von Lehrer Henkelmann wieder eröffnet. Bis 1931 scheint der Verein sehr rege gewesen zu sein. Dann musste ein Raum des Museums plötzlich geräumt werden, weil er anderweitig gebraucht wurde. Es folgte die Suche nach einer endgültigen Unterbringung der damals als Heimat- und Odenwaldmuseum bezeichneten Sammlung, die dann doch wieder nur sehr vorübergehend im Gebäude des Dalberger Hofs untergebracht wurde, denn im Februar 1934 wurde mit fünf Stimmen bei zwei Gegenstimmen die Vereinsauflösung beschlossen.
Die „Mitteilungen“ erschienen erstmals 1979
Bei aller Sorge um das Museum hatte der Verein von Anfang an weitere Projekte betrieben. So wird seit Juli 1979 zweimal jährlich ein Heft der „Mitteilungen“ nicht nur an die Mitglieder verschickt, sondern als begehrte Quelle zur Heimatgeschichte auch an vielen öffentlichen Stellen zur kostenlosen Mitnahme ausgelegt und von der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt und in Leipzig gesammelt.
„Erwarten Sie bitte keine wissenschaftlichen Abhandlungen oder sensationelle Forschungsergebnisse. Dafür sind Fachzeitschriften und wissenschaftliche Verlage zuständig. Wir wollen Sie auf möglichst unterhaltsame Weise über die Arbeit unseres Vereins unterrichten, …“, hieß es bescheiden im Editorial des ersten Hefts.
Maßgeblich in der Redaktion arbeiteten seit 1979, sich im Lauf der Zeit ablösend, Irmgard Most, Rudolf Köster, Manfred Berg und aktuell Alexander Wick.
Die Themen der „Mitteilungen“ waren von Anfang an breit angelegt. Es ist von Veranstaltungen des Vereins wie Exkursionen und Vorträgen zu lesen, von Ausstellungen oder besonderen Exponaten des Museums, von historischen Themen aus der Region und immer wieder auch von bemerkenswerten Persönlichkeiten. Ein Schwerpunkt sind die Lokalgeschichte und die Denkmalpflege. Die erste vereinseigene Veröffentlichung war übrigens im Jahr 1974 ein Kalender mit sechs Zeichnungen des Schönberger Künstlers Heinz Soell, die Bensheimer historische Gebäude zeigen. eba
Eine Rolle dabei gespielt haben dürfte der nationalsozialistische Bürgermeister Nachtigall, der die Auflösung beantragte und zur Beratung stellte. „Die Versammlung währte knapp fünf Minuten“, hieß es im Bergsträßer Anzeigeblatt damals.
Die Machtübernahme des Nationalsozialismus bedeutete damals das Ende aller demokratisch und pluralistisch organisierten Vereine. Das Museum wurde von der Stadt übernommen, die es im Jahr darauf schloss und die Sammlungen einlagerte.
Die Xylamonbrigade von Diether Blüm
Im Zweiten Weltkrieg wurden die – ja nun in städtischem Besitz befindlichen – Bestände durch Diebstähle und Plünderungen erheblich dezimiert. Dennoch wurde das Museum ohne Unterstützung eines Vereins schrittweise wieder eröffnet. 1948 inventarisierte der Lehrer Richard Matthes ehrenamtlich die Restbestände und versuchte in einem unzerstört gebliebenen Anbau des beschädigten Rathauses, der sogenannten Mehlwaage, einen Wiederaufbau des Museums.
Im April 1952 wurde das Museum eröffnet und zeigte vornehmlich Bodenfunde aus eigenen Beständen und Leihgaben des Heppenheimer Heimatforschers Heinrich Gieß. Nach einem Jahr wurde das Gebäude abgerissen. Der Museumsbetrieb kam zum Erliegen bis im Juni 1960 am heutigen Standort, immer noch unter Leitung von Richard Matthes ein städtisches Museum eröffnet werden konnte.
1972 wurde Diether Blüm Leiter des Museums. Mit einer unter dem Namen Xylamonbrigade bekannt gewordenen Gruppe von Ehrenamtlichen sicherte er unter anderem antiquarische Möbel, Gemälde und Alltagsgegenstände aus Abbruchhäusern.
Gründung noch vor dem Hessentag
Die Etablierung eines Museums, das namengebende Hauptanliegen des ehemaligen Vereins, war damit letztlich verwirklicht. Dennoch gab es 40 Jahre nach Auflösung des ersten Museumsvereins eine Neugründung mit dem Heimatforscher Wilhelm Weyrauch als 1. Vorsitzenden. Schon seit den 1960er Jahren hatte es auf Anregung des Bürgermeisters Wilhelm Kilian Ansätze zur Gründung eines Historischen Vereins gegeben, der eine Art historischer Beirat der Stadt werden sollte.
