Bensheim. Sichere Radwege, eine bessere Anbindung im Nahverkehr oder der Ausbau der Ladestrukturen für E-Mobilität – mit dem Mobilitätskonzept „Mobiles Bensheim 2040“ plant die Stadt, einen nachhaltigen, ganzheitlichen Ansatz zu entwickeln, um für alle Menschen ein attraktives Mobilitätsangebot zu schaffen. Ambitioniert strebt Bensheim eine Gleichberechtigung der Verkehrsarten an.
Nur durch ein verlässliches Angebot kann die Verlagerung von Verkehren vom motorisierten Individualverkehr – allen voran das Auto – hin zu umweltfreundlicheren Verkehrsträgern gelingen. Nicht nur der Verkehr soll durch ein ausgearbeitetes Konzept besser fließen. Man verspricht sich zudem eine Verbesserung des Stadtklimas.
Bei der Erstellung dieses Mobilitätskonzepts sollen die Mobilitätsbedürfnisse der Bensheimer und Bensheimerinnen integriert und die Menschen und die Wirtschaft vor Ort mitgenommen werden. Deswegen konnten sich alle Menschen, die in Bensheim leben, dort arbeiten oder ihre Freizeit verbringen, im Herbst 2024 an einer Umfrage zu ihrem Mobilitätsverhalten beteiligen. Weiter führte das mit der Erstellung des Konzepts beauftragte Planungsbüro ZIV (Zentrum für integrierte Verkehrssysteme) aus Darmstadt eine repräsentative Haushaltsumfrage durch. Nun liegen erste Auswertungen vor, die ZIV-Geschäftsführer Owen Dielemann im Bau- und Umweltausschuss der Stadt präsentierte.
Das Mobilitätskonzept soll den Rahmenplan liefern, der bei der Entwicklung der Verkehrspolitik in den kommenden 15 Jahren helfen soll. Das Konzept soll breit aufgestellt sein, die Belange aller Verkehrsteilnehmer und -teilnehmerinnen sollen abgebildet werden. Bei der Erstellung des Konzepts geht es weniger darum, konkrete Einzelmaßnahmen zu definieren als darum, große Leitlinien zu definieren. Das Ziel: Eine nachhaltige, zukunftsfähige und lebenswerte Stadt mit besseren Verkehrsverbindungen und attraktiveren Alternativen zum motorisierten Individualverkehr.
Wer bewegt sich in Bensheim – und warum?
Um ein möglichst umfassendes Bild der Mobilität in Bensheim zu erhalten, war die Befragung gegliedert: An der repräsentativen Haushaltsbefragung nahmen 410 Menschen teil, an der Online-Umfrage 739. Dabei stellte sich heraus, dass 126 der Online-Teilnehmenden nicht in Bensheim wohnen, sich aber regelmäßig in der Stadt aufhalten.
Die Gründe für den Aufenthalt in Bensheim sind vielfältig: 72 Prozent kommen zum Arbeiten, 37 Prozent für Freizeitaktivitäten, 34 Prozent erledigen ihre Einkäufe, rund ein Fünftel besucht Familie und Freunde in Bensheim. Die meisten Menschen, die an der Online-Umfrage teilnahmen, waren zwischen 30 und 64 Jahren alt, die Geschlechterverteilung war etwa gleich (55 Prozent männlich, 45 weiblich). 64 Prozent der Bensheimerinnen und Bensheimer, die an der Haushaltsbefragung teilnahmen, arbeiten mindestens einen Tag in der Woche im Homeoffice, die Hälfte zwei Tage oder mehr. Trotzdem verließen 90 Prozent der Befragten am Stichtag der Erhebung ihr Zuhause.
Dominanz des Autos bleibt bestehen
Trotz der vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten des öffentlichen Raums bleibt der motorisierte Individualverkehr das dominierende Verkehrsmittel in Bensheim. 86 Prozent der Haushalte, die an der Umfrage teilnahmen, besitzen mindestens ein Auto, im Durchschnitt gibt es 1,5 Pkw pro Haushalt – deutlich mehr als der hessische Durchschnitt von 1,1. Die Pkw-Dichte in Mehrpersonenhaushalten steigt moderat, während sich Einpersonenhaushalte mit durchschnittlich 0,9 Autos zufriedengeben. 80 Prozent der Befragten gaben an, ihr Auto auf privaten Stellplätzen oder in Garagen abzustellen. Dennoch bleibt das Parken ein kontroverses Thema, insbesondere in der Innenstadt, wo fehlende Parkplätze und eine unzureichende Parkregelung kritisiert wurden. 72 Prozent der befragten Bürgerinnen und Bürger in Bensheim besitzen mindestens ein Fahrrad im Haushalt (ohne E-Rad/ Pedelec).