Die Vorsitzenden des Museumsver eins Bensheim seit der Gründung ...
Schließlich drängte aber Kilians Nachfolger Georg Stolle erfolgreich auf Gründung eines Museumsvereins. Er sollte die Zuweisung von Landesmitteln für das Bensheimer Museum über einen dem Hessischen Museumsverband angeschlossenen Verein ermöglichen – und es stand der Hessentag 1976 vor der Tür, bei dem sich Bensheim unter anderem mit einem respektablen Museum präsentieren wollte. Am 26. Juni 1974 rief Weyrauch eine Versammlung von zwölf Männern und Frauen zusammen, die die Gründung beschlossen.
Mitglieder der Gründungsversammlung des Museumsvereins Bensheim: Wilhelm Weyrauch, Martin Hellriegel, Werner Fillauer, Diether Blüm, Karl Voltz, Herwig Spieß, Elisabeth Solf, Irmgard Most, Werner Most, Maria Zillig, Karl Otto Schütz, Horst Schütz.
Erweiterung der Sammlung "durch die Mithilfe der Bürger" steht an erster Stelle
Die Gruppe erarbeitete eine Satzung, die sie am 13. August im Gasthaus Ritter am Ritterplatz annahm. Mehr als 50 Personen folgten einer Einladung zu einer am selben Tag ebenfalls im Ritter abgehaltenen Veranstaltung, bei der schließlich 43 Personen dem just gegründeten Verein beitraten und dann den Vorstand wählten. Neben Wilhelm Weyrauch gehörtem ihm Wilhelm Dexheimer als stellvertretender Vorstand, Karl Voltz als Schatzmeister und Irmgard Most als Schriftführerin an. Bürgermeister Stolle, Bernd-Philipp Schröder, Herwig Spieß und Werner Fillauer wurden Beisitzer.
Fahrten und Vorträge
Ein Standbein des Vereins waren auch die beliebten Fahrten, über die nicht zuletzt einige Mitglieder gewonnen werden konnten. Fahrten gibt es auch heute noch, zuletzt im September 2023 nach Ladenburg, doch bedeutete die Pandemie ab dem Frühjahr 2020 hier einen deutlichen Einschnitt.
Zuvor gab es mindestens zwei bis drei Ausflüge pro Jahr zu historisch interessanten Orten vorwiegend im Inland. Regelmäßig aber wurden wesentlich mehr, nämlich sechs Exkursionen im Jahr veranstaltet, in Spitzenjahren wie zum Beispiel 1983 gab es sogar neun organisierte Ausflüge. Die meisten waren als Tagesfahrten angelegt, doch führten auch mehrtägige Exkursionen zum Beispiel in benachbarte Länder.
Auch das von Anfang an wichtige Vortragsprogramm zu historischen Fragestellungen wird bis heute fortgesetzt. Doch wird die hohe Frequenz der Anfangsjahre nicht mehr erreicht – in den ersten zehn Jahren soll es insgesamt 165 Vorträge gegen haben.
Vortragende waren und sind sowohl überregionale Experten als auch Spezialisten des Vereins, zuletzt war im November 2023 ein Vortrag von Rudolf Schmitt über Sankt Georg als Kirchen- und Stadtpatron von Bensheim zu hören. eba
In der Satzung des Vereins steht bis heute die Förderung des Museums und die Erweiterung der Sammlungen „durch die Mithilfe der Bürger“ an erster Stelle, doch werden auch Ziele der Denkmalpflege und der Erforschung von Baudenkmälern, die Auswertung des Stadtarchivs, die Pflege der Mundart, Führungen, Vorträge und Veröffentlichungen genannt. In den Presseveröffentlichungen der Gründungszeit ist auch von angestrebten Ausstellungen mit zeitgenössischer Kunst die Rede.
Nach einem positiven Auftakt kam für die Vereinsmitglieder eine Enttäuschung
Der junge Verein setzte sich für die verbesserte Unterbringung und Erweiterung des Museums ein und verstand sich als ideeller und materieller Förderer des Museums. Doch knirschte es bald zwischen dem Verein und Museumsleiter Diether Blüm samt seiner Xylamonbrigade, die mit etwa 25 Mitarbeitern aller Berufe und aller Altersstufen vom Jugendlichen bis zum Senior Fotos, Bücher und Plakate archivierte, Waffen und Keramik restaurierte, Vitrinen baute, Bestände inventarisierte oder Sonderausstellungen zusammenstellte. Museumsleiter Blüm war gleichzeitig Leiter des Stadtarchivs und Angestellter im Verkauf des städtischen Weinguts.
Die Vereinsmitglieder sahen Hoffnungen enttäuscht, die einige von ihnen schon in den 1960er Jahren an die Forderung eines zeitgemäßen Museumskonzepts geknüpft hatten. Mit dem neuen Verein hatten sie neue Impulse geben wollen, nicht zuletzt durch aktive Mitarbeit. Nach einem positiven Auftakt, bei dem Bürgermeister Stolle und Museumspfleger Diether Blüm sich in Absprache mit dem Verein über neue Räumlichkeiten Gedanken gemacht hatten, war es bald zu einer ablehnenden Haltung Blüms gekommen, der aus seiner Gruppe ehrenamtlicher Mitarbeiter heraus 1978 die Gründung eines konkurrierenden Vereins „Arbeitsgemeinschaft Heimatmuseum Bensheim e. V.“ betrieb, mit sich selbst als Vorsitzendem und Martin Hellriegel als Stellvertreter. Die Stadtverwaltung entwarf für diese Arbeitsgemeinschaft eine Vereinssatzung: Der jeweilige Vorsitzende sollte von der Stadt vorgeschlagen werden. Der Museumsverein sah seine Rolle als Förderverein des Museums in Frage gestellt. Unter Hinweis auf den bedeutenden Beitrag des Museumsvereins, unter anderem bei der Anschaffung des noch heute ausgestellten Giraffenhalsklaviers für das Museum, formulierte der Verein die Erwartung, „dass er aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit durch die Stadtverwaltung entsprechend gewürdigt und behandelt“ werde.
Neuanfang in den 1980er Jahren
Ein Wandel in dieser problematischen Beziehung zwischen Verein und Stadt/Museum kam mit der 1981 vom Magistrat beschlossenen Übernahme der Museumsleitung durch Irmgard Most, die wie zuvor schon Blüm und Hellriegel Gründungsmitglied des Museumsvereins gewesen war.
„Diether Blüm wird sich auf die Arbeit im Archiv konzentrieren. Als nächstes wird die Archivierung der Akten seit 1945 auf ihn zukommen, die bisher teilweise im Rathausturm gestapelt waren. Die Bestände belaufen sich auf 600 Regalmeter Akten“, lautete die lapidare Mitteilung der städtischen Pressestelle zu dieser Personalie.
Die entscheidende, das Museum gestaltende Rolle, in der der Museumsverein sich bei der Gründung 1974 gesehen hatte, sollte er dennoch weiterhin nicht einnehmen. Das Engagement der Stadt, von der Ertüchtigung des Gebäudes über die Einrichtung einer Museumspädagogik bis hin zur Etablierung des heute hauptamtlichen Museumsleiters wuchs stetig und trieb die Professionalisierung des Museums voran. Doch damit war nur eines der in der Satzung verankerten Vereinsziele erreicht.
Auch neuere Geschichte findet im Museum ihren Platz
Immer im Blick hat der Museumsverein auch die Denkmäler im öffentlichen Raum. So entdeckte der aktuelle Vorsitzende des Museumsvereins Klaus H. Jöckel vor einigen Jahren eine geschnitzte Tafel vom 1954 abgerissenen Mespelbrunner Hof an einem restaurierten Haus in der Zeller Straße. In den 1990er Jahren sicherten Mitglieder des Museumsvereins einen aus rotem Sandstein gearbeiteten Ornamentstein bei Umbauarbeiten in einem Türgewände eines Hauses in der Oberen Hasengasse, der heute als karolingische Steinmetzarbeit gilt.
Und auch mit der neueren Geschichte beschäftigt man sich: Der Gedenkstein an die Kirchbergmorde des Jahres 1945, der im Edelmannsgrund hoch über dem Brunnenweg steht, bekam auf Anregung des Museumsvereins 1991 eine neue, die Opfer individuell würdigende Inschrift und der gesamte Platz wurde neugestaltet.
Seit seiner Gründung mit rund 50 Mitgliedern kam der Verein bald auf ein Niveau von rund 130 Mitgliedern, das bis heute gehalten werden konnte. Neuaufnahmen konnten die durch den Tod langjähriger Mitglieder entstandenen Lücken immer wieder füllen. Doch sucht der Verein auch weiter neue Mitglieder, die im Verein aktiv mitmachen wollen.
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