ÖPNV in Bensheim: Taktung, Anbindung und Fahrzeiten als Problemfelder
Der öffentliche Nahverkehr wird nur von sieben Prozent der Befragten genutzt, was im Vergleich mit anderen Städten ein niedriger Wert ist. Als Hauptgründe für die geringe Nutzung wurden lange Fahrzeiten (36 Prozent), schlechte Anbindung (27) sowie unzureichende Taktung (39) genannt. Besonders in den Randgebieten und den Ortsteilen von Bensheim fehlen attraktive Angebote. Gleichzeitig gibt es auch positive Aspekte: Der Fernverkehr wird als gut bewertet, und die Bahnanbindung bietet grundsätzlich Potenzial für eine bessere Nutzung des ÖPNV. Verbesserungen in diesem Bereich sind daher ein zentraler Bestandteil des Mobilitätskonzepts.
Rad- und Fußverkehr: Hoher Verbesserungsbedarf trotz positiver Ansätze
Mit einem Fahrradanteil von 19 Prozent im Straßenverkehr liegt Bensheim über dem Durchschnitt vergleichbarer Städte. Dennoch bestehen viele Herausforderungen. Die Befragten kritisierten insbesondere die Verkehrsführung (24 Prozent), fehlende Radwege (16) sowie Sicherheitsmängel (14). Viele fühlen sich auf der Straße gegenüber dem Autoverkehr benachteiligt und fordern eine bessere Infrastruktur für Radfahrerinnen und -fahrer.
Auch der Fußverkehr hat Verbesserungspotenzial. Zu schmale Gehwege, ungünstige Ampelschaltungen und mangelnde Sicherheit sind häufige Kritikpunkte. Die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt wird als gemischt bewertet: Während die Fußgängerzone positiv hervorgehoben wurde, gibt es abseits der zentralen Bereiche viele Mängel.
Besonders an der Online-Umfrage war, dass die Menschen dort auf einer interaktiven Karte Problemstellen und Positives kennzeichnen und mit Bemerkungen versehen konnten. Insgesamt gingen dabei über 3000 Einzelmeldungen ein - 2600 davon negativ. Die Punkte sind über das gesamte Stadtgebiet verteilt, die meisten Meldungen gingen in den Bereichen der beiden Bahnhöfe Bensheim und Auerbach, im Innenstadtbereich, in der Rodenstein- und der Darmstädter Straße sowie am Berliner Ring und den Ortsausfahrten ein. Deutlich am häufigsten meldeten die Menschen Negatives, die mit dem Rad unterwegs sind.
Mehr nachhaltige Mobilität und weniger Abhängigkeit vom Auto
Das Mobilitätskonzept „Mobiles Bensheim 2040“ sieht eine Reihe von Maßnahmen vor, um die Verkehrssituation zu verbessern und nachhaltige Mobilität zu fördern. Dazu gehören:
- Erweiterung und Optimierung des ÖPNV: Höhere Taktung, bessere Anbindungen und eine optimierte Linienführung sollen den Bus- und Bahnverkehr attraktiver machen.
- Förderung des Radverkehrs: Der Ausbau von Radwegen, sichere Abstellmöglichkeiten und eine bessere Verkehrsführung für Radfahrende stehen auf der Agenda.
- Aufwertung des Fußverkehrs: Mehr Platz für Fußgänger, barrierefreie Wege und eine höhere Aufenthaltsqualität sollen das Zu-Fuß-Gehen angenehmer machen.
- Reduktion des Autoverkehrs: Parkraummanagement, Verkehrsberuhigung in der Innenstadt und alternative Mobilitätsangebote wie Car-Sharing und On-Demand-Verkehr sollen den Pkw-Verkehr reduzieren. Interessant in diesem Zusammenhang war, dass zwar 95 Prozent der Befragten keine Sharing-Angebote nutzen, sich aber ein Drittel mehr solcher Angebote, vor allem für Lastenfahrräder und Autos, aber auch normale Fahrräder, wünscht.
Aktuell laufen noch weitere Erhebungen, die Verkehrssituation in Bensheim wird weiter analysiert und anhand der Daten verkehrspolitische Leitbilder entwickelt, erklärte Dielemann das weitere Vorgehen. Bis zum Frühjahr 2026 soll das integrierte Handlungskonzept dann vorliegen. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr fördert die Erstellung von nachhaltigen urbanen Mobilitätsplänen. Die Stadt Bensheim hat sich erfolgreich um die Förderung des Mobilitätskonzeptes beworben und erhält einen Zuschuss in Höhe von 65 Prozent der entstehenden Kosten.
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